Notizen aus Frankreich

Neue laizistische Zeitschrift gegründet. 

Der Chefredakteur der linksrepublikanischen Zeitschrift

Respublica hat mit einigen anderen Autoren eine neue Zeitschrift, Riposte Laique, gegründet. Sie will sich für eine kämpferische Laizität einsetzen. Vor allem will sie versuchen, die auch in Frankreich sehr divergierende Landschaft der laizistischen Gruppen zu vereinen. Obwohl mit linken Wurzeln will sie ein Sprachrohr aller Tendenzen zur Verteidigung einer sozialen Republik sein. Auch die weltweit bestehende Ungleichheit zwischen Mann und Frau, ein Hauptprodukt des religiösen Obskurantismus insbesondere des Islams, wird sie aktiv bekämpfen. (Französisch)

Regierung Sarkozy auf religiösem Kurs

Die Zeitschrift Riposte Laique und die Website Atheisme zogen eine Bilanz der ersten Monate der Regierung Sarkozy und qualifizierten sie als eine Reihe von Kniefällen gegenüber den „herrschenden monotheistischen Sekten". So geschehen am:

10. Mai: Ein Kardinal des Vatikans freut sich öffentlich über die Wahl von Nicolas Sarkozy mit dem Hinweis auf die bereits veröffentlichen Pläne des Präsidenten, wie die Reform des Gesetzes von 1905 und eine für die Religionen vereinfachte staatliche Finanzierung.

18. Mai 2007: Nominierung von Christine Boutin als Ministerin für Wohnung und Städtebau. Sie gilt als Sympathisantin von Opus Dei für eine konservative Religiosität und hat bereits Januar 2005 einen Gesetzentwurf eingereicht - gegen die Pille am nächsten Tag und für eine öffentliche Finanzierung der Anti-Schwangerschaftsabbruch Propaganda. Unmittelbar nach ihrer Nominierung ersetzt sie eine Reihe der Beamten ihres Ministeriums durch dogmatische Christen.

20. Juni 2007: Der Vatikan beglückwünscht Sarkozy für seine „Öffnung" zu den Kirchen. Die Wahl von Sarkozy würde die Möglichkeit bieten, die christliche Identität in die europäische Verfassung hinein zu tragen.

Juni 2007: Nicolas Sarkozy schreibt an Benedikt XVI, dass er sich besonders für die Christen einsetzen wird, die in der Welt verfolgt werden.

4. Juli 2007: Michèle Alliot-Marie, Ministerin des Innern und der territorialen Gemeinschaften in Übersee, eröffnet das Konferenzgebäude der französischen Bischöfe. In ihrer Rede freut sie sich darüber, dass das Stadtviertel der Ministerien, in dem das Gebäude steht, auch „jenes ist, wo sich zahlreiche Glaubens- und Andachtsorte" befinden. Sie werde das mit Vergnügen und Interesse mit Zusammenkünften verbinden, die es erlauben werden, zusammen die großen Fragen der Welt zu durchdenken. „In einer Welt, in der die Mehrzahl der ideologischen und moralischen Werte einstürzen, sind die Religionen mehr denn je berufen, die Gesellschaft sowohl zivil als politisch zu erleuchten (...). Ich danke der katholischen Kirche für den entscheidenden Beitrag, den sie in dieser Debatte leistet."

Juli 2007: Michèle Alliot-Marie will die Bildung der Imame organisieren. Zielsetzung ist die Gründung eines gallischen Islams, der Partner des Staates wird.

14. Juli 2007: die „Petits Chanteurs à la Croix de Bois" (Die kleinen Sänger mit dem Holzkreuz) nehmen an der Parade der Armee teil, und singen mit dem Chor der französischen Armee die Marseillaise, das Lied der Partisanen und die europäische Hymne.

30. Juli 2007: Im Aufgabenbrief von Nicolas Sarkozy an den Kultusminister bezeichnet er die Religionen als Träger „der Hoffnung". „Die Hoffnung ist keine Bedrohung für die Republik." Er vertraut ihm auch an, dem Islam die Einrichtungen zu garantieren, die für seine Entwicklung in Frankreich notwendig sind.

7. August 2007: Lobreden von Nicolas Sarkozy, Francois Fillon (Premierminister), Michèle Alliot-Marie und Christine Albanel (Ministerin für Kultur), auf Kardinal Lustiger, einem ausgesprochenen Feind der Aufklärung, anlässlich seines Todes.

