Die Kirche und deren gelebte Barmherzigkeit

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Screenshot, Webseite des "St. Vinzenz-Hospital"

KÖLN. (hpd) Mit Fassungslosigkeit und Entsetzen reagiert die deutsche Öffentlichkeit auf schockierende Nachrichten aus Köln: zwei in katholischer Trägerschaft befindliche Krankenhäuser hatten im Dezember letzten Jahres gegenüber einer vergewaltigten Frau eine gynäkologische Untersuchung zur Spurensicherung abgelehnt.

Wie vor kurzem bekannt geworden ist, war eine 25jährige Frau auf einer Party mit K.O.-Tropfen betäubt worden und erst einen Tag später auf einer Parkbank in Köln wieder zu sich gekommen. Sie konnte sich lediglich noch daran erinnern, dass sie sich zuletzt an einer Straßenbahnhaltestelle befunden hatte. Die Frau wurde dann von einer Kölner Notärztin behandelt, für die sich während der Behandlung der Verdacht bestätigte, dass nach der Verabreichung der Tropfen eine Vergewaltigung stattgefunden hatte.

Zwischen der vergewaltigten Frau und der Ärztin wurde über die Tat und auch über eine mögliche Schwangerschaft gesprochen. Die Ärztin verschrieb die "Pille danach" und nahm Kontakt zu den Kölner Krankenhäusern St. Vinzenz-Hospital in Köln-Nippes und dem Heilig-Geist-Krankenhaus in Köln-Longerich auf, um eine gynäkologische Untersuchung in die Wege zu leiten und um Tatspuren zu sichern. Beide Krankenhäuser lehnten die Untersuchung jedoch übereinstimmend mit der Begründung ab, dass bei einer solchen Untersuchung über die "Pille danach" aufgeklärt werden und ein Rezept ausgehändigt werden müsse. Dies sei mit christlichem Gedankengut nicht vereinbar und seit mehreren Monaten sei den Ärzten von den Klinikleitungen deshalb eine gynäkologische Untersuchung zur Beweissicherung untersagt. Selbst der Hinweis, dass eine Beratung über einen Schwangerschaftsabbruch und die Verschreibung der "Pille danach" bereits erfolgt sei, brachte die Krankenhausärzte nicht zum Einlenken. Sie lehnten jegliche Hilfestellung für die überfallene und vergewaltigte Frau ab, die irgendwo anders um Hilfe nachsuchen sollte.

Die Moral des Wachhundes

Die Beratung über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch, auch nach einer Vergewaltigung, entspreche nicht den ethischen und moraltheologischen Grundsätzen der katholischen Kirche, erklärte später ein Sprecher des von dem bekannten Kardinal Meisner geführten Bistums Köln. Beide Krankenhäuser sind im Zuständigkeitsbereich dieses Kardinals, eines religiösen Hardliners, der sich selbst als "Wachhund" der Kirche bezeichnet, gelegen.

Eine den katholischen Grundsätzen entsprechende Verordnung war im November 2012 vom für die betroffenen Krankenhäuser zuständigen "Ethikrat" erlassen worden. Ärzte, die - dem hippokratischen Eid und ihrem Gewissen folgend - gegen diese Regeln verstoßen, müssen mit ihrer fristlosen Kündigung seitens der Krankenhausleitung rechnen. Eine Ärztin, die in einem ähnlichen Fall gegen die "ethischen" Richtlinien verstoßen haben soll, soll umgehend entlassen worden sein, was die Krankenhausleitungen jedoch bestreiten.

Da stellt sich dann allerdings die Frage nach dem Klima innerhalb der von Kardinal Meisner verantworteten Erzdiözese Köln und den dortigen katholischen Einrichtungen – ein Klima der Intoleranz gegenüber Notleidenden allemal, wie sich am Beispiel der vergewaltigten Frau gezeigt hat, aber womöglich auch ein Klima der Einschüchterung gegenüber den dort im Gesundheitswesen Tätigen?

Aufklärung ohne jegliche Einschränkung sowohl hinsichtlich der Hilfeverweigerung als auch hinsichtlich des Drucks auf die Mitarbeiter durch die staatlichen Aufsichtsorgane ist dringend erforderlich. Katholische Institutionen leisten von allein keinerlei relevante Aufklärung, man denke nur an die Missbrauchsopfer und die neuerdings "verschwundenen" Akten.

