Vom 29. bis 31. Mai findet in Regensburg die "SkepKon", die Jahreskonferenz der Skeptikerorganisation GWUP, statt. Aus diesem Anlass stellt der hpd jede Woche einen Referenten und sein Thema im Interview vor. Heute: Cornelius Courts.
Prof. Dr. Cornelius Courts studierte Biologie und promovierte in Genetik (molekulare Onkologie) an der Uni Köln. 2008 wechselte er in die forensischen Wissenschaften – er begann eine Tätigkeit als Leiter der Abteilung für Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin in Bonn. 2011 startete er das Wissenschaftsblog blooD'N'Acid, das er bis heute betreibt. 2015 habilitierte er sich an der Uni Bonn im Fach Forensische Molekularbiologie und wechselte dann den Ort, nicht aber das Fach: Sechs Jahre leitete er die Abteilung für Forensische Genetik am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel. 2021 erhielt er einen Ruf auf die Professur für Forensische Molekulargenetik an der Uni Köln, dem er folgte und wo er seit September 2021 außerdem die Abteilung für Forensische Molekulargenetik am Institut für Rechtsmedizin leitet. Im Januar 2023 wurde er gewähltes Mitglied der gemeinsamen Spurenkommission der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin und der kriminaltechnischen Institute der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes. Auf der "SkepKon" erklärt Courts am Donnerstag, 29. Mai unter dem Titel "Dogs will not replace us", warum Hunde keine DNA riechen können.
hpd: Worum geht es in dem Vortrag?
Cornelius Courts: In der seriösen, begutachteten forensischen Fachzeitschrift Forensic Science International wurde ein Artikel veröffentlicht, der die Behauptung enthält, dass Mantrailer-Hunde DNA riechen und am Geruch der DNA einen Menschen identifizieren können. (Mantrailer sind Suchhunde, die darauf trainiert werden, menschlichen Individualgeruch zu erkennen und einer Fährte zu folgen, sowie anzuzeigen, ob eine Person sich an einem Tatort aufgehalten hat.) Das wäre eine wissenschaftliche Sensation gewesen, stimmt aber leider nicht, kann auch gar nicht stimmen und hätte niemals behauptet oder gar veröffentlicht werden dürfen. Warum und wie es dazu kam und was daraus zu lernen ist, darum geht es in dem Vortrag.
Welche populären Mythen oder Fehlvorstellungen möchten Sie mit Ihrem Vortrag aufdecken?
Zweierlei. Erstens den (noch nicht so alten) Mythos, dass Hunde, speziell Mantrailer, die individuelle DNA eines Menschen am Geruch erkennen können. Dieser "Mythos" wurde in einer wissenschaftlichen Zeitschrift unter "Peer-Review", also nach einem fachlichen Begutachtungsprozess, veröffentlicht und dann als "Sensation" quer durch alle Medien posaunt.
Und zweitens, dass nur, weil etwas in einer seriösen wissenschaftlichen Zeitschrift unter Peer-Review veröffentlicht wurde, es nicht richtig sein muss und man auch in Anbetracht solcher Studien das kritische Denken nicht abstellen sollte.
Hält der Vortrag allgemeine Lektionen für das kritische Denken bereit? Lässt sich zum Beispiel die Wichtigkeit eines bestimmten logischen Grundsatzes hier besonders gut erkennen? Oder gibt es Denkfehler, die man in Ihrem Bereich besonders häufig antrifft?
Ja, der Vortrag zeigt, dass auch das wissenschaftliche Qualitätssicherungssystem Peer-Review nicht unfehlbar ist. Ein Grundsatz, der hier Anwendung hätte finden müssen, ist, dass außerordentliche Behauptungen außerordentlicher Evidenz zu ihrer Belegung bedürfen. Wenn man die Behauptung aus der Publikation nach Kriterien der Logik, Plausibilität und Statistik prüft, erkennt man, dass sie falsch ist und eigentlich sogar falsch sein muss.
Worin liegt die gesellschaftliche Relevanz Ihres Vortragsthemas?
Beweismittel, die bei Gericht zur Wahrheitsfindung dienen und mithin einen großen Einfluss auf Entscheidungen über Freiheit oder Verurteilung haben, müssen unbedingt valide, verlässlich und fest im Fundament der Wissenschaft verankert sein. Der Einsatz von Mantrailer-Hunden wird in einigen Bundesländern als Beweismittel gerichtlich anerkannt. Das ist höchst bedenklich, da die wissenschaftliche Validität von Mantrailer-Befunden umstritten ist.
Das Motto der "SkepKon" – "Fakten. Mythen. Kontroversen" – deutet an, dass die GWUP gesellschaftliche Kontroversen in den Mittelpunkt rücken will. Unabhängig von Ihrem Vortragsthema: Welche Kontroverse liegt Ihnen besonders am Herzen – und was würden Sie sich hier wünschen?
Ich befasse mich schon länger und in letzter Zeit intensiver mit dem identitätspolitischen "Kulturkrieg", speziell den Umtrieben und Ausartungen des sogenannten "critical social justice"-Aktivismus, gemeinhin auch als "Wokeness" bekannt. Die Grundannahmen dieses Aktivismus, der eine zur Anwendbarkeit mutierte Mischung aus Postmodernismus und kritischer Theorie ist, sind zutiefst wissenschaftsfeindlich, illiberal und zynisch. Ziel seiner Vertreter ist neben einem Kampf gegen "den Westen", westliche Werte, Kultur und Errungenschaften, die Aufklärung abzuwickeln. Seine Mittel in diesem Kampf ähneln denen anderer Totalitarismen und gefährden die Freiheit der Rede, der Lehre und der Wissenschaft. Als Verein für kritisches Denken, der der Wissenschaft nahesteht, müssen wir unsere Stimme gegen diesen Aktivismus und seine Angriffe auf Wissenschaft(ler) erheben, seine Irrtümer aufzeigen, seine unwissenschaftlichen ideologischen Annahmen bloßstellen und dürfen niemals seinem Drängen nachgeben, bestimmte Themen von Kritik und sachlicher und vor allem ergebnisoffener Analyse auszunehmen. Die vorhersehbare und strategische Diffamierung durch diese Aktivisten als "rechts", "rechtsoffen", XYZ-isten und dergleichen mehr müssen wir gelassen an uns abprallen lassen.
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