10. August 2007: Nicolas Sarkozy überquert während seines Urlaubs in den USA den Atlantik, um die Bestattung des Kardinals Lustiger zu erleben. Für ihn war der ehemalige Erzbischof von Paris „eine große Persönlichkeit des geistigen, moralischen, intellektuellen und des religiösen Lebens unseres Landes. Mehrere Minister und Staatssekretäre haben der Bestattung beigewohnt: Francois Fillon, Jean-Louis Borloo, Michèle Alliot-Marie, Brice Hortefeux, Luc Chatel, Nathalie Kosciusko-Morizet und André Santini.

22. August 2007: Sarkozy ist zornig über die Pariser Bürgermeisterin Panafieu, weil sie der Bestattung von Lustiger ferngeblieben ist. (Französisch)

Das Motu Proprio verursacht keine starke Wellen

Obwohl die Entscheidung des Papstes, die Anwendung des tridentischen Messbuches zu liberalisieren, am 14. September in Kraft tritt, sind die Anträge der Gläubigen sie anzuwenden im Augenblick wenig zahlreich.

Insgesamt kennt man bis zum heutigen Tag nur 10 Kultorte, welche die Liturgien nach dem alten Messbuch neu aufnehmen werden. Man wird natürlich eine neue Bilanz in einigen Monaten ziehen müssen, um die genauen Auswirkungen dieser Reform zu messen. Diese ersten Zahlen scheinen zu zeigen, dass die 124 Kultorte – wo bereits das Motu Proprio angewendet wurde –, ausreichend waren.
„Die Anträge werden nach dem 14. September kommen", sagt Abt Paul Aulagnier, ehemaliger Vorgesetzter des Distriktes von Fraternité Saint-Pie-X. Der Anhänger von Mgr. Lefebvre ist aber skeptisch: „Ich bin nicht sicher, dass das vom Papst gewählte Verfahren das gute ist. Werden die Pfarrer es wagen, den Antrag von Gläubigen zu akzeptieren? Und welches wird die Einstellung der Bischöfe gegenüber diesen Pfarrern sein?" Die päpstliche Verordnung bindet auch das Recht auf die Anwendung der alten Liturgie an der Existenz so genannter „stabiler Gruppen". Die Definition dieser Gruppen ist aber noch sehr umstritten. (Französisch)

Das französische Verhütungsparadox

1967 legalisierte das Neuwirth-Gesetz die Verhütung. Vierzig Jahre später kennt Frankreich eine paradoxe Lage. Es ist eines der Länder, wo der Verhütungsanteil der höchste der Welt ist - nur 5% der Französinnen von 18 bis 45 Jahre benutzen keine Verhütungsmethode - aber die Anzahl der freiwilligen Schwangerschaftsabbrüche (IVG), bleibt mit etwa 200.000 Abtreibungen stabil und hoch pro Jahr.

Um zu versuchen, dieses Paradox zu beenden, hat das Gesundheitsministerium eine neue nationale Kampagne zum Thema eingeleitet: „Die beste Verhütung, ist jene, die man wählt". Unterstützt durch Tele- oder Radiospots, Broschüren und im Internet, zielt sie darauf ab, die Vielfalt der verhütenden Angebote besser zu propagieren, damit die Frauen die Verhütung ihrem persönlichen und gefühlsbetonten Leben anpassen.

Sichtbar wurde, dass, obwohl das durchschnittliche Alter des ersten Geschlechtsverkehrs stabil bleibt (17,5 Jahre), das Alter der Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes von 26,5 Jahren im Jahre 1977 auf fast 30 Jahre im Jahre 2004 gestiegen ist. „Daher besteht die Notwendigkeit, eine längere wirksame Verhütung aufrechtzuerhalten als zuvor" unterstreicht das Ministerium.

Die Jugendlichen sind eines der Ziele der neuen Kampagne. Roselyne Bachelot, Gesundheitsministerin, hat zwar die „Widerstände" gegen die Einrichtung von Kondomverteilern in den Gymnasien bedauert, aber sie widersetzt sich dem Nulltarif für Verhütungsmittel für Jugendlichen unter 18 Jahren. Diese Maßnahme ist jedoch im Dezember 2006 durch den hohen Rat der Bevölkerung und der Familie empfohlen worden, um die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche bei den Minderjährigen (13.000 pro Jahr) zu reduzieren. (Französisch)

Darf man Kirchen abreißen?

