WIEN. (hpd) Ein neuer Papst wird gewählt. Die Reformkatholiken bieten ihre Vorstellungen einer mehr oder weniger desinteressierten Öffentlichkeit dar. Manche der Forderungen wirken nicht nur auf den ersten Blick wie Romantisiererei im Spät-Hippie-Look, sind im Kern jedoch traditioneller katholischer Totalitarismus.
Karl Heidegger von Pax Christi Österreich möchte einen Papst in Birkenstock, der mit seiner allumfassenden Liebe und viel Moralisererei endlich den Weltfrieden bringt und irgendwie auch ein bisschen den Kapitalismus abschaffen. Alles wird gut, Friede, Freude, Eierkuchen.
„Mein Lieblingspapst kann zu einer Weltautorität werden, die die Stimme erhebt gegen den atomaren Rüstungswahnsinn und das systematisch strukturierte Verbrechen einer imperialistischen Weltherrschaft des Kapitals, das verursacht, dass alle fünf Sekunden ein Kind an den Folgen des Hungers stirbt. Im neuen Peak-Oil-Pontifikat wird die katholische Weltkirche als Global Player ihre umfassende Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung neu wahrnehmen“, schreibt er in einem Zeitungskommentar. Fehlt nur die Freie Liebe. Das hat sich Heidegger nicht getraut in seine Version eines Papstes als Spät-Hippie einzubringen. Auch katholischer Reformeifer weiß die Grenzen des katholischen Anstands zu wahren.
Ein bisschen evangelisch, vielleicht auch eine Frau
Dafür darf der Papst auch eine Frau sein. Zugleich ist er oder sie auch ein bisschen evangelisch, vielleicht auch ein bisschen orthodox. Das versteht man nicht so genau. Heidegger wahrscheinlich auch nicht: „Er wird in besonderer Weise auf die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften zugehen. Die Stolpersteine der Ökumene werden weggeräumt. Zeichenhaft spendet mein Lieblingspapst auch den evangelischen Christen die Kommunion, wenn sie eine "katholische" Messe besuchen. Die Abendmahlsgemeinschaft ist Wirklichkeit geworden, weil die anderen Kirchen und ihre Vertreter als Kirchen anerkannt werden. Selbst ein wiederverheiratetes Paar bekam nach genauer Prüfung den Segen des Papstes.“ Aber nur nach genauer Prüfung.
Heideggers Fantasien
Heideggers Fantasien bleiben ihm unbenommen. Er nennt sie „Mein Lieblingspapst“ und solche Vorstellungen soll er ja haben dürfen, und mögen sie noch so weltfremd sein. Allein, warum er sie glaubt, über die Tageszeitung „Der Standard“ einer breiteren Öffentlichkeit zukommen lassen zu müssen, bleibt rätselhaft.
Wie kommt ein erwachsener Mensch auf die Idee, die Welt warte auf eine moralische Wiedererweckung, noch dazu in Gestalt eines Einzelnen? Und wie kommt ein halbwegs vernunftbegabter Mensch auf die Idee, dass ausgerechnet einem Papst diese Rolle quasi naturgemäß zukommt? Ja, dass es eines – selbst moralisch geläuterten - Papstes bedarf, die moralische Wiedererweckung herbeizuführen?
Die Fantasien einer Zwölfjährigen druckt man auch nicht ab
Nicht weniger mysteriös scheint die Antwort auf die Frage, warum der Standard diesen Fantastereien Raum gibt. Wenn eine Zwölfjährige schreibt, dass sie auf den Prinzen auf dem weißen Pferd wartet, druckt man das ja auch nicht ab.
Dass Heidegger eher von der sehr religiösen Sorte ist, darf für den Standard keine Ausrede sein. Religiosität kann nicht jeden Unsinn rechtfertigen, den ein Mensch von sich gibt.
Wie hätt‘ man‘s gern, Herr Heidegger?
Gehaltvoller als die Fantasien einer Zwölfjährigen sind Heideggers Gedankenspiele nicht. Nur moralinsaurer und mindestens genauso naiv. Unter absoluter Negierung der Wirklichkeit im Allgemeinen und seiner Religion, der er so frömmelnd dient, im Besonderen: „Letztgültiger Maßstab für das Handeln der Kirche und des Papst wird wieder neu das Evangelium Jesu Christi.“
Man muss das Neue Testament nicht einmal nach dem Stand der kritischen Wissenschaft beurteilen, um das, gelinde gesagt, als wirre Handlungsanleitung zu verstehen. Welches der vier Evangelien meint denn der gute Herr? Die liefern eklatant verschiedene Versionen dessen, was der angebliche Religionsgründer gewollt haben könnte. Auch widersprechen sich die einzelnen Evangelien in sich, ob dieser Jesus Pazifist war oder doch durchgeknallter Millenarist. Was soll’s denn sein, Herr Heidegger?
„Habt Euch lieb“ ist etwas wenig
Es beschleicht einen das Gefühl, hier schreibt jemand, der nicht die geringste Ahnung hat von der Welt. Das kompensiert er mit viel Fantasie auf Basis dessen, was er halt irgendwo mal aufgeschnappt hat. Das ist gelinde gesagt peinlich und hat in einer Zeitung nichts verloren. In einer Qualitätszeitung wie dem Standard schon gar nicht. Moral ersetzt bei Heidegger Analysefähigkeit. Und das erwartet er von seiner Umwelt genauso.
Den Kapitalismus wird man mit noch so viel „Habt euch alle lieb“-Appellen nicht abschaffen oder reformieren, Herr Heidegger. Das kann man nur, wenn man versteht, wie er funktioniert. Und bevor Sie mit Begriffen wie „imperialistischer Weltherrschaft des Kapitals“ um sich werfen, lesen Sie bitte Marx. Karl. Nicht den Bischof. Falls Ihnen der nicht zu realistisch ist.
Ein totalitaristisches Weltbild
Nebenbei ist das vordergründig so pazifistische Bild nicht so harmlos, wie Heidegger in einer unbestreitbar naiven Frömmelei glaubt. Er stellt sich in die Tradition der millenaristischen Bewegungen des Mittelalters. Mit einer Rückkehr zu Gott erlösen wir die Welt. Wir alle eilen den Tugendhaften nach. Oder denen, die wir dafür halten.
Das funktioniert, wenn man’s zu Ende denkt, nur, wenn ALLE, ausnahmslose alle, mitmachen. Katholizismus im Wortsinn: Allumfassend. Das ist Totalitarismus.
Heidegger mag sich für einen widerständigen Reformkatholiken halten, für einen von den „Guten“. Lässt man seine weltfremden Schwafeleien beseite, erweist er sich als radikaler Verfechter der einen Kirche, durch die allein das Heil zu erringen ist. Von Opus Dei und Co trennt ihn nur die Form, nicht der Inhalt.
Das Schicksal so gut wie aller katholischen Reformer seit Benedikt von Nursia – und wahrscheinlich schon davor. Sie hielten sich für widerständig und propagierten das gleiche Endziel wie der verhasste bürokratische Apparat. Nur halt mit weniger Prunk. Dafür mit viel Machtpolitik, sobald sie mal an der Macht waren.
Auch das Naive kann gefährlich sein
Radikale Bewegungen, wie sie Heidegger erträumt, haben bisher immer in Tugendterror und Scheiterhaufen geendet. Auch das Naive kann gefährlich sein. Vor allem, wenn es so frömmelnd daher kommt wie hier. Es findet sich leider immer jemand, der das ernst nimmt.
Christoph Baumgarten