Notizen aus Belgien und Luxemburg

Einwanderer von Lier erklären Kalten Frieden.                 


LIER, 12. Februar. Als Reaktion auf das im Januar verhängte Kopftuchverbot

in öffentlichen Räumen der Stadt (hpd berichtete) kündigte die Gemeinschaft der Einwanderer von Lier jede Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung auf. Da nur über das Kopftuch und nicht über andere religiöse Zeichen diskutiert werde, fühle sich die islamische Gemeinschaft diskriminiert. Man habe daher alle gemeinsamen interkulturellen Aktivitäten für 2008 abgesagt. (Niederländisch)

Islamischer Politiker wirft Juden mangelnde Integration vor

ANTWERPEN, 29. Januar. Nach den Protesten einiger jüdischer Gemeinden gegen ein Buch über Hitler, das von einem Antiquariat in Antwerpen angeboten worden war, wirft der islamische Politiker Hicham El Mzairh den Juden mangelnde Bereitschaft zur Integration vor. Er empfindet es als Heuchelei, wenn Juden problemlos eigene Schulen mit Abzäunungen bauen dürften, während man Muslime an ähnlichen Vorhaben ständig behindere. El Mzairh sagte, er habe sich bisher stets für die Integration der Muslime eingesetzt, könne dies aber bald nicht mehr tun. Die Politik wende unterschiedliche Maßstäbe bei der Behandlung religiöser Minderheiten an, weil sie Angst vor dem Vorwurf des Antisemitismus habe. (Niederländisch)

Verbot von Fernsehsendern gefordert

FLANDERN, 12. Februar. Nach Auffassung der jüdischen Gemeinschaft verbreiten arabische Satellitensender Programme, die öffentlich zu Judenhass und Terror aufrufen. Da man diese Sendungen auch in Flandern empfangen kann, wurde die flämische Regierung aufgefordert, nach dem Vorbild Frankreichs die Sender zu verbieten. Sollten die Vorwürfe stimmen, so wäre Mohamed Chakkar, Chef des Marokkanischen Vereins Belgiens, mit einer solchen Aktion einverstanden. (Niederländisch)

Kopftuchverbot und Kreationismus

BRÜSSEL, 4. Februar. Der Chefredakteur des französischsprachigen Fernsehens in Belgien Jan De Troyer äußerte sich zum aktuellen Verhältnis von Politik, Staat und Religion. In einem Kommentar sagte er, dass das in einigen flämischen Städten geltende Kopftuchverbot zur Verschärfung religiöser Konflikte und zur Stärkung der politischen Rechte führen könne. In Gent sei der Verbotsbeschluss sogar nur mit den Stimmen der rechtsradikalen Partei „Vlaams Belang“ zustande gekommen. Damit wurde das im politischen Belgien hochgehaltene Prinzip des „Cordon sanitaire“ (das In-Quarantäne-Halten rechtsradikaler Parteien) durchbrochen.

Gleichzeitig drohe die von vielen Linken angestrebte Trennung von Staat und Kirche, die muslimische Identität zu provozieren und die Macht religiöser Denkweisen zu stärken. In diesem Zusammenhang verwies De Troyer auf den zunehmenden Einfluss des Kreationismus. Bereits 20 Prozent der flämischen Schüler hielten die Evolutionstheorie für falsch. Das flämische Fernsehen strahlte einen Dokumentarfilm über eine Klasse aus, in der sogar Zweidrittel aller Schüler allein die Schöpfungslehre akzeptierten. Kinder aus islamischen Familien beriefen sich dabei auf entsprechende Stellen im Koran.

Aus Angst vor den Rechtsextremen führe die Politik keine Debatte über die notwendige Anpassung des Islams an eine pluralistische und laizistische Gesellschaft. Diese Diskussion werde auch durch den oberflächlichen Kopftuchstreit geradezu verhindert. (Französisch)

Prügelnde Lehrer

ANTWERPEN, 4. Februar. Zwei Lehrer und ein Aufseher einer Koranschule müssen sich vor der Strafkammer wegen Kindermisshandlung verantworten, weil sie ihre Religionsschüler mit körperlicher Züchtigung bestraft haben sollen. Die Untersuchung wurde aufgrund einer Klage des katholischen St. Norbertus-Instituts eingeleitet, wo die Kinder zur Schule gehen. Sie hatten dort erzählt, in der Koranschule mit einem Gummischlauch geschlagen worden zu sein, wenn sie ihre Lektion nicht konnten, etwas naschten oder im Unterricht schwatzten. (Niederländisch)



Muslimexekutive noch repräsentativ?