Tausende von Landgemeinden tragen die Last von Kultorten, die vor dem Gesetz von 1905 gebaut wurden, und machen sich wegen fehlender Finanzen über die Zukunft dieser Gebäude Gedanken. Das französische Kultkulturgut zählt 40.000 bis 100.000 Gebäude, von denen 13.000 als historische Monumente klassifiziert wurden. Die Politik parochialer Neugruppierungen, die durch den Rückgang der religiösen Praxis erzwungen wurde, hat die volle oder partielle Schließung von hunderten Kirchen bewirkt. Die Beobachtungsstelle für das religiöse Kulturgut (OPR) - eine neue Assoziation, die aktiv für die Erhaltung der Kirchen kämpft -, ist der Ansicht „dass eine bedeutende Anzahl der 100.000 religiösen Gebäude in den kommenden dreißig Jahren zu Ruinen zerfallen werden". Nur einige Gemeinden sind dazu übergegangen, die Kultorte umzubauen, um sie besser den Bedürfnissen anzupassen.

„Seit etwa zehn Jahre stellt man fest, dass die Zerstörung einer Kirche kein Tabuthema mehr ist", sagt Alain Guinberteau, Gründer von „40000clochers.com", der eine photographische Zählung der französischen Kirchen durchführt. In Frankreich scheint eine Entwicklung auf angelsächsische Art mit der Umwandlung religiöser Gebäude in privaten Gebäuden mit den seltsamsten Funktionen - Lofts, Gaststätten oder Nachtbars - jedoch ausgeschlossen. Ebenso wie die Übertragung von Kirchen an andere Kulte, wie es der Fall kürzlich in England war, wo eine Methodistenkirche in eine Moschee umgewandelt worden ist. „Ihre Zukunft hängt ab von der Art, wie die katholische Anwesenheit in unserer Gesellschaft anerkannt werden kann" schätzte Mgr. Claude Dagens, Bischof von Angoulême, "Eine katholische Kirche wird für den katholischen Kult gemacht. Das hindert uns nicht daran, für die Konstruktion diskreter muslimischer Kultorte zu plädieren." (Französisch)

Die katholischen Schulen leiden unter ihren Erfolg

Das fünfte Jahr hintereinander mussten die katholischen Schulen – etwa 2 Millionen Schüler – mangels Lehrern die Einschreibung von ungefähr 35.000 Jugendlichen (gegenüber 30.000 im letzten Jahr) ablehnen. Die betreffenden Gebiete liegen in Ile-de-France, im Südostviertel des Landes und in Rhône-Alpes, wo bestimmte Einrichtungen Klassen von 35 bis 40 Schüler verwalten müssen.

Seit zwanzig Jahren stellen die Posten von Professoren, die den privaten Erstellungen unter staatlichem Vertrag zugeteilt wurden, 20% von jenen dar, die dem öffentlichen Unterricht gewährt wurden. Der Privatsektor schult jedes Jahr ungefähr 17% der Schüler aller Niveaus ein", hob im Jahre 2005 eine durch Crédoc erarbeitete Untersuchung hervor. Die Motivierungen sind „immer pragmatischer": Nur 12 % der Familien wählen den katholischen Unterricht aus „religiöser Überzeugung", stellte Crédoc fest, während der Ruf der Schule „das erste Wahlkriterium der Einrichtung" ist.

Jetzt wird die Debatte angekurbelt, ob der katholische Unterricht nicht zu weit in die Öffnung und in die Verallgemeinerung gegangen ist? Die französischen Bischöfe haben zum ersten Mal eine Arbeitsgruppe zu dieser Frage eingesetzt. Der Erzbischof von Avignon, Mgr. Jean-Pierre Cattenoz, hat sofort verlangt, „den katholischen Unterricht über Christus zu verstärken", und er glaubt, dass eine Mehrheit von Einrichtungen „nur der Name nach noch katholisch ist". Es besteht das Risiko, durch den Erfolg „zu einem falschen Schulpluralismus zu gelangen, und dass uns nichts mehr vom öffentlichen Unterricht unterscheidet."

