Konzept eines kreativen Sozialismus

(hpd) Sahra Wagenknecht hat ein neues ökonomisches Sachbuch geschrieben. Dabei demonstriert sie nicht nur ihre Sachkompetenz, sondern legt auch ein entschiedenes Plädoyer für ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik vor. Wer nun jedoch glaubt, Wagenknecht würde kommunistische Parolen zum Besten geben, der irrt sich gewaltig.

 

Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht ist sicherlich eines der prominentesten Gesichter der Linkspartei und Stammgast in den politischen Talkshows. Dass sie jedoch mehr kann, als sich eloquent in Szene zu setzen, hat sie bereits mit ihrem Buch Wahnsinn mit Methode, einer Analyse zur Finanzkrise belegt. Darin zeigte sie bereits, dass sie einen ökonomischen Sachverstand besitzt, über den die allermeisten der politischen Konkurrenten nicht verfügen. Mit ihrem neuen Buch bleibt sie nun dem Ökonomiethema treu. Dabei ist Freiheit statt Kapitalismus thematisch deutlich breiter angelegt. Sie unterzieht die Finanzwirtschaft einer kritischen Betrachtung, zeigt, warum die Leistungsgesellschaft nur ein Mythos ist und entlarvt den Kapitalismus als defizitär und unproduktiv.

Dabei negiert sie jedoch nicht, dass der Marktmechanismus auch sinnvoll sein kann. Echtes Unternehmertum will Wagenknecht ausdrücklich fördern. Zu groß gewordene und über zu viel Marktmacht verfügende Unternehmen sind ihr jedoch ein Dorn im Auge. Gleiches gilt auch für die Privatisierungseuphorie der letzten Jahre. Zutreffend beschreibt sie, dass nahezu alle Privatisierungen ehemals staatlicher Kernaufgaben für die Bürger keine Vorteile brachten. Das kann tatsächlich jeder nachvollziehen, der zu teuren Preisen in überfüllten Zügen sitzt, dessen Stromrechnung ständig erhöht wird und der schon einmal versucht hat, einen Telefonanschluss bei einem Umzug ohne Probleme mitzunehmen. Ein Umdenken hat jedoch bei vielen Politikern immer noch nicht stattgefunden. Allein einige Kommunen, wie Wagenknecht darstellt, haben inzwischen reagiert und kaufen zum Teil ihre Betriebe wieder zurück.

Kreativer Sozialismus

Doch Wagenknecht kritisiert nicht nur, sie wagt sich auch an Lösungsvorschläge. Kreativer Sozialismus nennt sie dabei ihr Konzept, denn nach ihrer Ansicht wird der Sozialismus dann kreativ, wenn man ihn von der Planwirtschaft erlöst. Ebenso wie die Marktwirtschaft sozial wird, wenn man sie vom Kapitalismus befreit. Dabei sind viele der genannten Lösungen keineswegs so radikal, wie man es von Wagenknecht vielleicht erwarten würde. Dass Banken nicht spekulieren, sondern sich um die Kreditvergabe an Unternehmen und Bürger kümmern sollten oder man die Möglichkeit der privaten Gewinnabschöpfungen zugunsten von betrieblichen Re-Investitionen begrenzen sollte, das sind Vorschläge, die auch von mittelständischen Unternehmern stammen könnten. Ja selbst bei ihrem wohl radikalsten Vorschlag, Erbschaften über einer Million Euro mit einem Steuersatz von 100% zu belegen, kann sie sich auf Äußerungen eines prominenten Kapitalisten berufen: Warren Buffett. Einen Aufruf zu einer kommunistischen Revolution sucht man in dem Buch jedenfalls vergeblich. Im Gegenteil, bei genauerer Betrachtung steht sie den ursprünglichen Ideen des Ordoliberalismus nach Walter Eucken und Alexander Rüstow deutlich näher als jene radikalen Marktprediger von FDP, CDU/CSU und auch der SPD, die sich gerne auf diese berufen, doch die diese in Wahrheit weder gelesen und erst recht nicht verstanden haben.

Wagenknechts Buch ist insgesamt ein wertvoller Beitrag für eine Diskussion, die erst noch geführt werden muss. Nämlich jene, was an staatlicher Lenkung sinnvoll ist und wann der Marktmechanismus die bessere Wahl ist. Denn letztlich sind sowohl die Planwirtschaftsnostalgiker als auch die Marktradikalen unbelehrbare Ideologen. Wagenknecht dagegen widmet sich tatsächlich den existenziellen Sachfragen. Engagiert aber dennoch sachgerecht plädiert sie für deutliche Korrekturen der aktuellen Wirtschaftspolitik.

Frank Welker

 

Sahra Wagenknecht: „Freiheit statt Kapitalismus“, Eichborn, 2011, 368 Seiten. ISBN 978-3821865461, Euro 19,95.