Fundamentalisten und ihr Frauenbild

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Konservative Frauenbilder von westlichen und islamischen Rechten sind sich nicht unähnlich
Konservative Frauenbilder

Ein reaktionäres Frauenbild gibt es sowohl im Islam als auch in der westlichen Rechten. Es ist eines der Elemente, bei denen sich Islamisten und Rechtsradikale einiger sind, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Ich habe vor kurzem bereits einen Artikel für den hpd verfasst, in dem ich darauf hinwies, dass auch wir als Gesellschaft nicht immun gegen gesellschaftspolitischen Rückschritt sind. Darin ging es unter anderem um den ägyptischen Präsidenten Nasser und seinen Streit mit den Muslimbrüdern bezüglich deren Bild zur Stellung der Frau in der ägyptischen Gesellschaft. Wie reaktionär das islamistische Frauenbild ist, scheint vielen gar nicht klar zu sein.

Nehmen wir folgende Aussage über westliche Frauen, in diesem Fall aus den USA: "Das American Girl ist sich der verführerischen Kraft ihres Körpers wohl bewusst. Sie weiß, dass sie in ihrem Gesicht, in ihren ausdrucksstarken Augen und ihren durstigen Lippen liegt. Sie weiß, dass die Verführung in den runden Brüsten, dem vollen Hintern und in den wohlgeformten Schenkeln und schlanken Beinen liegt – und sie zeigt all das und versteckt es nicht."

Oder die Beschreibung einer Tanzveranstaltung: "Sie tanzten zu den Klängen des Grammophons, und die Tanzfläche war voll von wippenden Füßen, verführerischen Beinen, um die Taille geschlungenen Armen, aufeinander gepressten Lippen und aneinander gepressten Brüsten. Die Atmosphäre war voller Verlangen."

Wäre da nicht das verräterische Wort "Grammophon", was hätten Sie sich unter dieser Beschreibung vorgestellt? Halbnackt in der Wüste tanzende junge Menschen beim Burning Man Festival vielleicht? Oder ekstatische Menschenmassen, die mit freien Oberkörpern zu Techno auf der Loveparade feiern?

Die Wahrheit ist weit weniger spektakulär. Es handelt sich um die Beschreibung einer Tanzveranstaltung im US-Städtchen Greeley, einer konservativen Kleinstadt nördlich von Denver, die zur Zeit der Prohibition in einer Kirche stattgefunden hat. Schwerlich ein Hort der Unzucht und der sexuellen Ausschweifung.

Die Beschreibung stammt aus Sayyid Qutbs "The America I Have Seen", seinem Erfahrungsbericht über die dekadente westliche Welt, die er 1949 bereiste und vor der er seine ägyptischen Glaubensbrüder warnen wollte.

Jener Sayyid Qutb, der nicht nur als Vordenker der Muslimbrüder gilt, sondern die Lenker der meisten gewaltbereiten sunnitischen Gruppierungen von Al-Qaida bis Islamischer Staat (IS) beeinflusste. Jener Qutb, dessen Einfluss sich auch in der Gründungscharta der Hamas nachweisen lässt; jener Organisation, die 364 Menschen bei einem Angriff auf das Supernova Psytrance Festival ermordete.

Qutb schwankte dabei zwischen Beschreibungen, wie den oben angeführten, und der Behauptung einer Überlegenheit der islamischen Kultur, die der westlichen Gleichberechtigung der Frau nicht bedürfe, weil der Islam die Frauen schon seit seiner Gründung gleichgestellt hätte. Kurioserweise verteidigt er in "Social Justice in Islam" sowohl eine angebliche rechtliche Gleichstellung der Frau als auch die Praktiken, Frauen bei der Erbfolge nur mit der Hälfte des Erbes eines männlichen Erben abzuspeisen oder als Zeugen vor Gericht nur mit einer halben Stimme zu zählen, gleichzeitig.

Seine Nachfolger im heutigen Afghanistan, die Frauen komplett aus Bildungseinrichtungen und öffentlichem Leben verbannt haben, oder die neuen Machthaber in Syrien, die damit drohen, Frauen aus Richterämtern zu entfernen, zu denen sie seit 1975 Zugang haben, sind da eindeutig konsequenter.

Ähnliches Frauenbild findet sich in der AfD wieder

Wie aber bereits in meinem letzten Kommentar geschrieben, sollten wir nicht auf die islamische Welt schauen und davon ausgehen, dass der westlichen Welt solche Bestrebungen völlig fremd wären.

Auch in der deutschen radikalen bis extremen Rechten machen sich reaktionäre Spielarten des Christentums mit ihren rückwärtsgewandten Frauenbildern breit. So äußert der AfD-Politiker Maximilian Krah, der der traditionalistisch-katholischen Strömung der AfD zugerechnet wird, in seinem Buch "Politik von rechts – Ein Manifest" ein nicht unähnliches Frauenbild, wenn er von einem "über die sexuelle Attraktivität ausgetragene[n] Konkurrenzkampf" von Teilen der Frauen um "als Alpha wahrgenommene Männer" schreibt.

Diesen Frauen stehe ein "Feminismus der Beischlafneider" entgegen, der "Schönheitsideale desavouieren" wolle. Überhaupt stünden sich in der modernen Gesellschaft "unmännliche Männer und kühle, einseitig berufsorientierte und unweibliche Frauen einander gegenüber". Aus der Widernatürlichkeit dieser Geschlechterrollen und der Wertschätzung der Mutterschaft ergebe sich dann eine "klare Positionierung gegen Abtreibung" rechter Politik, so Krah.

Zwar gesteht er zu, dass es keinen Grund gebe "Frauen vom Berufsleben auszuschließen", wir lesen aber nirgends, dass dies mit einem Selbstbestimmungsrecht der Frau oder Ähnlichem zu tun hätte. Es korreliert lediglich mit der Tatsache, dass "Hausarbeit [...] nicht mehr ansatzweise so zeitaufwendig und anstrengend ist wie noch vor 50, 80 Jahren". Aufrichtige emanzipatorische Bekenntnisse klingen anders. Dass er die Einführung der gleichgeschlechtlichen "Homo-Ehe" als "vorzivilisatorischen Zustand" ansieht, scheint da nur folgerichtig.

Und es schließt sich wieder der Kreis zu den reaktionären Islamisten von Dabiq, die in ihrer fünfzehnten und letzten Ausgabe vom Juli 2016 in einem Artikel mit dem Titel "Why we hate you & why we fight you" ("Warum wir euch hassen & warum wir euch bekämpfen") Folgendes schrieben: "Wir hassen euch, weil eure säkularen, liberalen Gesellschaften genau die Dinge zulassen, die Allah verboten hat." Unter den explizit genannten verbotenen Dingen findet sich dann eben auch Homosexualität.

Es wäre schön, zu glauben, dass die Geschichte sich linear zum Besseren entwickelt und wir uns moralisch "emporirren". Leider ist die Geschichte weder linear noch zyklisch. Es geht in Schritten mal hier- und mal dorthin. Wir werden sehen, wohin uns die nahe Zukunft führt.

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