Serien neu gesehen

Hannibal

(hpd) Jeden Freitag veröffentlicht der hpd einen Artikel zu einem Film oder einer Serie, die mit einem “humanistischen Auge” gesehen werden. Heute wirft Maxie Weber einen skeptischen Blick auf die gefeierte Serie “Hannibal”, deren zweite Staffel kürzlich in den USA zu Ende ging.

Hannibal zeigt gewissermaßen das Duell zwischen dem Psychiater Will Graham und Hannibal Lecter – der eine kann sich schmerzhaft plastisch in Mörder einfühlen, der andere ist ein Serienmörder, der allen um ihn herum ein ums andere Mal ein lustiges Schnippchen schlägt. Angelehnt ist die blutrünstige Serie an die Vorgeschichte zur bekannten Verfilmung mit Anthony Hopkins, die entsprechenden Romane entsprangen der Feder von Thomas Harris.

In der ersten Staffel geht es vorrangig um den Chesapeake Ripper: Der Profiler Will Graham (Hugh Dancy) wird vom FBI-Agenten Jack Crawford (Laurence Fishburne) damit beauftragt, das Verschwinden von acht jungen Frauen in Minnesota zu untersuchen. Da der Fall Will stark mitnimmt, entscheidet sich Jack, ihn von Dr. Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) supervidieren zu lassen. Lecter ist ebenfalls Psychiater, ehemals Chirurg – und ein Serienmörder. Zusätzlich werden andere Fälle untersucht, einer blutiger und einfallsreicher als der vorherige. Serienmörder scheinen ein Faible für ästhetische Arrangements zu hegen.

In der zweiten Staffel sitzt Will in einer mittelalterlichen Psychiatrie, wird wahrlich in Käfigen gehalten, schafft es dennoch, einen Pfleger zum Mordversuch an Hannibal anzustiften und kommt irgendwann frei. Er wird erneut zum Patienten des Dr. Serienmörder, dieses Mal unter anderen Vorzeichen, und tut so als täte er sich mit ihm zusammen, als würde er selbst ein Serienmörder. Meine private Beurteilung des Endes der zweiten Staffel (es soll laut imdb.com, wo die Serie recht hoch bewertet wird, tatsächlich eine dritte geben) motivierte mich dazu, die vorliegende Kritik zu formulieren. Selbstredend sollte man im Hinterkopf behalten, dass ich zu unintelligent sein könnte, um sämtliche Anspielungen und Dimensionen der Serie nachvollziehen zu können.

Hugh Dancy als Will Graham
Hugh Dancy als Will Graham

Denn selbstverständlich geht es, wie meist bei Serienmörderfilmen, auch bei Hannibal um dessen herausragende Intelligenz. Doch Hannibal ist nicht nur intelligent, er kann einfach alles. Er kann einen Mann dazu bringen, sich freiwillig sein Gesicht von Hunden aufessen zu lassen und anschließend seine eigene Nase zu verspeisen. Lecker. Er hinterlässt niemals auch nur eine klitzekleine Spur, kein Fitzelchen DNA, nichts. Und das lediglich mit einem durchsichtigen Plastikanzug zum Morden und Zerlegen bekleidet, der ab der zweiten Staffel gelegentlich gezeigt wird. Er verfügt über mehr Stunden am Tag als normale Menschen, ansonsten wäre er doch kaum in der Lage, den ungeheuren logistischen Aufwand hinzulegen, der für seine aufwendigen Leichentransporte und -arrangements notwendig ist. Potenzielle Verfolger schüttelt er dabei selbstverständlich en passant ab. Ein Raum in seinem Haus, das eine (bald darauf in Scheiben zerlegte) FBI-Agentin findet, erblickt man weder vorher noch nachher jemals wieder. Eine tote junge Frau, wegen derer Will in die Psychiatrie kommt, da er sie ermordet haben soll, ist nachher gar nicht tot! (Später aber dann doch.)

Offensichtlich ist das FBI nicht in der Lage, seine Fälle richtig zu untersuchen und angebliche Mörder erst dann einzubuchten, wenn eine Leiche vorliegt.

Hannibal ist auch noch ein hervorragender Koch, der gern seine Freunde einlädt, um ihnen (was sie natürlich nicht wissen) Leichenteile zu servieren. Kultiviert. Hellsehen kann er auch noch, denn das eine Mal, als Jack Fleisch mitnimmt, um es im FBI-Labor untersuchen zu lassen, genau dieses eine Mal stammt das Fleisch von anderen als menschlichen Tieren. Er hat auch einen besseren Geruchssinn als andere Menschen. So riecht er während einer Umarmung, dass Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) Schießübungen veranstaltet hat. Offenbar hat sie sich vor dem Date nicht die Hände gewaschen oder selbst die gründlichste Reinigung mit Wasser und Seife kann unseren Alleskönner Hannibal Lecter nicht täuschen.

Doch ein paar Makel hat er, der Serienmörder. Er findet es nämlich nicht gut, wenn seine Freunde versuchen, ihn wegen seines Serienmördertums in die Falle zu locken. Das geht gar nicht. Zack! Haben sie ein Messer am oder gleich im Hals. Man fragt sich auch, weshalb er seine unfassbar versierten Fähigkeiten zur Hypnose nicht einfach auf die Leute anwendet, die er unhöflich findet und die deshalb sterben müssen. Oder auf seine Freunde, damit diese vergessen, was sie über ihn herausfanden. Religiös ist er auch noch, er redet häufig über Gott. Aber das tun wohl auch echte Serienmörder, sind diese doch häufig streng religiös erzogen worden (Jürgen Bartsch, Jeffrey Dahmer etc.).

Mads Mikkelsen als Hannibal Lecter
Mads Mikkelsen als Hannibal Lecter

Eigentlich ist die Serie eine Aneinanderreihung wunderschöner Bilder, die nicht unbedingt durch eine richtige Geschichte verbunden sind. Wirft man einen Blick darauf, wer die Serie fürs Fernsehen adaptierte, auf Bryan Fuller, so wundert man sich nicht. Von ihm stammte die Serie „Heroes“, die quasi mitten in der vierten Staffel unvermittelt abgesetzt wurde. War irgendwie im Chaos steckengeblieben. Das kündigt sich bei Hannibal ebenfalls an.

Nun fragt sich der Leser vielleicht, weshalb ich überhaupt so lange bei der Stange geblieben bin? Kann ich erklären. Die Serie besteht aus schönen Bildern. Düster zwar, zum Teil sehr blutig, aber äußerst ästhetisch. Oft arrangiert wie ein Kammerspiel, in dem zwei Menschen intellektuelle Duelle austragen. Und an manchen Stellen ist sie durchaus spannend. Ich wollte trotz aller Ungereimtheiten wissen, wie Will Graham wieder aus der Psychiatrie herauskommt oder ob jemand Hannibal Lecter das Wasser reichen kann. Die schauspielerischen Leistungen sind streckenweise ausgezeichnet, neben den bereits Genannten spielen in Nebenrollen Gina Torres (als krebskranke Ehefrau von Jack), Cynthia Nixon (als gestrenge Ober-FBI-Lady) und Gillian Anderson (als Hannibals Psychiaterin) mit. Gereicht hat mir, wie gesagt, die Ästhetik in letzter Instanz nicht, um die logischen Mängel aufzuwiegen.

 

Trailer (deutsch)


Hannibal (USA, 2013-), Konzept: Bryan Fuller; Darsteller u.a.: Mads Mikkelsen, Hugh Dancy, Laurence FIshburne, Caroline Dhavernas, Gillian Anderson, Gina Torres, Cynthia Nixon.