Mit Freunden auf gutem Weg

BERLIN. (hpd) Mit einer Festveranstaltung im Berliner Kulturhaus Mitte

in der Auguststraße beendete am vergangenen Samstag der Humanistische Verband Deutschlands seine Veranstaltungen zum 15jähriges Bestehen des HVD. Rund 150 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft waren der Einladung gefolgt. Die Festsitzung bot Ansprachen und Ehrungen, eingebunden in das musikalische Können von Anne Hoth (Sopran), Maria Kwaschik (Cello) und Marian Lux (Piano).

 

Begrüßung der Gäste

Zu den Gästen gehörte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Petra Pau, Fraktion Die Linke, und mit ihr die Mitglieder des Deutschen Bundestages Klaus Uwe Benneter und Rolf Stöckel, beide SPD. Rolf Stöckel, Bild 12, konnte der Veranstalter auch für einen Redebeitrag gewinnen.

Aus dem Berliner Parlament begrüßte der HVD die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Frau Karin Seidel-Kalmutzki (SPD), und mit ihr die Abgeordneten aus der SPD-Fraktion, Dr. Felicitas Tesch (Mitglied im Berliner Landesvorstand des HVD und Vizepräsidentin der Humanistischen Akademie Berlin), Dilek Kolat und Bruni Wildenhain-Lauterbach; aus der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen Alice Ströver. – Aus dem Parteivorstand der Linken war Rosemarie Hein (Sachsen-Anhalt) gekommen.

Wie immer, wenn gefeiert wird, sind Freunde besonders nahe. Deshalb freute sich der HVD über die rege Teilnahme aus befreundeten Verbänden. Dies zeige, so Dr. Horst Groschopp, der Bundesvorsitzende des HVD in seiner Begrüßungsrede, „das gewachsene Ansehen unseres Verbandes und seine Bereitschaft, auf andere zuzugehen, ihre Argumente zu hören und mit ihnen Bündnisse zu schließen für mehr Humanismus in unserem Land, gerade weil wir darunter glücklicherweise nicht immer das Gleiche verstehen.“

Zu diesen Gästen zählte Prof. Dr. Rosemarie Will, Bild 14. Sie ist Verfassungsrichterin a.D. in Brandenburg. Sie hielt als Bundesvorsitzende der Humanistischen Union die Festrede. Weiter namentlich begrüßt wurden Dr. Barbara John, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, und Dr. Christine Roßberg, Vorsitzende der „Volkssolidarität“ Berlin, Wilfried Estel, Präsident von Jugendweihe Deutschland, der mit einer Zeichen setzenden größeren Delegation gekommen war, und Prof. Dr. Thomas Meyer, Bild 13, Mitglied im Gründungsvorstand des HVD, der führend in der Grundwertekommission der SPD und vielen anderen Gremien wirkt. Auch er war um eine Gastrede gebeten worden.

Der HVD hieß die Vertretungen von Fach- und Wohlfahrtsverbänden, Hilfsvereinen und Sozialeinrichtungen, zahlreiche Kooperations- und Geschäftspartner sowie von Stiftungen und Vereinen willkommen.

Viele Gründungsmitglieder waren anwesend. Der HVD hat derzeit zwölf Landesverbände. Sie waren fast alle mit ihren Vorständen und Geschäftsführern, Sprechern und vielen Mitgliedern gekommen. Dem HVD sind Verbände in Sachsen-Anhalt und Württemberg „assoziiert“. Besonders begrüßt wurden zudem der Präsident der Humanistischen Akademie, Prof. Dr. Frieder Otto Wolf, und der Vorsitzende des Humanistischen Hilfswerkes, Michael Bauer.

Dr. Groschopp ließ es sich nicht nehmen, eingangs und angesichts des Festortes „Kulturhaus“ auf den Freidenker Heinrich Peus zu verweisen, der 1913 sehr prognostisch formulierte, dass solche „Tempel [der] öffentlichen Betätigung“ in unseren Städten und Dörfern die Kirchen, die „Bet- und Predigthäuser“ an Bedeutung ersetzen werden.

