Schleswig-Holstein kürzt Schulunterricht – aber nicht in Religion

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Das Land Schleswig-Holstein kürzt mit Beginn des nächsten Schuljahres die Unterrichtsstunden in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern Geschichte, Erdkunde und Wirtschaft-Politik. Dagegen wird das Fach Religion weiterhin im gleichen Umfang unterrichtet. Kritik an dieser Bevorzugung kommt von der SPD-Opposition im Landtag. Der Zentralrat der Konfessionsfreien weist zudem auf die fragwürdige Rolle des religiösen Bekenntnisunterrichts an öffentlichen Schulen hin.

"Halleluja und willkommen im Jahr 2025", resümiert Martin Habersaat gegenüber dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. "Nach 300 Jahren Aufklärung ist Religion künftig bis Klasse 10 die stärkste Gesellschaftswissenschaft", so der bildungspolitische Sprecher der Oppositionspartei SPD im schleswig-holsteinischen Landtag. Zukunftsorientierte Bildung stelle man sich anders vor.

Anlass ist eine umstrittene Entscheidung der CDU-Regierung in dem Bundesland. Um Lehrerstellen zu sparen, kürzt das Bildungsministerium ab dem kommenden Schuljahr die Unterrichtsstunden in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien. Gemeinschaftsschulen müssen dann statt der gegenwärtigen 188 nur noch 182 Wochenstunden unterrichten, Gymnasien 176 statt 180. Der Runderlass des Bildungsministeriums sieht für gesellschaftswissenschaftliche Fächer in den Klassen 5 bis 10 mindestens 22 Stunden vor. Davon müssen mindestens sechs das Fach Religion umfassen, vier weitere sind für Wirtschaft-Politik vorgesehen. Keine Vorgaben gibt es für Geschichte und Erdkunde.

"Und das in Zeiten, in denen Schüler sich mehr politische und politisch-historische Bildung wünschen", kritisiert Habersaat. "Gerade in Zeiten großer Herausforderungen wie Migration, wachsender sozialer Ungleichheit oder Klimawandel müssen die Schüler dazu befähigt werden, sich an politischen Prozessen aktiv zu beteiligen. Dazu muss die politische Bildung in den Mittelpunkt gerückt werden."

Aber ist die Kürzung bei den anderen sozialwissenschaftlichen Fächern überhaupt rechtens? Selbstverständlich, sagt die CDU-Landesregierung und verweist auf ein Übereinkommen zum Unterrichtsumfang, auf das sich die Kultusminister der Länder verständigt haben. In der Vergangenheit habe Schleswig-Holstein die Vorgaben sogar übererfüllt.

Und der Religionsunterricht? Dort dürfe gar nicht gekürzt werden, erklärt eine Sprecherin der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien. Die Mindestanzahl der Religionsstunden sei in den Staatskirchenverträgen festgeschrieben und "nicht verhandelbar". Die rechtlichen Verstrickungen zwischen staatlichen Bildungsvorschriften und kirchlichen Interessen werden aus säkularer Perspektive seit Langem diskutiert. Der Fall Schleswig-Holstein ist nur das jüngste von unzähligen Beispielen, die es anmahnen, überholte Strukturen zu überwinden. Dazu Philipp Möller, Vorsitzender beim Zentralrat der Konfessionsfreien: "Deutschland ist ein bekenntnisfreier Staat, und in einem bekenntnisfreien Staat sollten staatliche Schulen selbstverständlich auch bekenntnisfreie Schulen sein – und die müssen laut Grundgesetz keinen konfessionellen Religionsunterricht anbieten."

Gegenwärtig gewährt nur die sogenannte Kontingentstundentafel den Schulen einen gewissen Spielraum bei den Stundenzahlen. Das bedeutet, eine Schule kann einige der Unterrichtsstunden pro Fach auf verschiedene Schuljahre verteilen. Beispielsweise darf ein Teil der Religionsstunden, die für höhere Stufen vorgesehen sind, bereits in den Stufen 5 und 6 unterrichtet werden. Theoretisch können Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein anstelle von Religion auch das Fach Philosophie wählen, das mit gleichem Stundenumfang eingeplant ist. Für viele steht diese Option jedoch nur auf dem Papier. Darauf weist der Kritiker Martin Habersaat hin: Es fehlt hier an Lehrkräften, mehr noch als in anderen Fächern.

Es ist wohl an der Zeit, den konfessionellen Religionsunterricht grundsätzlich zu überdenken. "Schulen sollen Erkenntnisse vermitteln, keine Bekenntnisse", stellt Philipp Möller klar. Der Zentralratsvorsitzende regt an, anstelle eines konfessionellen Religionsunterrichts in der Schule künftig umfassende Informationen über verschiedene Religionen zu vermitteln. "Wer Religion nicht versteht, kann die Welt nicht verstehen", so Möller weiter.

Indem konfessioneller Religionsunterricht statt Information und Aufklärung lediglich die religiösen Bekenntnisse der jeweiligen Konfession vermittle – und das separiert nach Glaubensrichtungen –, verletze er die Religionsfreiheit von Kindern und stehe der Integration im Wege. Möllers Appell: "Kinder sollten gemeinsam lernen und nicht nach dem Glauben ihrer Eltern getrennt werden. Die Vermittlung religiöser Bekenntnisse hat an Schulen nichts verloren und sollte nicht aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt werden."

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