Filmpremiere in Düsseldorf: In "Sterben ohne Gott" geht es um eine säkulare Sichtweise auf den Tod

Was bleibt, wenn alles vorbei ist?

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Franz Josef Wetz (einer der Protagonisten) und Moritz Terwesten (Regisseur)
 Franz Josef Wetz und Moritz Terwesten

Ein neuer Dokumentarfilm, der am Samstag bei einer Veranstaltung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA!) in einem Düsseldorfer Kino Deutschlandpremiere feierte, trägt den Titel "Sterben ohne Gott". Das weckt eine Hoffnung. Die Hoffnung, Rat zu bekommen im Sinne von: Wie macht man das?

Natürlich kann der mit Hilfe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) entstandene Film des Philosophiestudenten und 28 Jahre jungen Regisseurs Moritz Terwesten dieses Versprechen nicht einlösen. Er hat es freilich auch nicht ausdrücklich gegeben. Der 80-minütige Dokumentarfilm will ja auch gar nicht halten, was andere, die Religionen, vollmundig versprechen: Dass es nach dem Tod weiter geht – und zwar noch viel besser, noch viel schöner. Wer solchen Heilsversprechen nicht glauben mag, hat es schwerer. Und muss damit fertig werden, dass er jeden Moment aus diesem Leben scheiden kann, nur dieses eine Mal hier ist und niemals zurückkehren wird.

Filmplakat
Filmplakat

In dem Schwarz-Weiß-Film schneidet Regisseur Terwesten Interviews mit einem Philosophen (Franz Josef Wetz), einem Sozialpsychologen (Sheldon Solomon), einem säkularen Bestatter (Eric Wrede), einem Horrorfilm-Regisseur (Jörg Buttgereit), einem forensischen Biologen (Mark Beneke), einem Physiker (Lawrence Krauss) und einem Kulturkritiker (Wolfgang M. Schmitt) zusammen. Es werden die Ansätze diskutiert, auf die man stößt, wenn man sich mit dem Tod und dem Sterben befasst: Die Todesangst, das Verdrängen, die Gedanken darüber, wie es wäre, unsterblich zu sein. Oder auch darüber, was von einem bleibt, wenn es vorbei ist.

Absage an ein Weiterleben nach dem Tod

Einigermaßen bizarr erscheint dabei die Argumentation des Horrorfilm-Regisseurs Buttgereit, der für einen seiner Filme Überreste von Schweinen hat verwesen lassen und diesen Prozess in seinen einzelnen Phasen filmisch festhielt. Und daraus doch tatsächlich so etwas wie Zuversicht schöpft. Als er gesehen habe, wieviel Leben aus toten Schweinen durch die sie zersetzenden Maden entsteht, sei das für ihn doch auch tröstlich gewesen: "Man existiert irgendwie weiter."

Philosoph Wetz kann diese Sichtweise nicht teilen: So etwas erschrecke die Menschen allenfalls. Auch die Idee, der Verstorbene lebe nach seiner Verwesung in der Substanz eines Baumes fort, neben dem er begraben wurde, sei völliger Unsinn: "Es gibt dort kein Ich, das dort fortleben könnte." Er ist sich mit dem Biologen Mark Beneke einig: Der Gedanke, dass Rückstände der eigenen personalen Existenz als Dünger noch irgendwie da seien, habe nichts mehr mit dem verstorbenen Individuum zu tun. Wetz sagt es drastisch, wenn er sich darauf bezieht, dass auf Grabsteinen zu lesen ist: Hier ruht in Frieden …: "Hier ruht niemand, und schon gar nicht in Frieden, dort fault in der Erde bestenfalls…"

Trotzdem sind Orte wie Gräber oder auch ein Baum, neben dem der oder die Verstorbene beerdigt ist, wichtig für die Hinterbliebenen. Um etwas Fassbares für das Unfassbare zu haben. Doch das ist etwas anderes als der Glaube an ein Weiterleben. Biologe Beneke erklärt, warum dieses Weiterleben evolutionsbiologisch auch gar nicht funktionieren kann: "Sterben und Sex dienen dazu, künftige neue Umweltbedingungen überleben zu können." "Eine Generation muss abtreten, um der nächsten Platz zu machen, die den Veränderungen der Umwelt angepasst ist."