In die bundesweite Kritik gekommen, ist plötzlich von katholischer Seite von "Missverständnissen" die Rede, wobei tatsächlich jedoch unabhängig voneinander die Ärzte in zwei verschiedenen Krankenhäusern dieselbe Aussage getätigt haben, so dass man davon ausgehen muss, dass der Hinweis auf "Missverständnisse" lediglich der Verschleierung der Tatsachen und der neuen Dienstanweisung dienen soll.

Die in Köln vergewaltigte Frau bekam in den beiden katholisch geführten Krankenhäusern keine Hilfe. Sie fand dann später nach weiterem quälenden Suchen ein anderes Krankenhaus, in dem sie gynäkologisch untersucht wurde.

Die Notärztin Irmgard Maiworm, die die Frau als erste behandelt hat, hat in einem Gespräch mit dem Kölner Stadtanzeiger geäußert: "Mit dem Hinweis auf Moral wird einer Frau, die wahrscheinlich mehrfach traumatisiert ist, Hilfe verweigert. Welche Moral ist das?" Die Ärztin wirft den Krankenhäusern vor, die junge Frau erneut zum Opfer gemacht zu haben und resümiert: "Ich finde das menschlich sehr befremdlich. Es enttäuscht mich sehr."

Katholisch: Nur relative Menschlichkeit

"Menschlich sehr befremdlich", so wird jeder anständige Mensch in Deutschland das empfinden, was in Köln passiert ist. Aber verwunderlich ist es nicht, stehen die Krankenhäuser doch unter katholischer Leitung. Es geht eben nicht um "Menschlichkeit" schlechthin, sondern allenfalls um eine Relativierung von "Menschlichkeit" – um "katholische Menschlichkeit". Bekannt ist, dass in diesen Kreisen die ideologische Korrektness im Vordergrund steht und auch "Moral" nur nach Maßgabe des Katechismus und der kirchlichen Lehrmeinung beachtlich ist. Oder sollte – noch weitergehend relativiert – im Erzbistum Köln nur die "Moral eines Wachhundes" gelten?

Pro famila hat vor wenigen Tagen erklärt, dass man aus der bundesweiten Beratungstätigkeit wisse, dass katholische Krankenhäuser in seelischer Not befindliche Frauen regelmäßig wegschickten, wenn sie die "Pille danach" verlangten, obwohl es auf eine schnelle Einnahme ankomme. Der Vorgang in Köln ist wohl kein Einzelfall sondern Praxis von Einrichtungen, die in die katholische Ideologie eingebunden sind. Allerdings wird aus Köln wird bereits jetzt ein weiterer ähnlicher Vorfall bei demselben Krankenhausträger gemeldet.

Bundesweit Hilfeverweigerungen üblich

Die Angaben von Pro famila bestätigte indirekt gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" ein Sprecher des Erzbistums Berlin. Auch nach einer Vergewaltigung, wenn die geschundene Frau fürchte, schwanger zu werden, wird die "Pille danach" in katholischen Krankenhäusern nicht gegeben oder verschrieben, da dies als ein Fall von Abtreibung gelte und die Einnahme von Verhütungsmitteln zur Verhinderung einer Schwangerschaft den moraltheologischen Grundsätzen der katholischen Kirche widerspreche.

Dabei wird allerdings verschwiegen, dass die "Pille danach" die Befruchtung der Eizelle ausschließen soll, so dass eine Gleichsetzung mit einer Abtreibung völlig verfehlt ist. Es bleibt somit nur die Feststellung: Eine verquere "Lebensideologie" soll durchgesetzt werden – dabei wird mit falschen Begriffen hantiert; die Situation und die seelische Notlage der missbrauchten Frau spielen für die Ideologen keine Rolle.