Fortsetzung der Öffnung oder zurück zur alten Identität ist die Frage. Eine neue Generation ist scheinbar dabei, die Leitung der katholischen Schulen zu übernehmen. Mit an ihrer Spitze, Eric de Labarre, (53) ehemaliger Präsident der Union der Assoziationen von Familienmitgliedern von Schülern des freien Unterrichts (Unapel). Dieser Ritter vom Heiligen Grab, der Seminaristenwurzeln hat, qualifiziert sich selbst in Le Monde als „alten Aristokraten von Rechts". Zu dem Zeitpunkt, an dem Nicolas Sarkozy das Bildungs- und Schulwesen diversifizieren will und beabsichtigt, dem Privatsektor hinsichtlich Chancengleichheit und sozialer Mischung eine größere Rolle spielen zu lassen, kündigt sich eine neue Richtung für den katholischen Unterricht an. (Französisch)

Ein monotheistischer Liebesthriller

Zuerst die Liebesgeschichte: Catherine Stoerkel (35), junge Predigerin der reformierten Kirche von Frankreich in den Midi-Pyrenäen, stellt fest, dass von der Mutterseite ihre zwei Großeltern jüdisch waren, was schon als jüdische Zugehörigkeit ausreicht, aber das auch ihr väterlicher Großvater jüdisch war. Um diese Wurzeln zu erkunden, nimmt sie mit dem Rabbiner der neuen liberalen jüdischen Gemeinschaft von Montpellier, Yonathan Levy, Kontakt auf und trägt sich in die dortigen jüdischen Religionskurse ein. Eine starke „geistige Freundschaft" entsteht zwischen den zwei Religiösen und im letzten Mai bittet der Rabbiner um die Ehe. Anfang Juli lassen sich die Verliebten in Jerusalem durch einen liberalen Rabbiner trauen." Seitdem lebt das Paar „eine echte Vereinigung zu dritt mit Gott."

Nun der Monotheismus: Die Protestanten hatten an der Kombination nichts auszusetzen. „ Sie haben uns sogar ermutigt", unterstreicht Levy. „Dagegen hat die liberale jüdische Föderation von Frankreich mir gekündigt, weil ich ein Pastorin geheiratet habe", sagt Levy. Über diese Konflikte der monotheistischen Religionen will das Paar bald ein Buch schreiben.

Und zuletzt der Thriller: Stéphane Béder, der Präsident der Föderation der liberalen jüdischen Gemeinschaften von Frankreich, sagt jetzt aus, dass Levy nicht gekündigt wurde, weil er eine Pastorin geheiratet hatte, sondern, „weil wir sehr starke Zweifel an der Gültigkeit seiner Rabbinerdiplome hatten". Tatsache ist, dass Levy nur ein Rabbinerdiplom ultraorthodoxer Herkunft aus Israel und in einer unüblichen Form vorweisen kann. Das Paar bereitet jetzt die Ausreise nach Israel vor. (Französisch)

Für eine „Strasse der Säkularisierung"

Die Vereinigung „Faire le jour" aus Réunion führt eine Kampagne durch, indem sie jeden Bürgermeister bittet, eine Strasse der Gemeinde „Strasse der Säkularisierung" zu nennen. Wenn ein „Platz der Säkularisierung" ein stärkeres Symbol wäre, ziehen sie es dabei vor, nicht zu anspruchsvoll zu sein. Die 24 Bürgermeister der Insel haben solche Briefe empfangen und die Vereinigung lädt alle Laienassoziationen und alle Privatpersonen ein, ebenso im metropolitanischen Frankreich und in den überseeischen Territorien eine ähnliche Aktion zu starten.

Der Brief mit der Begründung der Aktion kann im Internet abgerufen werden. (Französisch)

Schließung einer Bar

Die Bar „Les Cascades" in La Motte wird von der Schließung bedroht. Nicht, weil die Gäste seiner Theke entflohen sind, sondern weil sie weniger als 40 Meter in der Nähe der Kirche Saint-Victor angesiedelt ist. Eine Nähe, die durch einen Aufsichtserlass verboten wurde, der aus dem Jahr 1978 stammt. Es ist eine „geschützte Zone", behauptet das Berufungsgericht von Aix-en-Provence (Bouches-du-Rhone), das ebenfalls Erick Beruti, den Geschäftsführer der Bar, zu einer Geldstrafe von 50 Euro verurteilt hat. Besagte Bar ist in Luftlinie nur 38 Metern von der Kirche angesiedelt. Erick Beruti hat angekündigt, dass er in Berufung geht. (Französisch)


Rudy Mondelaers