Papst Franziskus hat am vergangenen Sonntag auf Korsika zu einer "gesunden Laizität" aufgerufen, die nach seinen Vorstellungen dynamisch und anpassungsfähig sein soll. Es stellt sich die Frage: Was genau versteht der Papst unter einem "gesunden Laizismus"?
In Frankreich ist der Laizismus seit 1905 in der Verfassung als politisches Ideal verankert. Die strikte Trennung von Staat und Kirche erklärt Religion zur Privatangelegenheit. Das Prinzip der Laizität garantiert jedem Bürger die ungehinderte Ausübung seiner Religion, legt aber gleichzeitig fest, dass der französische Staat Religionsgemeinschaften weder anerkennt noch finanziert oder subventioniert.
Der Laizismus ist schon seit Längerem nicht mehr unumstritten. Insbesondere durch das Verbot religiöser Kleidungsstücke und Symbole wie Kreuz, Kippa oder Kopftuch in Schulen kam es wiederholt zu Konflikten. Bereits Nicolas Sarkozy hatte sich als Präsident zu einer "offenen Laizität" bekannt und gefordert, Religionen stärker in die politische Machtausübung des Staates einzubinden. Durch eine "offene Laizität" sollte auch die gesellschaftliche Integration der Muslime erleichtert werden. Kritiker sahen darin allerdings einen Vorwand, um Religionen generell mehr Raum im öffentlichen Leben zu gewähren.
Am 15. Dezember besuchte Papst Franziskus die korsische Hauptstadt Ajaccio, um an einem Kongress zur Volksfrömmigkeit im Mittelmeerraum teilzunehmen. Vor 17.000 Menschen zelebrierte er dabei eine Messe unter freiem Himmel. Hier hätte er die Gelegenheit nutzen können, gemeinsam mit den Gläubigen zu diskutieren, inwieweit die katholischen Positionen zu Abtreibung, Frauenrechten und sexueller Gewalt mit der zunehmenden Entchristianisierung Frankreichs in Verbindung stehen.
Stattdessen kritisierte Franziskus das laizistische Prinzip und diffamierte es als antireligiöse Waffe. Er bemängelte die "starke, von der Aufklärung geerbte Färbung" des französischen Laizismus, die seiner Ansicht nach dazu führt, dass Religionen in der Gesellschaft lediglich als "Subkultur" wahrgenommen werden. Der Papst wünscht sich einen Laizismus, der "fähig ist, sich an unterschiedliche oder unvorhergesehene Situationen anzupassen und eine ständige Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Behörden zum Wohle der gesamten Gemeinschaft zu fördern, wobei jede Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Kompetenzen und ihres Raumes bleibt".
Mit dieser Kritik formuliert das Oberhaupt der katholischen Kirche einen klaren Anspruch auf politische Mitgestaltung, der ihm in Frankreich aber nicht zusteht. Sein Angriff auf das Laizitätsprinzip, eines der zentralen Elemente des französischen republikanischen Modells, wirkt anmaßend. Was bezweckt der Papst mit seinen vagen Formulierungen und anspielungsreichen Adjektiven? Er sagt es beinahe unverhohlen: Es geht ihm um die Wiederherstellung eines öffentlichen Privilegs für die Religion.
Warum sollte der Staat mit der Kirche zusammenarbeiten? Die Laizität ist kein starres Dogma, sondern ein Garant für individuelle Freiheit. Die Sehnsucht nach einstigen Privilegien scheint das Urteil des Papstes zu trüben. Franziskus vergisst dabei, dass in einer säkularen Demokratie nicht die kirchlichen Behörden, sondern das gesamte Volk gemeinsam mit den zivilen Institutionen "zum Wohle der Gemeinschaft" zusammenarbeitet. "Der Staat bei sich, die Kirche bei sich" – wie Victor Hugo einst sagte.
10 Kommentare
Kommentare
Tobias Seyb am Permanenter Link
"Er bemängelte die "starke, von der Aufklärung geerbte Färbung" des französischen Laizismus,"
Es ist eine Schande für jeden Bürger einer Demokratie, katholisch zu sein und damit eine anti-aufklärerische, demokratiefeindliche Organisation zu unterstützen.
Solche Aussagen vom Papa sollten von Katholiken viel ernster genommen werden.
Stefan Dewald am Permanenter Link
Ja ja, mein Kollege in Rom ist doch immer wieder für einen Sch(m)erz gut.
Klaus Bernd am Permanenter Link
»Der Papst wünscht sich einen Laizismus, der "fähig ist, sich an unterschiedliche oder unvorhergesehene Situationen anzupassen und eine ständige Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Behörden zum Wohle
Es stellen sich bei mir die Nackenhaare, wenn von irgendeinem -ismus irgendwelche Leistungen eingefordert werden, bei allem Verständnis für die Bequemlichkeit der Formulierung. Aber es sind Menschen und ggf. in Institutionen organisierten Menschen, die diese Leistungen erbringen müssen.
Diesen wirft dieser Papst schon mal vor, sie seien nicht fähig, sich an unterschiedliche und unvorhergesehene Situationen anzupassen. Wie üblich lässt das wieder mal alle möglichen Exegesen zu; von dem konkreten Verhältnis Korsika – Festland-Frankreich bis hin zur nebulös filosofischen Behauptung. Beides ist pure Anmaßung.
