Was die US-Wahl für das Recht auf Abtreibung bedeutet

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In dem Moment, in dem dieser Artikel erscheint, öffnen in den USA die ersten Wahllokale. Das Thema Abtreibung spielt eine bedeutende Rolle bei dieser Präsidentschaftswahl. Nicht nur, weil sich Herausforderin Kamala Harris für das landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch einsetzt. In einigen Bundesstaaten wird zudem über Regelungen abgestimmt, die den Zugang zu Abtreibungen vor Ort erschweren. Solche Gesetze können verheerende Folgen haben: Nachdem der Oberste Gerichtshof 2022 das grundsätzliche Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA ausgehebelt hat, ist die Säuglingssterblichkeit sprunghaft angestiegen.

Ursache seien häufig angeborene Anomalien, schreiben die Autorinnen Maria Gallo und Parvati Singh im Fachjournal JAMA Pediatrics. Die Forscherinnen werteten Daten aus den ersten 18 Monaten seit dem Urteil aus und verglichen sie mit älteren Zahlen. Dabei stellten sie eine deutliche Steigerung der Säuglingssterblichkeit fest. In den Monaten Oktober 2022 sowie März und April 2023 sei sie gegenüber früheren Werten um etwa sieben Prozent angestiegen. Das bedeutet, in jedem Monat seien rund 247 Säuglinge mehr gestorben als vor dem Urteil.

Als häufige Todesursache nennt die Studie angeborene Fehlbildungen, beispielsweise Herzfehler. In solchen Fällen hätten Schwangere in der Zeit vor dem Urteil "eine Abtreibung durchführen können, anstatt die Schwangerschaft fortzusetzen und die Erfahrung machen zu müssen, dass ein Säugling stirbt", so Maria Gallo. Co-Autorin Parvati Singh plädiert dafür, bei der Gesetzgebung das Leid der Menschen zu berücksichtigen, "einschließlich der Folgen für die psychische Gesundheit, wenn die Abtreibung verweigert wird oder wenn man gezwungen wird, einen Fötus mit einer tödlichen genetischen Fehlbildung auszutragen."

Nach dem Urteil von 2022 dürfen die Bundesstaaten selbst entscheiden, ob sie Schwangeren den Zugang zu Abtreibung gestatten oder den Abbruch kriminalisieren. Teils mit grotesken Folgen, wie das Beispiel von Amarillo zeigt. Die Stadt liegt im Norden von Texas, wo das Recht auf Abtreibung erheblich eingeschränkt ist. Die nächste Klinik, die legale Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, liegt in Albuquerque, im benachbarten Staat New Mexico – 463 Kilometer entfernt. Doch selbst dieser beschwerliche Ausweg soll ungewollt Schwangeren künftig verwehrt werden, wenn es nach dem Willen von Mark Lee Dickson geht. Der Pastor und lautstarke Abtreibungsgegner kämpft für ein kommunales Verbot, in Amarillo Straßen zu befahren, um für eine Abtreibung in Bundesstaaten mit liberaler Gesetzeslage zu gelangen.

Auch der Besitz und Vertrieb von Abtreibungspillen soll nach Dicksons Vorstellung verboten werden. Jede Organisation, die ungewollt Schwangere mit den Medikamenten Mifepristone oder Misoprostol versorgt, müsste dann mit Verfolgung rechnen. Gegenwärtig dürfen die Mittel in den USA bis etwa zur zehnten Schwangerschaftswoche eingenommen werden. Mit all dem soll künftig Schluss sein in Amarillo, hofft Pastor Dickson. Nach seinen Worten würde die Stadt dann zur "sanctuary city for the unborn", also zur Zufluchts-Stadt für Ungeborene.

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