Demütigung vergewaltigter Frauen

Die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen-Esser, NRW-Landesvorsitzende der von katholischen Laien gegründeten Schwangerenberatung Donum Vitae, hat den Kölner Vorgang einen Skandal genannt. Es sei die Pflicht von Krankenhäusern, Vergewaltigungsopfern jegliche Hilfe zukommen zu lassen, was auch die "Pille danach" und das Beratungsgespräch mit einschließe. Frau Heinen-Esser wies darauf hin, dass bis vor zwei Monaten die Praxis in katholischer Trägerschaft stehender Krankenhäuser pragmatischer gewesen sei und nannte es eine weitere Demütigung "für betroffenen Frauen und einen Schutz der Täter, wenn die Spuren nicht gesichert würden." Die Grenze des der Gesellschaft Zumutbaren ist in Köln durch die religiösen Hardliner eindeutig überschritten; in ihrer Verblendung registrieren aber weder dies noch dass auch die Mehrheit ihrer Religionsangehörigen sich mit Schaudern von ihnen distanziert.

An ihren Werken sollt Ihr sie erkennen...

Träger der betroffenen Krankenhäuser ist die Ordensgemeinschaft der Cellitinnen zur hl.Maria, die bis auf das 13. Jahrhundert zurückgeht.

In den Mitteilungen der Ordensgemeinschaft ist, wie das bei derartigen Gemeinschaften so üblich ist, bombastisch von einer "lebendigen Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen" die Rede und auch vom "selbstlosen Einsatz für den Nächsten". In der Ordenssatzung heißt es: "Der unserer Gemeinschaft aufgetragene Dienst ist die Ausübung der Werke der Liebe und Barmherzigkeit." Leitmotiv sind "Grundwerte als Fundament für unsere Arbeit", wie sie auf ihrer Website mitteilen. Sie wollen einen "Dienst für Gott und die Menschen, insbesondere für die Kranken, Alten und Notleidenden" leisten.

So ihre Worte - ihre Taten sprechen aber, wie das aktuelle Beispiel aus Köln zeigt, eine andere Sprache.

Problem der Ordensgemeinschaft ist seit Jahrzehnten das weitgehende Ausbleiben von Ordensnachwuchs und die damit einhergehende Überalterung der Nonnen, was seit den 1960er Jahren einen dramatischen Umfang angenommen hat. Seitdem wurden deshalb in erheblichem Umfang Einrichtungen geschlossen, zusammengelegt oder in neue Strukturen überführt. Insbesondere die sozial-karitative Tätigkeit wurde in neuer Trägerschaft mit "kompetenten weltlichen Mitarbeitern", wie die Ordensgemeinschaft mitteilt, fortgeführt, so dass ein "wichtiger Beitrag zur Gesundheitsversorgung" geleistet werden könne.

Die Cellitinnen werben damit, dass sie die medizinische Grundversorgung in bestimmten Regionen, darunter auch in Köln-Nord, gewährleisten. Und hier liegt – neben der skandalösen Unbarmherzigkeit gegenüber notleidenden Frauen – das gesellschaftliche Problem:

Allein in Nordrhein-Westfalen werden etwa 70 Prozent der Krankenhäuser von kirchlichen Trägern betrieben, (50 Prozent von katholischen und 20 Prozent von evangelischen Trägern). Die Finanzierung erfolgt nicht etwa durch Orden oder die Kirchen, sondern es findet eine "duale Finanzierung" statt: die Finanzierung von Investitionen erfolgt durch den Staat (über das allgemeine Steueraufkommen), die der laufenden Kosten durch die Sozialversichertengemeinschaft, Pflegeversicherungen und Zahlungen der Patienten. Finanziert wird somit vollständig durch Staat und Gesellschaft – und nicht durch die Religionsgemeinschaften. Weit verbreitet ist in Deutschland jedoch noch die gegenteilige Auffassung, der die Kirchen und Orden wohlweislich aus Eigeninteresse nicht öffentlich entgegentreten.

Gesellschaftliche Finanzierung von Dogmatikern ?

Das skandalöse Ereignis von Köln gibt mit Anlass, diese Finanzierung zu überdenken. Es ist nicht hinnehmbar, dass von der gesamten Gesellschaft finanzierte Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung aufgrund ideologischer Voreingenommenheit ihrer Betreiber und Führungskräfte hilfesuchende Kranke und Notleidende ohne Hilfeleistung abweisen und es zudem ablehnen, zur Aufklärung von Straftaten, wie in Köln nach einer Vergewaltigung, notwendige Untersuchungen vorzunehmen.

