Serien neu gesehen

Echte Menschen

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FRAUENFELD/CH. (hpd) Jeden Freitag veröffentlicht der hpd einen Artikel zu einem Film oder einer Serie, die mit einem “humanistischen Auge” gesehen werden. Die schwedische Serie “Real Humans” hat durch ihre Ausstrahlung auf Arte auch den deutschsprachigen Raum erreicht. Was man in der ersten Staffel ahnte, wurde mit dem eben gesendeten Finale der zweiten zur Gewissheit: Die Serie ist gesellschaftlich relevanter als man meinen könnte, erklärt Sascha Erni.

Die Hintergrundstory.

“Äkta människor” (schwedisch, “Echte Menschen”) spielt in einer Parallel-Gegenwart, in der die Forschung bereits so weit fortgeschritten ist, dass sich die Leute nicht mit Rasenmäher- oder Staubsauger-Robotern begnügen müssen. Nein, Androiden sehen Menschen zum Verwechseln ähnlich. Je nach Versionsnummer wirken sie wie animatronische Schaufensterpuppen oder sind nicht von “echten Menschen” zu unterscheiden. Aber allen gemein ist, dass sie programmierte Geräte sind und dass ihnen von Menschen Intelligenz, Empathie und ein freier Wille abgesprochen werden. Diese “Hubots” werden entsprechend für einfache und unangenehme Arbeiten eingesetzt: Es gibt Modelle für den Haushalt, Fabrik-Arbeiter, Sexbots, Kampf-Drohnen. Wer als Mittelstandsfamilie etwas auf sich hält, hat einen Hubot als Putzkraft oder fürs Betreuen der Großeltern gekauft. So, wie es Familie Engman mit mehr oder weniger Widerwillen tut.

Anita/Mimi (gespielt von einer wirklich großartigen Lisette Pagler) soll der ständig überlasteten Rechtsanwältin Inger Engman (Pia Halvorsen) und ihrem Ehemann Hans (Johan Paulsen) im Haushalt helfen. Die Kinder gewöhnen sich schnell an den Hubot. Es wird bald klar, dass der Teenager Tobbe (Kåre Hedebrant) etwas zu großen Gefallen an der koreanischen Haushälterin aus der Styroporverpackung findet.

Womit wir mittendrin wären. “Real Humans – echte Menschen” lässt kaum ein gesellschaftliches Thema der letzten zweihundert Jahre aus. Ist die Liebe zu einem Hubot geistig gesund oder abnorm, gegen die Natur?


Anita/Mimi (Lisette Pagler) in Bedrängnis
Anita/Mimi (Lisette Pagler) in Bedrängnis

Und wenn Hubots von Schlägerbanden vergewaltigt werden? Zu Beginn der ersten Staffel wird dies als Sachbeschädigung geahndet, wie ein angezündetes Auto.

Im Gegenzug haben andere Besitzer Liebesbeziehungen mit “ihren” Hubots, kämpfen beim Mechaniker um das Leben ihrer maschinellen Partner. Sie vererben ihr Vermögen an Hubots, ein Android streitet gar um das Sorgerecht für ein Adoptivkind. Kranke Menschen, die ihre eigene Spezies verraten? Auch, wenn es sich mit den so genannten “befreiten Hubots” schon früh in der Serie zeigt, dass diese Maschinen durchaus empathisch sein könnten, intelligent wären, eigene Entscheidungen treffen könnten? Ja, sie werden mit Code-Protokollen (die ironischerweise unter dem Namen “Asimov” implementiert sind) eingeschränkt und gefügig gehalten. Aber was, wenn diese Sperren wegfielen? Wie es die illegale Hubot-Software des Arztes und Futuristen David Eischer ermöglichen würde?

Turing-Test auf Steroiden

Auf der einen, bereits durch den Titel nahe gelegten Seite, ist “Real Humans” eine Diskussion darüber, was das menschliche Wesen ausmacht. Man kann sagen: Es ist ein Turing-Test am lebenden Objekt. Wenn ein Hubot träumt und so “echt” aussieht und agiert, dass er für einen “echten Menschen” gehalten wird, soll er dann auch menschliche Rechte und Pflichten erhalten? Oder bleibt er trotzdem nur eine perfekte Simulation? Können Maschinen leben, oder, wie Philip K. Dick schon vor vielen Jahrzehnten fragte: “Träumen Androiden von elektrischen Schafen?

Die Figur Roger (Leif Andrée) spielt hier eine Brückenrolle. Roger sieht sich von diesen “verdammten Robotern” aus dem Lageristen-Job gedrängt, schließt sich einer militanten Anti-Hubot-Gruppe an, verliebt sich in die Polizistin Bea (Marie Robertson in einer Glanzrolle) – nur um dann zu merken, dass diese selbst ein Hubot ist. Noch dazu einer derjenigen Hubots, die glauben, die Menschen zum Wohle aller unterwerfen zu müssen. Und das mit extremen Mitteln, die wohl mitverantwortlich sind für den vergleichsweise späten Sendeplatz mitten in der Nacht.