BRÜSSEL, 1. Februar. Die Muslimexekutive, Vertretung der islamischen Gemeinschaft in Belgien, bekommt 2008 keine öffentlichen Gelder mehr. Ende 2007 fand eine gerichtliche Untersuchung wegen Betrugs in der Organisation statt (hpd berichtete). Daraufhin hatte die Föderation der Moscheen gefordert, den Vorstand der Muslimexekutive zu entlassen. Nachdem nun mehr als die Hälfte des Vorstandes gekündigt hat, sei laut Justizminister Jo Vandeurzen die Repräsentativität der Exekutive nicht mehr gewährleistet. Wenn es in Kürze keine andere Lösung für die Muslimexekutive gebe, könnte die Lage kritisch werden. Laut Beyazgül, dem Vorsitzenden der Exekutive, sei man nicht in der Lage, die finanzielle Krise ohne Subventionen des Justizministeriums zu bewältigen. (Niederländisch) (Niederländisch)

Keine Ablehnung männlicher Gynäkologen

BRÜSSEL, 2. Februar. Der Verband Belgischer Gynäkologen hat einen Verhaltenskodex entwickelt, um im Fall schneller medizinischer Hilfe zu verhindern, dass das Geschlecht des Gynäkologen wählbar sei. Bisher verweigern manche Männer aus Einwandererfamilien die Behandlung ihrer Frauen durch männliche Frauenärzte (hpd berichtete). Schwangere, die sich in einer Entbindungsklinik eintragen, werden nun schriftlich ihr Einverständnis erteilen müssen, sowohl von weiblichen als auch männlichen Ärzten behandelt zu werden. Bei Verstoß kann die Einrichtung polizeiliche Hilfe beantragen. Die Regelung soll im Frühjahr in Kraft treten. (Niederländisch)

Für und Wider zur Hymenalrekonstruktion

BELGIEN, 13. Februar. Obwohl die Kosten für einen operativen Eingriff, bei dem ein beschädigtes oder fehlendes Hymen der Frau wiederhergestellt wird (sogenannte Hymenalrekonstruktion), in Belgien von der Krankenkasse nicht erstattet werden, ist eine Rückzahlung dennoch möglich. Und zwar, wenn der Arzt die Notwendigkeit der Operation aufgrund psychischer Komplikationen nach einer Geburt bescheinigt. Die Institution für soziale Sicherheit INAMI hat daher 2.760 solcher Eingriffe 2004 finanziert, doppelt so viele wie im Jahr 2000. Eine Operation kostet durchschnittlich 2.100 Euro. In den meisten Fällen kommt es jedoch nicht zu einer Erstattung, weil die Frauen anonym bleiben wollen.

Der Gynäkologe Rock Goerding, der in seiner Klinik Hymenalrekonstruktionen durchführt, schätzt, dass 75 Prozent seiner Patientinnen Kinder aus der zweiten oder dritten Generation von marokkanischen oder türkischen Immigranten seien. Doch nicht alle Ärzte befürworten diesen Eingriff. 2006 hat zum Beispiel der Gynäkologenrat von Frankreich Ärzten empfohlen, diese Operation abzulehnen und Patientinnen besser darin zu bestärken, den Eingriff als missbräuchliche Tradition abzulehnen. (Französisch)

Steigende Zahl von Fällen genitaler Verstümmelung

ANTWERPEN, 1. Februar. Khadidiatou Diallo, Vorsitzender der Vereinigung GAMS, die sich für die Abschaffung der sexuellen Verstümmelung einsetzt, berichtet, dass sich die Hilfeersuchen betroffener Frauen 2007 gegenüber 2006 erneut verdoppelt haben. Viele Frauen wollen einen solchen Eingriff bei ihren Töchtern verhindern.

In Belgien ist die Beschneidung von Frauen verboten. Daher werden Mädchen pro forma in Urlaub in ihre Heimatländer geschickt. Dort komme es vor, dass Babys ohne Betäubung verstümmelt werden, sagt Fabienne Richard, Hebamme am Institut für tropische Krankheiten.

GAMS schickt Mütter, die sich in Sorge um ihre Töchter an die Organisation wenden, zu einem Gynäkologen, damit dieser das Kind untersucht und schriftlich erklärt, dass das Mädchen nicht beschnitten sei. In der Folgezeit soll der Zustand des Kindes regelmäßig kontrolliert werden. Stellt der Arzt eine Beschneidung fest, so leitet GAMS eine strafrechtliche Verfolgung ein. (Niederländisch)

Ehrendoktorwürde für Kampf um die Menschenrechte

LÖWEN, 1. Februar. Die Katholische Universität Löwen (UCL) hat der Tunesierin Souhayr Belhassen, der Vorsitzenden der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH), die Ehrendoktorwürde für ihren Kampf um die Menschenrechte verliehen. Frau Belhassen appellierte an die Öffentlichkeit, sich verstärkt gegen sexuelle Verbrechen einzusetzen.