Eine andere Auffassung: Lukas 10, 25-37

Was die Wirkung des Vorgangs von Köln nach innen, in die Religionsgemeinschaft der Katholiken angeht, so ist es hohe Zeit, dass die Kirchenmitglieder deutlich Stellung nehmen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat im Jahr 1995 "Barmherzigkeit" als eine "Grundfunktion der Kirche" bezeichnet: "Die Glaubwürdigkeit der Kirche wird abhängig von der gelebten Barmherzigkeit." 

Das Ereignis von Köln hat diese Glaubwürdigkeit weiter erschüttert – Barmherzigkeit jedenfalls sieht für jeden mit Empathie ausgestatteten Menschen völlig anders aus. Das Kölner Vorkommnis ist kein Beispiel für das Handeln eines "barmherzigen Samariters" der heutigen Zeit, sondern eine aktuelle Variante dessen, dass die, die sich in Worten und Überzeugung für besonders gottgefällig halten, in und mit ihren Taten den notleidenden Menschen unbarmherzig allein lassen.

Politische Stellungnahmen

Den ersten Äußerungen aus der Politik zufolge scheint eine Bereitschaft zur Aufklärung des Vorkommnisses von Köln und zu daraus folgenden politischen Schritten vorhanden zu sein:

Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach nannte den Vorgang "hartherzig und erbarmungslos" und forderte für den Wiederholungsfall eine Überprüfung, ob eine gynäkologische Notfallbetreuung überhaupt noch in katholischen Krankenhäusern stattfinden solle.

Die laizistischen Linken fordern, dass "die Politik aufhören müsse, soziale Aufgaben an den Klerus abzugeben und dass katholische Einrichtungen nicht Träger von Krankenhäusern sein dürften, wenn sie nicht in der Lage sind, eine verfassungsgemäße medizinische Versorgung sicherzustellen.

Die laizistische Humanisten in den Piraten bewerten das Ereignis von Köln als einen Verstoß gegen Menschenrechte und fordern von den staatlichen Stellen in NRW eine Aufklärung der Angelegenheit und entsprechende Konsequenzen.

Seitens der Grünen sind eindeutige Stellungnahmen abgegeben und das Verhalten der Cellitinnen ist verurteilt worden. Sylvia Löhrmann (Grüne), stellvertretende Ministerpräsidentin von NRW, hat die Abweisung der Frau durch die katholischen Krankenhäuser als skandalös und als Verstoß gegen die Menschlichkeit bezeichnet; die nordrheinwestfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat weitere Untersuchungen auch auf ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten der Krankenhausmitarbeiter hin angekündigt und will auch einen möglichen Verstoß gegen den Versorgungsauftrag der Krankenhäuser prüfen. Taten müssen aber folgen: Die Grünen in NRW fordern zudem die Entziehung von Betriebserlaubnissen für Krankenhäuser, wenn diese sich dem Recht auf Erste Hilfe entziehen. Und die grüne Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin der Grünen für Arbeitnehmerangelegenheiten, schließlich hat gefordert, dass das kirchliche Arbeitsrecht insgesamt auf den Prüfstand und neu geordnet werden müsse.

Hinsichtlich der Gründe für die vor etwa zwei Monaten vorgenommene Verschärfung des katholischen Kurses, auf die die CDU-Abgeordnete Heinen-Esser hingewiesen hat, werden verschiedene Auffassungen geäußert.

Die TAZ weist darauf hin, dass von manchen Beobachtern die Reaktion der beiden Krankenhäuser mit einer Sendung des rechtskatholischen Senders Gloria TV aus dem Februar letzten Jahres in Verbindung gebracht wird. Gloria TV hatte über Testerinnen von "Lebensschützern" berichtet, die sich als angeblich Vergewaltigte vermeintlichen Rat holten und festgestellt hatten, dass Ärzte in katholischen Notfallambulanzen Frauen mit der "Pille danach" versorgten. Danach wurden diese Ärzte und die betroffenen Krankenhäuser dann gegenüber dem Klerus denunziert.