Seine Einführungsworte abschließend (Presseerklärung des HVD s. pdf im Anhang), führte Dr. Groschopp aus, er wolle „ganz kurz etwas über ein Märchen berichten, über das der 'Rückkehr der Religion'. Vor Weihnachten geisterten Befunde eines Bertelsmann-'Religionsmonitors' durch die öffentliche Landschaft. 70 % aller Bundesbürger seien religiös. Der HVD hat dagegen gestern eine vom Institut 'forsa' im Dezember 2007 durchgeführte repräsentative Akzeptanz-Studie vorgestellt. Sie bestätigt erneut das Gegenteil. Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung bekennt sich zu einer humanistischen Lebensauffassung, wie sie der HVD vertritt. Unter den 80 % Konfessionsfreien hat diese Lebensauffassung festen Bestand.
40 % der Befragten würden es begrüßen, dass Interessenvertretungen Konfessionsfreier das gleiche Gewicht in der deutschen Öffentlichkeit hätten wie die christlichen Kirchen. 25 % wünschen sich eine Interessenvertretung wie den HVD.
Der hohe Anteil an Zustimmung zu einer größeren Präsenz von Konfessionsfreien in der Öffentlichkeit erlaubt den Schluss: "Es ist nicht nur gut, dass es den HVD gibt. Es ist sogar besser, wenn er stärker wird. Denn wir machen ein attraktives öffentliches, auch ein politisches Angebot, das auf Gleichhandlung von Religiösen und Nichtreligiösen setzt. Mehr Gehör den Konfessionsfreien!“

Festrede

Die Festrede hielt Prof. Rosemarie Will, Verfassungsrichterin a.D. in Brandenburg und Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union. Sie betonte in ihrer Rede, in der sie in einem historischen Streifzug die Errungenschaft der Säkularisierung Europas beleuchtete, die Gemeinsamkeiten beider Organisationen.

Ihre Rede war historisch angelegt und begann mit einem Bekenntnis zu den Unterschieden zwischen HU und HVD und der Anerkennung des Mutes der Einlader, jemand zu einer Festrede zu bitten, wohl informiert über diese Unterschiede und die differenten Ansichten darüber, ob Humanismus überhaupt als Weltanschauung gefasst werden könne, gerade wenn auf die Ursprünge des Begriffs bei I. Kant rekurriert, die aktuelle Begriffsverwendung beachtet (alle Leit- und Deutungsauffassungen zu binden, religiöse wie nichtreligiöse) und der ganze Vorgang als Folge der Säkularisation verstanden wird.

Ihre Ansicht begründete Prof. Will historisch, v.a. verfassungshistorisch. Sie unterschied dabei drei Stufen der Säkularisierung und charakterisierte diese näher: erstens der Investiturstreit, der beide Mächte, die geistliche wie die staatliche, in Konkurrenz zueinander gesetzt habe, mit der Möglichkeit des Sieges jeder der beiden über den je andren.
Zweitens zwangen die religiösen Kriege im 14.-17. Jahrhundert die weltliche Macht, die Kirchen zu disziplinieren und unter ihre Suprematie zu bringen mit dem Ergebnis, dass (nach Hobbes) der Staat (der Fürst) das Bekenntnis seiner Bürger bestimmt.
Mit dem dritten Schritt erst, markiert durch die Französische Revolution, hört der Staat im Prinzip auf, Religion zu seiner Sache zu machen.

Durch diese ganze Geschichte hindurch sei es der Humanismus gewesen, der als kulturelle Wegzeigung das Mittelalter überwinden half und nie danach trachtete, eine „eigene Religion“ sein zu wollen. Der Universalitätsgedanke der Menschenwürde, zuerst von Pico della Mirandola vorgetragen, prägt in der Folge den Humanismus, besonders dessen Toleranzgedanken (Erasmus von Rotterdam) und den Staatsgedanken (Machiavelli), der ganz ohne Religion auskomme.
Diesen Ideen folgend sind eigentlich alle Mitglieder der Gesellschaft Humanisten, wenn sie diese Leitideen mittragen. Diese Prinzipien wiederum kommen in gewisse Gefahr, wenn eine Gruppe diese Prinzipien für die ihren erklärt und besonders beansprucht.
Durch die Trennung von Recht und Moral schreibe, so Will, der Staat einerseits den Menschen, die in seinem Geltungsbereich leben, keine Ziele, Maximen oder Tugenden vor. Anderseits lebe der Staat von den Tugenden, die seinen Bestand, die je eigene Selbstbestimmung und die Toleranz untereinander garantieren. Er benötigt sogar eine bestimmte Moral – und zwar eine „abgerüstete Moral“.