In der Demokratischen Republik Kongo gab es beispielsweise 43.000 nachgewiesene Vergewaltigungen allein in den letzten 2 Jahren. Jede Frau wurde im Durchschnitt von 4 Männern vergewaltigt. Das Alter der Opfer reiche von 3 Monaten bis zu 70 Jahren. Die FIDH kämpfe insbesondere gegen die Straflosigkeit solcher Taten, die auch nach dem Friedensvertrag im Goma im Kongo immer noch nicht als Verbrechen eingestuft worden seien.

Tatsächliche Fortschritte seien laut Frau Belhassen nur auf Basis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und unter Negierung religiöser Prinzipien möglich. (Französisch)

Belgier warten auf Sterbehilfe

ZÜRICH, 6. Februar. Zurzeit stehen 23 Belgier auf der Liste der schweizerischen Sterbehilfeorganisation „Dignitas“. Deren Klinik in Zürich betreut heute 6.000 Menschen, fast doppelt so viel wie 2006. Bis jetzt hat hier nur ein Belgier unter Begleitung Selbstmord begangen. In Belgien wird eine derartige Sterbebegleitung noch als „Verweigerung von Hilfe an Menschen in Not“ bestraft. Ludwig Minelli, der Direktor der Züricher Klinik, betrachtet seine Institution aber als Einrichtung gegen den Selbstmord. Weil offen über diese Möglichkeit gesprochen werde, änderten 70 Prozent der Klinikbesucher ihre Absicht. (Niederländisch)

Adoption durch homosexuelle Paare kaum möglich

WALLONIEN, 8. Februar. Trotz des liberalen Adoptionsgesetzes vom Juli 2006 ist es bis jetzt keinem homosexuellen Paar im frankophonen Wallonien und Brüssel gelungen, ein Kind zu adoptieren. In Flandern gelang dieser Schritt in nur 5 Fällen. Komplizierte Verfahren, u. a. tagelange Lehrgänge und juristische Gutachten, sowie diskriminierende Regeln im Ausland blockieren jeden Antrag. Nur Südafrika und die USA gestatten die Adoption von Kindern durch ausländische homosexuelle Paare. (Französisch)

Was kostet den Belgier seine Weltanschauung?

BRÜSSEL, 11. Februar. Jeder Belgier zahlt 56 Euro im Jahr an Subventionen für weltanschauliche Organisationen. Davon bekommen die Religionslehrer mit 28 Euro mehr als die Hälfte, die Prediger (Pastoren, Imame, Rabbiner) 10 Euro, die Geistlichen in Rente 3 Euro und 11 Euro gehen an kirchliche Einrichtungen. Ein Euro wird anteilsmäßig für Instandhaltungsarbeiten aufgewendet, 3 Euro für „diverse Ausgaben“. Drei Viertel der öffentlichen Zuschüsse (insgesamt 600 Million Euro) bekommt die katholische Kirche; mit 11,4 Prozent sind die freisinnigen Institutionen zweitwichtigster Subventionsempfänger; 6,5 Prozent erhalten islamische Organisationen und 4,1 Prozent die Protestanten. (Niederländisch)

Professor soll Evolutionslehre retten

GENT, 30. Januar. Die Universität Gent hat dem Philosophen Johan Braeckmann ein Budget von 200.000 Euro zur Verfügung gestellt, damit er die Evolutionslehre verteidige und die Flamen vor dem Kreationismus und Lehren wie „Intelligent Design“ schütze. Ende 2007 warnten Professoren mehrerer flämischer Universitäten vor einem „Feldzug des Intelligent Design“ Zunächst will Braeckmann die Problematik analysieren, um dann eine Reihe von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit wie eine Website, Lesungen usw. organisieren zu können. (Niederländisch)

Erwachsene wollen Taufe oder Firmung

BELGIEN, 12. Februar. Laut einer Analyse der Zeitschrift „Tertio“ bereiten sich 164 erwachsene Männer und Frauen auf die Taufe oder Firmung in diesem Jahr vor. 2007 waren es 181 Kandidaten. Daneben gebe es eine nicht genau bekannte Zahl sogenannter „Erneuter“ d. h. von der Kirche entfremdete Menschen, die „erneut“ zu ihr kommen. Dieses Phänomen sei auch in Frankreich zu beobachten, wo in diesem Jahr etwa 2.750 erwachsene Täuflinge erwartet werden. (Niederländisch)

Wettlauf der Prediger

LUXEMBURG, 4. Februar. Pastoren, Rabbiner, Imame und andere religiöse Prediger können am 3. Mai in Luxemburg beim Wettkampf um den „schnellsten Geistlichen Europas“ teilnehmen. 2007 hatte der deutsche Pastor Matthias Vosseler den Titel gewonnen. Er lief den Marathon in 2 Stunden und 47 Minuten. Organisator ist der Rat der Kirchen des Großherzogtums Luxemburg. (Niederländisch)

Rudy Mondelaers