Verspekuliert

Dies mag hier eine Rolle gespielt haben, obwohl von der zwischen Februar 2012 und der Änderung der "Ethikrichtlinien" der Cellitinnen im November 2012 verstrichenen Zeit her ein solcher Zusammenhang eher ausgeschlossen erscheint. Womöglich hat aber mancher in katholischen Kreisen und bei den Cellitinnen die Debatte um die Legalisierung von Knabenbeschneidungen falsch bewertet und wähnt religiöse Auffassungen in Gesellschaft und Politik im Aufwind, in deren Windschatten dann eigene Positionen verschärft und allgemein durchgesetzt werden sollen. Wer darauf spekuliert haben sollte, kann aber bereits jetzt an den ersten öffentlichen Reaktionen absehen, dass er sich gehörig verspekuliert hat.

Den bisherigen Bekundungen der Politiker müssen aber Taten folgen. Pro famila hat als Konsequenz aus der menschenverachtenden Behandlung der vergewaltigten Frau durch die Ärzte der beiden Krankenhäuser gefordert, die "Pille danach" rezeptfrei zu stellen, damit Frauen nach einer Vergewaltigung einen schnellen und unkomplizierten Zugang dazu hätten, um eine Schwangerschaft aufgrund der Vergewaltigung zu verhindern. Dies könnte eine mögliche Konsequenz aus dem Kölner Vorfall sein.

Strukturelle Konsequenzen ziehen

Wenn ein katholische Krankenhausträger aufgrund seiner ideologischen Vorgaben nicht bereit sind, "einen aus aufgeklärter Sicht modernen Standard im Rahmen seiner medizinischen Betreuung von Menschen zu akzeptieren, dann darf ihm keine Verantwortung für öffentliche und staatlich finanzierte Einrichtungen übertragen werden." Dieser aktuell erhobenen Forderung des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD) ist unbedingt zuzustimmen.

Hierüber eine allgemeine gesellschaftliche Debatte zu führen tut not. Unabdingbar aber ist auch die vertiefte Aufklärung über die Finanzierung kirchlicher Gesundheitseinrichtungen aus Steuermitteln und Versichertenbeiträgen, damit die gesamte Gesellschaft weiss, worüber zu verhandeln sein wird und was zu verändern ist.

Nach Köln gilt: es kann nicht weiter hingenommen werden, dass religiöse Minderheiten der Mehrheitsgesellschaft ihre ideologischen Konstrukte aufzwingen und aus einer ideologisch begründeten Haltung menschliches Leid und menschliche Not ignorieren. Zwar mag die katholische Kirche von ihren Mitgliederzahlen noch eine beachtliche Größe darstellen, substantiell ist sie aber minoritär, da ihre wesentlichen Glaubenssätze von den eigenen Mitgliedern nicht mehr geteilt werden. Und bei der Beurteilung, welche Maßnahmen nach Vergewaltigungen ethisch erlaubt sein sollen, steht die kirchliche Lehrmeinung völlig im Abseits. Einer Umfrage aus dem Jahr 2006 zufolge sprechen sich 90,2 % aller Deutschen dafür aus, dass Frauen nach einer Vergewaltigung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen können sollen, lediglich eine absolute Minderheit von 9,8 % ist dagegen. Hierzu zählt wohl auch der katholische Klerus. Und bei der "Pille danach" geht es nicht einmal um einen Schwangerschaftsabbruch, sondern um das Verhindern einer Schwangerschaft. Die katholische Religion hat kaum noch Überzeugungskraft in die Gesellschaft hinein; diese Ideologie ist im Schwinden begriffen.

Kirchliche Einrichtungen auf den Prüfstand

Konsequenzen zu ziehen gilt umso mehr, als die kirchlichen Träger mithilfe von Steuermitteln und Sozialversicherungsbeiträgen eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Wer sich dem entziehen und religiöse Propaganda für seine Ideologie machen will, mag dies tun. Im Gegensatz zu den "Gottesstaaten" ist in Deutschland Meinungs- und auch Religionsfreiheit garantiert. Aber der hat im öffentlichen Gesundheitswesen – bei der Grundversorgung - nichts zu suchen.

Das alles muss auf den Prüfstand – und zwar jetzt, bevor noch mehr Menschen einer Ideologie wegen leiden müssen.

Walter Otte