Was er damit meint, hat vor vielen Jahren einmal der längst selbst verstorbene Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth erklärt: "Ohne Tod gäbe es keine Evolution. Die Evolution ist außerstande, auch nur ein einziges Lebewesen zu verändern. Jedes stirbt mit derselben genetischen Ausstattung, mit der es auf die Welt kam. Evolution kann nur in der Abfolge einander ablösender Generationen stattfinden. Eine Generation kann aber nur dann auf die andere folgen, wenn diese andere ihr durch ihr Verschwinden den Platz freimacht."

Und doch gibt es die Versuche, die Illusionen, sich wenigstens ein bisschen unsterblich zu machen. Etwa durch Kryonik, mittels derer der eigene Körper oder auch nur der eigene Kopf bei minus 160 Grad eingefroren wird, um eines Tages wieder zum Leben erweckt zu werden. Beneke hält es für Lebenszeitverschwendung, sich mit so etwas zu beschäftigen. Der einzelne Mensch solle sich nicht zu wichtig nehmen. "Sich für den Schönsten und Wichtigsten zu halten, darüber kann ich nur lachen."

Diskutiert wird in dem Film auch eine zumindest aufgeschobene Sterblichkeit – dass man weiter existiert durch seine Nachkommen. Oder dass die eigenen Werke, ein Buch oder ein Kunstwerk noch Jahre nach dem eigenen Tod rezipiert werden. Solche Gedanken hatte schon Woody Allen weggewischt, als er sagte: "Ich will nicht in meinen Büchern und Filmen weiterleben, sondern in meinem Appartement."

Für Wetz, der sich in seinem Buch "Tot ohne Gott" (Alibri Verlag) intensiv mit dem Thema befasst hat, machen sich Menschen ehrlich, wenn sie sich anonym beerdigen lassen. An Orten, wo nichts mehr an sie erinnert. "Ein anonymes Urnengrab nimmt nur vorweg, was 30 Jahre später ohnehin eintritt: Es gibt keine Erinnerungszeichen mehr." Eine pompöse Bestattung dagegen vermittle nur den Eindruck der Hilflosigkeit gegenüber der Grausamkeit des Ereignisses, das mit bunten Blumen überdeckt werden soll.

Foto: © Eva Creutz
Von rechts: Philosoph und gbs-Beirat Franz Josef Wetz, Regisseur Moritz Terwesten und Ricarda Hinz vom Düsseldorfer Aufklärungsdienst. Foto: © Eva Creutz

Alles in allem keine schönen Aussichten. Philosoph Wetz nimmt eine sprachliche Anleihe bei den Religionen, wenn er das Wort "Demut" in den Mund nimmt: "Wir können dem Tod sein Gewicht nehmen, wenn wir uns klar machen: Ich bin sehr sehr klein, marginal, ein Klecks im Weltall. Das nimmt meinem Leben sein Gewicht und damit auch meinem Tod." Mit dem Tod könne man sich nur arrangieren, "mehr ist nicht drin".

Da haben die Religionen mit ihren Heilsversprechen wahrlich mehr zu bieten. Mark Wrede, der sympathische säkulare Bestatter, der auch in dem Film interviewt wird und sich selbst als Atheist bezeichnet, ist sich selbst nicht sicher, wie er mal drauf sein wird, wenn das letzte Stündlein für ihn geschlagen hat. Ob er dann vielleicht glaubt: "Den Typ da oben gibt es doch."

Nach dem Film stellten sich Regisseur Moritz Terwesten und Philosoph Franz Josef Wetz, der auch Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung ist, im Kinosaal den Fragen des Premierenpublikums. Zuschauerin Adelheid Wich, Mitglied im Düsseldorfer Aufklärungsdienst, kritisierte, dass hier ausschließlich Männer interviewt wurden und brachte es so auf den Punkt: "Für mich ist das ein Film von Männern für Männer mit Männern. Er zeigt die Denkweise von Männern, dieses Beleidigtsein durch den Tod, etwas schaffen zu wollen für die Ewigkeit, sich nicht damit abzufinden." Und dann sagte die Düsseldorferin: "Ich habe zehn Jahre als säkulare Trauersprecherin gearbeitet, für mich ist es sehr beruhigend, dass das Leben irgendwann zu Ende ist, so wie jedes schöne Erlebnis. Dann schläft man ein und dann ist gut." Dieses Statement, zumal von einer Frau, hätte auch dem Film gut getan.„"

Siehe dazu auch: "Sterben ohne Gott"

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