Notizen aus Russland

In dieser Ausgabe lesen Sie unter anderem, wie dramatisch sich die weltweite Finanzkrise auf Russland auswirkt, wie das Land mit der Zarenfamilie und Stalin als historischem Erbe verfährt, welche strategischen Kooperationen es mit Indien und Venezuela eingeht und wie russische Behörden Lesben und Schwule schikanieren.

Wohin rollt der Rubel?

MOSKAU, 7. Oktober. Am Montag ging wieder ein Börsen-Beben um die Welt: Doch während auf den Märkten von Tokio über Europa bis New York Kursverluste von 4 bis 7 Prozent bereits als Katastrophe angesehen werden, war in Russland alles noch deutlich heftiger. Trotz mehrerer Handelsstopps rutschten der RTS und der Micex jeweils um etwa 19 Prozent ab. Der RTS-Index rangiert jetzt nur noch bei 866 Punkten. Noch im Mai hatten die Moskauer Börsianer einen Spitzenwert von 2490 Punkten zu feiern gehabt.

Jetzt ist der ganze Markt nur noch ein Drittel wert, da Investoren aus aller Welt ihre Mittel abziehen und auf den Börsen schlichtweg Panik herrscht. Besonders betroffen sind die Standardwerte des russischen Marktes: Norilski Nikel ging gleich um 30 Prozent in die Knie, Rosneft, die Sberbank und die VTB um etwa 24 Prozent und die Energiegiganten Gazprom, Lukoil und Surgutneftegaz um etwa 20 Prozent.

Die russische Regierung berät inzwischen über Gegenmaßnahmen, die jetzt nicht mehr nur in neuen Finanzspritzen für Banken und strauchelnde Unternehmen bestehen sollen. Finanzfachleute bemängelten, dass von den vom Staat für Überbrückungen zur Verfügung gestellten 500 Mrd. Rubel „ein großer Teil des Bankensektors nichts abbekommen“ habe – oder dass die Mittel zu langsam fließen würden, um jetzt noch etwas zu retten.

Russland drohen inzwischen ernsthafte wirtschaftliche Probleme aus der aktuellen Finanzkrise: Der deutlich sinkende Ölpreis von unter 90 Dollar pro Barrel lässt die Einnahmen auch des Staates einbrechen. Aufgrund der zusätzlichen Geldmittel im Umlauf droht ein Inflationsschub. Außerdem muss reihenweise mit Bankrotts bei Banken und auf große Kreditsummen angewiesenen Unternehmen gerechnet werden.

Die Immobilien- und Baubranche, bislang einer der Motoren des russischen Booms, friert gegenwärtig massenhaft ihre geplanten oder schon begonnenen Großprojekte ein.
(Deutsch)

Zarenfamilie rehabilitiert

MOSKAU, 1. Oktober. Nach einem langjährigen Rechtsstreit mit den Nachkommen der Romanow-Familie hat der Oberste Gerichtshof die Zarenfamilie als Opfer von politischen Repressalien anerkannt. In der Urteilsverkündigung wird angeführt, man habe beschlossen, „die ungerechtfertigte Repressalie“ gegen Zar Nikolaus II. und seine Familie „anzuerkennen und sie zu rehabilitieren“.

Dieses Urteil hebt die Entscheidung der russischen Generalstaatsanwaltschaft auf, die eine Rehabilitierung abgelehnt hatte. Das Argument: Es habe keinen Prozess gegen die Zarenfamilie gegeben. Vielmehr seien die Monate lange Haft und die Erschießung von sowjetischen Machtorganen sanktionierte Willkürmaßnahmen gewesen.

Die russisch-orthodoxe Kirche hatte sich lange Zeit dafür eingesetzt, die Zarenfamilie zu Opfern politischer Repressalien anzuerkennen. Nach dem neuen Urteil sagte ein Sprecher des Moskauer Patriarchats: „Diese Entscheidung kann man nur begrüßen.“

Die Zarenfamilie war im Juli 1918 in Jekaterinburg von einem Komitee der Bolschewiki erschossen worden, ihre Überreste hatte man in einem Waldstück in der Nähe der Stadt verscharrt. Erst 1991 wurden die Leichen entdeckt und schließlich nach Petersburg gebracht, wo sie 1998 feierlich in der Peter-Pauls-Kathedrale beigesetzt wurden. Im Jahr 2000 sprach die russisch-orthodoxe Kirche die Zarenfamilie als Märtyrer heilig. Am Fundort der Leichen bei Jekaterinburg wurde inzwischen ein Kloster errichtet. (Deutsch)

Romanow-Straßen statt Leninplätzen?