Also: Kann der Humanismus Weltanschauung sein, wo doch alle Mitglieder dieser Gesellschaft auf dessen Moral der Selbstbestimmung und Toleranz zu verpflichten wären? Ja und nein zugleich, so die Antwort: Die Verpflichtung auf die rechtsstaatliche Demokratie sei zutiefst politisch und erfordere die Verpflichtung aller auf die Trennung von Kirche und Staat. Hier liegen die Gemeinsamkeiten auch der HU und des HVD begründet, an dieser Aufgabe zu arbeiten. Die Aufhebung der kirchlichen Privilegien bedingen die Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Da dies aber ein langer Weg sei, bedürfe es säkularer Organisationen, wie der HVD und die HU es seien. Hier werde man weiter gemeinsam streiten und sicher noch viele gemeinsame Festtage miteinander begehen.
„Lassen Sie uns künftig gemeinsam streiten für die konsequente Durchsetzung der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland, für die Abschaffung staatlicher Kirchenprivilegien sowie die Gleichbehandlung aller Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften.“

Grußwort Thomas Meyer

Die Grußworte waren sehr unterschiedlich angelegt. Prof. Thomas Meyer, sechs Jahre Beisitzer im ersten Bundesvorstand, hielt als Politikwissenschaftler (Universität Dortmund) eine sehr pointierte politische Rede, in dem er eine politische Zuspitzung seiner Fundamentalismus-Forschungen vornahm, auf Basis seiner Studien über den „Identitäts-Wahn“, der durch Politisierung kultureller Unterschiede erfolge. In allen Religionen gebe es religiösen Fundamentalismus, sozusagen eine Welle der „Rache Gottes“ auf seinen erklärten Tod hin, im Christentum im hohen Maße auch. Meyer griff Insonderheit zurück auf seine Thesen über „Die Ironie Gottes“.

Die Überzeugungskraft der Religion schwinde in Deutschland und in anderen Ländern Europas (im Gegensatz zu den USA und anderen Ländern), trotz ihrer zunehmenden Dauerthematisierung in den Medien, darunter auch in renommierten Magazinen und in Fernsehprogrammen, denen man sonst eher seriöse Analysen zutraut. Zwar seien bekennende Mehrheiten seit langem auch nicht mehr in Sicht, dennoch erhebe gerade hierzulande das organisierte Christentum mit wachsendem Selbstbewusstsein den Anspruch, der berufene Anwalt der öffentlichen Moral zu sein.

Die Kirchen würden den öffentlichen Raum der liberalen Demokratie besetzen, ohne dass ihnen noch nennenswert widersprochen werde. Mehr noch, das organisierte Christentum erhebe den Anspruch, allein die liberale Gesellschaft garantieren zu können. Ein Bischof hier in Berlin, der Ratsvorsitzender einer Kirche ist, so Meyer, überböte diese Anmaßungen mit der Zuspitzung, nur der christliche Glaube sei in der Lage, unsere Verfassung gebührend zu fundieren, ihr die richtige Tiefe zu geben. Daraus folge dann die Interpretations- und Wächterfunktion der Kirchen. Dies sei eine Tendenz, der derzeit nicht genügend widersprochen werde.

Im Vormarsch der Kirchen spielen die modernen Inszenierungsstrategien des „Religiotainments“ eine Schlüsselrolle. Sie bezwecken Massensuggestion. Die Darbietung religiöser Ansichten in unterhaltsamen Formen verdecke deren politischen Kern. Dies führe – im Zusammenhang mit durchaus auch hierzulande fundamentalistischen Entwicklungen, die die Kirchen den Muslimen vorwerfen würden, aber doch zugleich selbst vollziehen – zu einer klaren Asymmetrie.

Die Hauptfolge sei unübersehbar – die Schwächung der Stimme der säkularen Vernunft in der Öffentlichkeit. Daraus ergebe sich zum einen die Frage, wie viel Resakralisierung und Religiotainment die liberale Demokratie vertrage, ohne Schaden zu nehmen. Zum zweiten leite sich daraus ein Auftrag an Verbände wie den HVD ab, die Stimmen der Säkularität und des Humanismus zu stärken.

Der Redner verwies in diesem Zusammenhang abschließend darauf, dass er durchaus Stimmungen einer „säkularen Besinnung“ wahrnehme. Er machte dies am aktuellen Atheismus-Streit fest, der bis in die großen Feuilletons hineinreiche, in denen allerdings religiöse Personen mit großem Einfluss filternd eingreifen. Er hoffe, dass daraus nicht nur eine neue Welle, sondern eine neue Aufstiegsphase des humanen Säkularismus, einer humanen säkularen Weltanschauung folgt. Wenn das so kommt, habe der HVD eine große Aufgabe, zu deren Erfüllung er ihm allen Erfolg wünsche.

