ROM. (hpd) Hintergründe der Ernennung des Prälaten Georg Gänswein zum Erzbischof durch den Papst. Die Nachricht darüber ging durch alle Medien. Was soll daran so sensationell sein bzw. auf welcher Grundlage geschah diese Ernennung eines scheinbar unbedeutenden Papst-Assistenten („Papst-Kaplans“)?
Ein Kommentar von Prof. Dr. Hubertus Mynarek
Nun, auch wenn der Papst als oberster Chef im Vatikan fungiert, gehört es dennoch zum Wesen eines totalitären geistlichen Staates, wie es die Kirche ist, dass dieses System noch weitere Sicherungen einbaut. Einfacher gesagt: Auch der Papst als Chefkontrolleur und oberster Diktator unterliegt noch der Kontrolle. Bei Ratzinger führt sie »Opus Dei« mit Hilfe ergebenster Diener dieser Organisation durch. Da ist gleich an erster Stelle der ständig in unmittelbarer Nähe Ratzingers agierende Prälat Dr. Georg Gänswein („Don Giorgio“) zu nennen, der persönliche und Privatsekretär des Heiligen Vaters, der „den Tag vom Morgengebet bis zum Abendspaziergang mit Papst Benedikt XVI. verbringt“ („Der Stern“) und sein Büro in der Terza Loggia des Palazzo Apostolico, dem „Appartamento privato“ des Papstes, gleich neben dem des Chefs hat. Gänswein war Dozent an der theologischen Fakultät der römischen »Opus Dei«-Universität, ehe er zu Ratzinger kam. Jetzt kontrolliert, sortiert, sichtet und koordiniert er alles, was zum Papst kommt, alle Anfragen und Anliegen. Kenner der Materie sagen, Pater Gänswein habe mehr Einfluss und Macht als jeder andere Papstberater vor ihm. Schon als Ratzinger als Dekan der Kardinäle ins Konklave zieht, darf er als Einziger seinen Sekretär Gänswein mitnehmen. Der muss ja dabei sein, um alles beobachten zu können.
Aber das Joch mit ihm ist für Ratzinger süß und sanft, denn dem zarten, femininen, mit schwacher Konstitution ausgestatteten Papst ist der männliche, kraftvolle Playboy-Typ Gänswein von vornherein äußerst sympathisch. Als „der schönste Diener des Herrn“, als „Benedettos Beau“, als „Adonis aus dem Schwarzwald“ und „George Clooney des Vatikans“ tituliert man ihn in Rom und anderswo. Der stets elegant und teuer Gekleidete hat mehr Starqualitäten als jeder andere Vaticano, mehr Sexappeal als die meisten eher grau in grau daherkommenden Kurienbeamten.
Mit ihm kann der Vatikan der alt und grau gewordenen, wenig attraktiv wirkenden Papstkirche ein neues Image verpassen. Das Äußere, Äußerliche, die Fassade ist ja für die Herren der Kirche seit jeher alles, aber diese Fassade muss ständig der sich wandelnden Zeit angepasst werden, muss immer wieder einen neuen Anstrich bekommen. Dafür steht momentan in erster Linie ein so smarter Typ wie der ehemalige Skilehrer Gänswein, aber mit ihm und in seinem Gefolge eine ganze Menge junger, eleganter, oberflächlicher Schwarzröcke aus der »Opus Dei«-Ecke, die immer öfter und häufiger in den Gängen und Amtsstuben des Vatikans auffallen und zu dominieren beginnen.
