Das dicke Ende kommt erst

Tragweite muss bekannt sein

Der katholischen Führungsriege muss die Tragweite der Entwicklungen bekannt sein. Es muss ihr auch klar sein, dass es so gut wie nichts gibt, was sie dagegen tun kann. Religion spielt im Leben der meisten Menschen in Österreich so gut wie keine Rolle mehr. Missionierungsversuchen, verschämt Neuevangelisation genannt, sind sie nicht zugänglich.

Der demokratisch-rechtsstaatliche Rahmen der Republik, in den die Kirche trotz zahlreicher Privilegien eingebettet bleibt, gestattet ihr auch immer weniger, die Schäfchen mit mehr oder weniger sanftem ökonomischem Druck bei der Stange zu halten. Und je mehr Menschen auch am Land ausgetreten sind, desto geringer wird der gesellschaftliche Druck dabei zu bleiben oder die Kinder taufen zu lassen. Was langfristig bleiben wird, ist eine relativ kleine Gruppe sehr Überzeugter. Die so genannte Überzeugungskirche, auf die Christoph Schönborn immer wieder Bezug nimmt.

Allein, an der gesellschaftlichen Bedeutung der Kirche darf sich in den Augen ihrer obersten Vertreter nichts ändern.

Abwickler der katholischen Erbmasse

Die katholischen Kirchenoberen sind längst Abwickler der katholischen Erbmasse geworden. Das mag ihnen in dieser Tragweite bewusst sein oder nicht. Dafür, dass sie es wissen, spricht, dass sie immer mehr eine „christliche Kultur“ bzw. Prägung vor sich hertragen wie sonst die Monstranz zu Fronleichnam. Nach Überzeugung der Kirchenhierarchie ist sie es, die dieses angebliche Prägung bewahren und beschützen muss. Warum, wie und vor wem, bleibt bei näherer Betrachtung unklar. Man erfährt nur, dass die Oberchristen Österreichs ein nicht mehr christliches Österreich (was auch immer man darunter verstehen mag) nicht so toll finden. Das dürfte niemanden ernsthaft überraschen.

Nur bezahlen muss den Schutz einer christlichen Prägung irgendwer. Auch Sicht der Kirchenoberen ist klar, wer: Die Allgemeinheit. Die muss zwangsbeglückt werden. Ob wie bisher von der Kanzel aus oder durch von ihr finanzierte kirchliche Kultureinrichtungen oder Schulen – dem Klerus ist’s egal. Wenn sie nicht kommen, sollen sie zahlen. So ist das mit dem Glauben.

Späteren Legitimationsproblemen versucht man seit Jahren argumentativ vorzubeugen. Von wegen kulturelles Erbe, von dem ja alle... und so. Im Moment funktioniert die Taktik ganz gut. Die Schäfchen werden ins Trockene gebracht, bevor...

Wobei, Schäfchen eher nicht. Die rennen ja davon. Versuchen wir es noch mal: Die finanziellen Angelegenheiten werden langfristig geregelt, bevor die 50-Prozent-Grenze sichtbar wird. Ist die mal unterschritten, hat man ein massives Legitimationsproblem. Dann wird man keine neuen finanziellen Leistungen mehr lukrieren können. Aber das, was man hat, wird man noch ziemlich lang verteidigen können. Aus katholischer Perspektive vermutlich fast so gut wie ein zu 80 Prozent katholisches Österreich.

Christoph Baumgarten