Gastrede Rolf Stöckel

Rolf Stöckel erinnerte launig an die Anfangsjahre und die letzten 15 Jahre, die er ja maßgeblich, zuletzt als Bundesvorsitzender, lange Jahre als Präsident des HVD NRW und noch immer Beisitzer im Bundesvorstand des HVD aktiv mitgestaltet hat. Er machte den Anwesenden an vielen Beispielen unterhaltsam plausibel, dass der HVD lebe, weil in ihm kräftig, aber kollegial gestritten werde, nicht nur in Satzungs- und Finanzfragen, sondern auch grundsätzlich, etwa in der Frage, wie der HVD zum Pazifismus bzw. zu Frieden stiftenden Aktionen durch Einsatz der Bundeswehr im Ausland stehen sollte.

Auf einigen Feldern der Politik sei der HVD durchaus in der Lage, Einfluss nehmend zu agieren. Das sei besonders bei den Patientenverfügungen der Fall. Die Kirchen hätten dieses Thema erst verschwiegen, sich dann gegen Debatten gewandt und dann zu desavouieren versucht. Befürworter des Themas wurden als krank und pervers hingestellt und als Wegbereiter einer aktiven Sterbehilfe verunglimpft und der Nähe zur Nazizeit und zum Euthanasieprogramm der Nazis bezichtigt.

Der HVD habe zur Versachlichung der Debatte beigetragen, beginnend vor 15 Jahren mit der ersten individuellen Patientenverfügung überhaupt, bei der nicht nur etwas anzukreuzen war. Heute arbeitet der HVD hier sehr professionell.

Ende Januar, so Stöckel, werden die Gruppenanträge im Deutschen Bundestag vorliegen. Der „Stünker-Entwurf“, der weitgehend den Vorstellungen auch des HVD entspreche, habe durchaus die Chance auf eine Mehrheit.

Ehrungen

Nach den Gastreden bedankte sich der Humanistische Verband bei einigen seiner Mitglieder besonders. Die stellvertretende Bundesvorsitzende des HVD und Landesvorsitzende des HVD Bayern, Susanne Jahn, hielt die Laudatio. Sie betonte, dass die Lebenszeit, die von den Geehrten in den HVD investiert wurde, unschätzbar kostbar sei. „Sie ist mit nichts zu bezahlen. Deshalb ist es vielleicht symbolisch, dass wir ihnen eine konstruktivistische Grafik und eine Blume schenken. Die Grafik ist in limitierter Auflage hergestellt. Und sie stammt von unserem Freund und Verbandsmitglied, dem Künstler Rudolf Valenta.“

Im folgenden ehrte der HVD die Bundesvorsitzenden, die nicht mehr im Amt sind und mit ihrem Namen für diesen Verband standen und stehen, den am Samstag leider verhinderten ersten Bundesvorsitzenden Dr. Klaus Sühl, derzeit Oberbürgermeisterkandidat in Dresden; seinen Nachfolger, dem heutigen Präsidenten des HVD NRW, Jürgen Springfeld, und Rolf Stöckel.
Zwei Beisitzer des Bundesvorstandes gehören diesem Gremium seit Gründung des HVD an und jeder Bundesvorstand tat gut daran, auf ihren Rat und ihre Zwischenrufe zu hören. Beide sind sozial und liberal gesinnt, der eine eher rötlich eingefärbt und zur SPD gehörig, der andre eher gelb und FDP-Mitglied: Gerd Wartenberg, Staatssekretär und MdB a.D., heute Vorsitzender unseres Verbandes in Brandenburg, und Wolfgang Lüder, Bürgermeister von Berlin, MdB und Senator a.D.
Weitere Ausgezeichnete waren die Chefredakteurin der HVD-Verbandszeitung „diesseits“, Patricia Block, die langjährige Bundeskoordinatorin Sabine Schermele, die nicht da sein konnte, und die jetzige Bundesassistentin Bettina Kebschull.

Zum Abschluss der Veranstaltung verwies Dr. Groschopp auf die tags zuvor erfolgten Reformbeschlüsse des HVD und bedankte sich für alles Organisatorische bei Kollegin Regina Malskies vom HVD Berlin. Mit den Worten „Danke für Ihr Kommen. Bleiben Sie bitte dem HVD verbunden“ wurde zum Fingerfoodbüfett und Sektempfang geladen. Dies gab viel Raum für Kommunikation.

 

GG

Fotografische Impressionen im Anhang

Bilder: Frank Spade