Leute ohne Seele, ohne Tiefendimension, aber mit der Attraktivität und Effektivität moderner, aalglatter Kirchenmanager, wobei es dann auch keine gravierende Rolle mehr spielt, ob sie Heteros oder Homos sind. „Der Priesternotstand hat die Schwelle für die Zulassung zum Priesteramt von der wissenschaftlichen bis zur charakterlichen Qualifikation dramatisch abgesenkt. Wer mit Kennern dieser Szene spricht, erfährt, dass selbst hinter den vatikanischen Mauern bis in die engste Umgebung des Papstes Homosexualität ein Thema ist. Man schaue sich nur die hübschen Jünglinge an, die um den Papst herumscharwenzeln!“
Das schreibt nicht irgendein Kirchenhasser, sondern der seiner Kirche treu ergebene Ressortleiter »Kulturelles Wort / Aktuelle Kultur« im Südwestfunk Baden-Baden, Jürgen Hoeren. Angesichts der Zustände im Vatikan und anderswo in der Kirche nennt »Die Zeit« das neueste römische Papier zur Sexualität „ein Glanzstück leibfeindlichen Pharisäertums“, und Hoeren sekundiert: „Mit kaum einem anderen Thema gehen Bischöfe und Kardinäle“ (warum nicht auch der Papst?) „so unglaubwürdig um, wie mit der Frage der Sexualität in den eigenen Reihen … Tatsache ist, dass manche Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, selbst im Vatikan, homosexuelle Priester in ihrer engsten Umgebung wissen … Über ihre homoerotischen Veranlagungen wird hinweggesehen, solange diese nur nicht öffentlich werden.“
Vor Jahren bereits ließ die Deutsche Bischofskonferenz zu diesem Themenkomplex ein Gutachten anfertigen. Im engsten Kreis der Bischöfe zwar besprochen, blieb es bis heute strikt geheim, ebenso wie die überaus zahlreichen sexuellen Missbrauchsskandale von katholischen und evangelischen Priestern an Kindern und Jugendlichen, die selten das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Allerneuestes Beispiel: Am 9. Januar diesen Jahres kündigten die deutschen Bischöfe vorzeitig den Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, dessen Leiter Christian Pfeiffer der Kirche Zensur vorwarf. Er hatte offenbar viel mehr Missbrauchstaten von Priestern in den Archiven der Bistümer entdeckt als die Kirche bisher angegeben hatte. Selbst eine Vernichtung von Akten soll es gegeben haben. Merke: Wenn jetzt die Kirche von Vertrauensbruch spricht, heißt das auf gut katholisch: Dieser Bursche, dieser Pfeiffer, wollte kein Gefälligkeitsgutachten ausstellen. Inzwischen verlangen die Bischöfe von Pfeiffer sogar eine Unterlassungserklärung, er solle versprechen, die Behauptung, die Kirche habe Zensur ausgeübt, nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Zurück zu Gänswein: Sicherlich darf man das Verhältnis zwischen Gänswein und Ratzinger ohne jegliche Sensationslust oder Klatschsucht als ein homophiles bezeichnen. Wenn zwei Männer über viele Jahre „unzertrennlich“ sind, dann entsteht eben eine erotisch gefärbte Männerfreundschaft, die nichts Anrüchiges an sich hat, auch nicht notwendig mit homosexuellen Wünschen oder homosexuellen Handlungen verbunden sein muss. Dagegen haben ja auch die offiziellen Verlautbarungen des Vatikans nichts. Sonst könnte seine Verordnung zur Homosexualität von Priesteramtskandidaten nicht von ihnen verlangen, sich die letzten drei Jahre ihres bisherigen Lebens von allen homosexuellen Praktiken ferngehalten zu haben.
Gegen eine homoerotische Atmosphäre in den Priesterseminaren, die zweifellos bei einer solchen homosexuellen Enthaltung entsteht, haben die Verantwortlichen im Vatikan mit dem Papst an der Spitze aber ganz offenbar nichts einzuwenden. Allerdings schon etwas süffisant erklärt das Magazin „Der Stern“, auf das Verhältnis Ratzinger-Gänswein anspielend: „Und was Gott zusammenfügt, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Soll er auch nicht, aber ihre Hände sollen sie von Kindern und Jugendlichen lassen!
Fazit zu Ratzinger und Gänswein: Beide brauchen einander essentiell und existentiell. Der Ratzinger-Papst kann emotional auf ihn nicht verzichten und Gänswein darf nicht von seiner Seite weichen, denn er hat in „höherem Auftrag“, dem des Opus Dei, den Papst zu beaufsichtigen. Glasklare logische Konsequenz: Der Gänswein musste in der kirchlichen Karriereleiter zum Erzbischof aufsteigen. Wetten, dass er auch noch Kardinal wird, wenn Seine Heiligkeit nicht vorzeitig schlapp macht und in die „himmlischen Gefilde“ verschwindet.
Mehr zum Charakter Ratzingers, seiner Doktrin und seinen „strategischen“ Winkelzügen bei: Hubertus Mynarek, Papst-Entzauberung, Norderstedt 2007, BoD Verlag, ISBN 978-3-8334-8033-1.