Eine „ständige“ Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Behörden erhebt die Forderung nach einem Staat im oder neben dem Staate; das zu guter Letzt noch getoppt durch die Forderung, die jeweiligen Behörden hätten innerhalb der Grenzen ihrer Kompetenzen zu bleiben. Reichsbürger lassen grüßen ! Man würde gerne wissen, wo der Papst die Grenzen der Sataatsanwaltschaft sieht. Wenn „geistliches“ Personal unter begründetem Verdacht steht, Kindesmissbrauch zu begehen ? z.B. !
Er wäre kein Theologe, wenn er den relatativ konkreten Begriff der Kompetenzen nicht verknüpfen würde mit dem Weihrauch-Wölkchen vom „Raum“. Was heitßt das, wenn die Steuerbehörde „innerhalb der Grenzen ihres RAUMES bleibt ??? z.B. !
Was für ein kostbares Wort hat uns J.M. Bergoglio da wieder einmal geschenkt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dass der CEO eines Weltkonzerns gerne mehr Einfluss auf eine Staatsführung nehmen würde, ist verständlich. Er könnte dann bessere Rahmenbedingungen aushandeln/mitbestimmen was Steuern und Subventionen betrifft.
Ist der Weltkonzern jedoch ein Verein, der sich zusammengefunden hat zu einer Zeit, als das Wissen über die Welt noch magisch geprägt war, dann muss man auf dessen Reformfähigkeit schauen. Und wenn dabei herauskommt, dass sich an der Satzung die letzten 2.000 Jahre nichts geändert hat, dann darf man diesen Verein als rückständig betrachten.
Warum sollte also eine Regierung enger mit einem derart wenig bis gar nicht faktenbasierten Verein so zusammenarbeiten wie mit einem wichtigen global Player? Warum sollte ein solcher Verein gar in die Staatsführung eingreifen dürfen, samt Privilegien? Jeder Fußballverein hätte mehr Recht dazu und dies wird mit dem gleichen Recht jedem Fußballverein verwehrt.
Dass Religion inzwischen ein überholtes Gesellschaftsmodell ist, ist nicht Schuld irgendeiner Regierung, sondern ausschließlich der Religionsgemeinschaften. Hätten sie sich mit dem Strom wachsender Erkenntnis an die jeweilige Zeit angepasst, dann wäre das eine andere Basis.
Aber man will seinen Aberglaube bewahren, weil man mit seinen Ingredienzen so herrlich die in den Glauben hinein Geborenen gängeln kann. Wer weiß, dass es weder Gott noch Teufel, weder Himmel noch Hölle gibt, lässt sich nicht mehr so leicht manipulieren...
Tobias Seyb am Permanenter Link
"Dass Religion inzwischen ein überholtes Gesellschaftsmodell ist, ist nicht Schuld irgendeiner Regierung, sondern ausschließlich der Religionsgemeinschaften.
Die Religionen haben sich in Wirklichkeit extrem angepasst (und verbogen). Viel mehr ist nicht mehr drin, abgesehen vom noch vorhandenen Frauenhass, der längst im Fokus der gesellschaftlichen Kritik ist.
Das Problem ist doch, dass das Geschäftsmodell
"Hierarchisch geführte Massenorganisation auf der Basis von behaupteten übernatürlichen Identitäten und deren unterstellten Verhaltensnormen"
nicht weiter modernisierbar ist. Dies sieht man ganz deutlich in der Praxis. Kirche war gestern.
Das war meine frohe Botschaft zu Weihnachten.
G.B. am Permanenter Link
Auch der Papst kann die Uhren der Zeit nicht zurückdrehen und muss sich dem Fortschritt
unterwerfen, überkommene Privilegien müssen sterben um einer bessern Zukunft Platz zu machen.
A.S. am Permanenter Link
Die Religionen sind totalitär.
Der Papst formuliert vorsichtig den totalitären Anspruch der katholischen Kirche.
Die Religionen wollen alle den gesamten öffentlichen wie privaten Raum durchdringen. Nur privat zu sein reicht ihnen nicht.
Unechter Pole am Permanenter Link
„dass Religionen in der Gesellschaft lediglich als "Subkultur" wahrgenommen werden.“
Alexander von d... am Permanenter Link
Allein der Begriff "kirchliche BEHÖRDE" beinhaltet schon diesen Anspruch auf Staat im Staat sein zu wollen. Seit wann ist ein Verein eine Behörde?
==warrior_of_re... am Permanenter Link
Der Streit zwischen Kirche und Staat hat in der Geschichte Frankreichs tatsaechlich eine oft unselige Rolle gespielt.
Waehrend der Revolution forderte man von allen Geistlichen, auf die neue franzoesische Verfassung einen Eid zu schwoeren. Viele weigerten sich (und dann verbot der Papst es ihnen auch); der Staat reagierte mit Verfolgungen, bei denen Scharen von Geistlichen hingerichtet wurden oder flohen. Katholiken wurden zu Staatsfeinden gemacht, obwohl sie im Land den Grossteil der Staatsbuerger stellten. Die Kirche ihrerseits reagierte mit einer reaktionaeren Wende und lehnte die revolutionaeren und aufklaererischen Neuerungen als Irrlehre ab. In der Vendee, bei der Julirevolution, der Dreyfus-Affaere und auch der Fiches-Affaere zeigte sich Frankreich dann in zwei Lager gespalten: ein katholisch-monarchistisches und ein antiklerikal-republikanisches. Bis weit ins 20. Jahrhundert hat man darueber diskutiert, ob ein Katholik ein richtiger franzoesischer Buerger sein konnte. Letzlich ist auch Petains Vichy-Frankreich eine Folge dieses Gegensatzes gewesen. Man darf schon fragen, wie viel Nutzen dieser Konflikt gebracht hat, den es z.B. in Grossbritannien nie gegeben hat.