Keine virtuellen Verfahren vor Gericht

HU Hessen zum Einsatz von Videokonferenztechnik 

 

MARBURG. Gegen virtuelle Gerichtsverhandlungen hat sich die Humanistische

Union Hessen ausgesprochen. Nach einer Sitzung des HU-Arbeitskreises "Justizreform" am Samstag (15. September) in Marburg wandte sich der hessische HU-Landessprecher Franz-Josef Hanke gegen Überlegungen des Wiesbadener Justizministers Jürgen Banzer zum verstärkten Einsatz von Videokonferenz-Technik in Gerichtsverfahren.

"Die Justiz darf sich nicht selbst zum technischen Apparat verkürzen", forderte Hanke. "Richter und Staatsanwälte müssen Angeklagten und anderen Verfahrensbeteiligten als Menschen entgegentreten und sich mit ihnen auch als Mensch auseinandersetzen."

Nach Ansicht des HU-Landessprechers ist die Anwesenheit der wesentlichen Verfahrensbeteiligten im Gerichtssaal eine wichtige Voraussetzung dafür, dass "Urteile mit menschlichem Maß" gefunden werden: "Ein Angeklagter muss dem Richter in die Augen sehen können. Und ein Richter muss einem Zeugen direkt ins Auge blicken können. Nur so kann das Gericht die Glaubwürdigkeit von Aussagen wirklich einschätzen."

Hanke warnte deswegen vor einer "furchtbar effizienten Justiz ohne menschliche Regungen". Banzers Begründung für einen Vorstoß beim Bundesrat zugunsten der Videokonferenz-Technik leuchtet ihm zwar ein, darf aber nach seiner Überzeugung nicht ausschlaggebend für die künftige Gestaltung von Gerichtsverfahren werden.

Banzer hatte am Freitag (14. September) für Oktober eine entsprechende Initiative im Deutschen Bundesrat angekündigt. "In geeigneten Fällen" möchte der hessische Justizminister Videokonferenzen in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren künftig nach dem Ermessen des jeweiligen Gerichts einsetzen. Auf die dafür bisher notwendige Zustimmung aller Beteiligten will Banzer grundsätzlich verzichten.

Als wesentlichen Grund für seinen Vorstoß nannte Banzer vor allem die damit verbundene Möglichkeit zur Einsparung von Kosten: Der geringere zeitliche Aufwand für alle Beteiligten und das Gericht erleichtere die Terminierung von mündlichen Verhandlungen und Erörterungsterminen, was zu einer Verfahrensbeschleunigung beitrage, begründete Banzer seinen Vorstoß. Durch eingesparte Reisekosten und reduzierten Zeitaufwand würden gerichtliche Verfahren insgesamt kostengünstiger. Außerdem komme es beim Einsatz im Justizvollzug zu einem Gewinn für die Sicherheit, weil Gefangenen-Transporte entfielen.

In Hessen verfügen bereits das Oberlandesgericht Frankfurt, alle Landgerichte, das Finanzgericht, die meisten Justizvollzugsanstalten und die Rechtsanwaltskammer Frankfurt über entsprechende technische Anlagen.

Den Einsatz dieser Technik hält die Humanistische Union (HU) auch durchaus für sinnvoll. Ihrer Ansicht nach darf er aber nur im Einvernehmen mit allen Verfahrensbeteiligten erfolgen. Genauso ist es derzeit geregelt, und so sollte es nach Hankes Auffassung auch bleiben.