Serien neu gesehen

Politik wie bei Shakespeare

BERLIN. (hpd) “House of Cards” ist eine wegweisende Serie. Nicht nur, weil sie intrigantes politisches Spiel zeigt, in welchem der Protagonist über Leichen geht, sondern weil sie die erste Fernsehserie war, die gar nicht im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Netflix veröffentlichte die erste und nun die zweite Staffel komplett im Internet. Alle Folgen auf einmal.

Francis “Frank” Underwood (zweifacher Oscargewinner Kevin Spacey) ist “Majority Whip” der Demokraten im Weißen Haus. Das heißt, er ist Fraktionsvorsitzender und zuständig für die Fraktionsdisziplin. Kurz bevor Präsident Garrett Walker (Michael Gill) vereidigt wird, erfährt Frank, dass er doch nicht, wie versprochen, zum Außenminister ernannt werden, sondern das politische Programm des Präsidenten im Senat voranbringen soll. Underwood beschließt, sich zu rächen und spinnt ein Netz an Intrigen, bei dem er jeden manipuliert, jeden gegeneinander ausspielt und im Notfall über Leichen geht, wenn jemand droht, sein Spiel zu verraten. Gelegentlich durchbricht er die vierte Wand und spricht den Zuschauer direkt an. Hier macht er häufig klar, dass er Atheist ist, auch wenn er sich als “Politiker” immer wieder auf Gott und den Glauben beruft.

Die erste Folge beginnt mit “There are two kinds of pain”, während er auf einen Hund zugeht, der offenbar eben von einem Auto angefahren wurde: “Es gibt zwei Arten von Schmerz. Die Art von Schmerz, die dich stärker macht oder nutzlosen Schmerz. Die Art von Schmerz, die nur Leiden bedeutet. Ich habe keine Geduld mit nutzlosen Dingen.” Er stranguliert den Hund.

Underwoods Ehefrau Claire (Robin Wright) ist Geschäftsführerin der Non-Profit-Organisation “Clean Water Initiative”. Sie arbeitet eng mit Francis, wie sie ihn nennt, zusammen und ist seine einzige wirklich Vertraute, ihr Verhältnis zeigt mitunter eine atemberaubende Nähe. Diese äußert sich in kurzen Dialogen über intensive Erfahrungen oder darin, dass sie abends heimlich zusammen eine Zigarette rauchen. Sie lassen sich sehr viele Freiheiten, auch sexuell, was sich in der zweiten Staffel negativ auf das Paar bzw. Underwoods dann errungenen Status als Vizepräsident auszuwirken droht.

Ein weiterer Helfer des Ränke schmiedenden Politikers ist “Doug” Stamper (Michael Kelly), Underwoods Stabschef und Mädchen für alles, wenn es um die Drecksarbeit geht.

Der Plot

Nach dem gebrochenen Versprechen des Präsidenten, ihn zum Außenminister zu ernennen, beginnt Frank Underwood, seine Feinde in Ungnade zu bringen, eine Position im Kabinett zu besetzen und Trümpfe zu sammeln, die er für sein Machtspiel nutzen kann. Er nutzt seine außereheliche Beziehung mit Zoe Barnes (Kate Mara), einer jungen politischen Reporterin, um Geschichten zu veröffentlichen, die seine Rivalen im Weißen Haus schädigen. Währenddessen erpresst er den verheirateten Peter Russo (Corey Stoll), einen Kongressabgeordneten aus Pennsylvania, der Schwierigkeiten mit Drogenkonsum, Alkohol und eine Vorliebe für Callgirls hat. Russo hilft Underwood, den Abgeordneten, den Präsident Walker als Außenminister gewählt hat, abzusägen und mit Underwoods Kandidatin zu ersetzen.

Weil der neue Vizepräsident der frühere Gouverneur von Pennsylvania ist, wird dort eine Sonderwahl durchgeführt. Underwood hilft Russo, clean zu werden und unterstützt seine Kandidatur für den Gouverneursposten in Pennsylvania. Allerdings beabsichtigt er, Russos Abstinenz zu brechen und kurz vor der Wahl seinen Niedergang auszulösen. Durch verschiedene politische Ereignisse wird Frank gezwungen, seinen Plan früher auszuführen, und er inszeniert Russos Suizid, nachdem dieser ihm droht, Underwoods Taten an die Presse zu geben. Im entstehenden Chaos überzeugt Frank den Vizepräsidenten, zurückzutreten und erneut für seine vormalige Position als Gouverneur zu kandidieren – wodurch die Position des Vizepräsidenten für Underwood offen wird. Das war die ganze Zeit sein Plan.

Doch ganz so einfach ist es nicht, einige andere Kandidaten kommen ins Spiel und es bedarf noch einiger Fäden, die gezogen werden müssen, bis Underwood den Posten des Vizepräsidenten tatsächlich angeboten bekommt und die Nominierung annimmt.

Beispielbild
Robin Wright als Claire Underwood. Foto: moviepilot.de

In der zweiten Staffel entledigt sich Underwood gleich zu Beginn einer unliebsamen Zeugin und die Schwierigkeiten nehmen zu, als er zum Vizepräsidenten wird. Zwischen ihm und dem einflussreichen Milliardär Raymond Tusk (Gerald McRaney), der eng mit dem Präsidenten verbandelt ist, entspinnt sich ein Machtkampf, in dem beide schmutzig und mit harten Bandagen kämpfen.

Claire Underwood legt ihren Posten als Geschäftsführerin der “Clean Water Initiative” nieder und geht die politische Arbeit an. Sie bemüht sich, die Ehe des Präsidenten zu destabilisieren, indem sie Walkers Frau gekonnt verunsichert und es so aussehen lässt, als wolle sie ihr helfen. In einem Live-Fernsehinterview wird Claire gefragt, ob sie jemals abgetrieben habe. Sie bejaht und erklärt, dies sei aufgrund einer Vergewaltigung passiert, sie nennt auch den Namen des Vergewaltigers, einen General. Wahr ist, dass sie vergewaltigt wurde, unwahr ist, dass sie aufgrund dessen abtrieb – sie und Francis wollten kein Kind. So werden zwei Wahrheiten zu einer Lüge vermischt, aus Claires Offenbarung resultiert jedoch eine Aktion für mehr Sicherheit in der Armee und der ehemalige Vergewaltiger erweist sich als Wiederholungstäter.

Fazit

Niemand hält eine sichere Position, jeder ist gefährdet, seine vermeintlich angestammte Rolle in der Hierarchie zu verlieren. Manche verlieren sogar ihr Leben. Auch wenn es in Washington (hoffentlich) nicht so zugeht wie bei Shakespeares Macbeth am Hofe, sind die Verflechtungen und Spiele ebenso spannend wie faszinierend. Man kann sich nicht wirklich vorstellen, dass Sigmar Gabriel, Angela Merkel oder Horst Seehofer agieren wie Frank Underwood – aber wer weiß, vielleicht im Kleinen. Hier wie dort spielt das Volk, das die Politiker vertreten sollen, eine untergeordnete Rolle. Es wird geschachert, bei Abstimmungen soll für die eigene Position votiert werden, also werden Zugeständnisse gemacht, von denen das Wahlvolk eher zufällig profitiert – die sollen den Politiker ja auch wieder wählen, damit er dort bleiben kann, wo er ist. Jeder klammert sich an seinem Pöstchen fest und versucht seine Macht auszubauen, wo er kann.

Die darstellerischen Leistungen sind großartig: Robin Wright gewann für die Rolle als Claire Underwood einen Golden Globe als beste Schauspielerin, Kevin Spacey war als bester Schauspieler nominiert und David Fincher (Regisseur “Fight Club”, “The Social Network”) gewann für die Folge “Chapter 1” einen “Emmy Primetime Award” für die beste Regie. Zu den Regisseuren der Serie zählen neben David Fincher u.a. Joel Schumacher und Jodie Foster.

“House of Cards”, das auf einer gleichnamigen BBC-Miniserie von 1990 basiert, hat vor allem mit der Art der Veröffentlichung Aufsehen erregt. Jede Staffel besteht aus 13 Folgen, das Großprojekt soll bisher rund 100 Millionen Dollar gekostet haben. Netflix, ein Video-on-Demand-Anbieter, veröffentlichte die erste Staffel am 1. Februar 2013 – und zwar komplett –, die zweite Staffel ebenfalls auf einmal am 14. Februar 2014. Die dritte Staffel ist in Planung. Das heißt, in den USA war die Serie nur online zu empfangen, war trotzdem für mehrere wichtige Fernsehpreise nominiert und gewann einige von ihnen. In Deutschland lief die erste Staffel im Fernsehen, zum Teil im Original mit Untertiteln (auch das ein Novum im Privatfernsehen), später synchronisiert, Ähnliches ist für die zweite Staffel geplant. Inzwischen gibt es die erste Staffel auf DVD.

 

Trailer (englisch)


House of Cards (USA, 2013-), Idee: Beau Willimon; Darsteller u.a.: Kevin Spacey, Robin Wright, Kate Mara, Corey Stoll, Michael Kelly, Sakina Jaffrey, Michael Gill. Leitende Produzenten u.a.: David Fincher, Kevin Spacey, Eric Roth, Andrew Davies, Beau Willimon. Basiert auf dem gleichnamigen Buch von Michael Dobbs und der BBC-Miniserie von Andrew Davies.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie auf hpd.de. An Freitagen werden verschiedene Autoren ihre Lieblingsserien oder -filme vorstellen, die nicht unbedingt aktuell sein müssen, aber (aus humanistischer Perspektive) interessant sein sollten.