MOSKAU, 2. Oktober. Nach Auffassung der Union orthodoxer Bürger verbiete es die Rehabilitierung der Zarenfamilie, dass weiterhin Straßen, Städte und Metrostationen zu Ehren von Vertretern der Bolschewiki existierten. Nicht nur Ausführende, sondern auch Auftraggeber der Ermordung der Romanows seien mit dem juristischen Urteil nunmehr offizielle Verbrecher und ihre Vergehen nicht verjährt, erklärte Kirill Frolow, Chef des Moskauer Verbands der Union orthodoxer Bürger: „Daher sind Straßennamen und ein ewiges Gedenken ihnen zu Ehren, indem weiter Lenin-Prospekte und -straßen sowie unzählige Lenin-Denkmäler existieren, einfach absurd.“

Frolow schlug vor, ab sofort Straßen zu Ehren ehemaliger Zaren, Büßer und Märtyrer zu benennen sowie ihnen zu Ehren Denkmäler zu errichten. In einer Zeit der historischen Herausforderungen für das russische Volk sei es wichtig, die religiöse und nationale Identität zu formieren. Doch seiner Auffassung nach sei es nicht möglich, eine einheitliche Identität zu entwickeln, solange sich politische Entscheidungen und Straßennamen widersprächen. (Russisch)

Der „Große Terror“ und seine Folgen

MOSKAU, 26. September. Unter diesem Titel soll ein neues Lehrerhandbuch Pädagogen dabei unterstützen, den 30. Oktober, den Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressalien, in den Schulen würdig zu begehen.

Die Handreichung enthält Material zur Gestaltung eines Unterrichts über die Periode der Repressalien von 1937/38, des Weiteren Thesen der Gesellschaft „Memorial“ zum Thema „Das Jahr 1937 und das heutige Russland“ sowie Dokumente über den „Großen Terror“ unter Stalin.

Einer der Autoren betonte: „Im Lehrprogramm, nach welchem ich noch vor einigen Jahren unterrichtet wurde, behandelte man die 1930er Jahre vor allem unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Entwicklung der UdSSR. Die Schüler von heute bewerten Stalin immer häufiger positiv und bezeichnen ihn als ‚effektiven Manager‘, wobei sie nichts vom Großen Terror wissen.“

Mehrere Organisationen haben ergänzend die Aktion „Erinnere dich an 1937!“ ins Leben gerufen, um die Erinnerung an die tragische totalitäre Vergangenheit Russland wach zu halten. (Russisch)

Zwei Drittel der Russen glauben an Irrationales

MOSKAU, 7. Oktober. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Moskauer „Lewada-Zentrums“ glauben 63 Prozent der Russen an Vorhersehungen, 59 Prozent an Vorhersagen und 66 Prozent an den bösen Blick und das Verderben. Der Anteil dieser Menschen sei in den letzten Jahren angestiegen, nachdem er Mitte dieses Jahrzehnts etwas zurückgegangen war.

Außerdem glauben 40 Prozent der Russen an religiöse Wunder, 33 Prozent an ein Leben nach dem Tod und 36,8 Prozent an übersinnliche Erscheinungen. (Russisch)

Religionsunterricht nicht verfassungskonform

MOSKAU, 1. Oktober. Im Nowopuschkinski-Park von Moskau fand eine Mahnwache gegen die Einführung des neuen Schulfachs „Grundlagen der orthodoxen Kultur“ (GOK) statt. Die Aktion mit 10 Teilnehmern war von den „freien Radikalen“ organisiert worden, die mit einem Transparent „Wir fordern die Einhaltung der Verfassung“ erschienen waren. Ferner mahnten Plakate mit Aufschriften wie „GOK-Stunden haben in der Schule nichts zu suchen“ und „Russland ist ein weltlicher Staat“.

Gegenüber einem Korrespondenten des Bürgerrechtsportals kasparow.ru erklärten die Teilnehmer der Aktion, dass GOK eine Verletzung der Verfassung darstelle und man diese ändern müsse, wenn es in den Schulen eingeführt werden soll. Doch Russland sei ein weltlicher Staat, dessen Schulen von den Steuerzahlern finanziert würden, und daher müsse man bei der Einführung ein solchen Fachs nicht nur die Meinung der Kirche, sondern aller Bürger anhören. Gegenwärtig werde auch eine Unterschriftensammlung gegen die Einführung von GOK durchgeführt. (Russisch)

Besondere Kindheit

SYKTYWKAR, 29. September. 15 Familien von Kindern mit spezifischer Entwicklung haben mit Unterstützung der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ die Organisation „Besondere Kindheit“ gegründet. Sie soll die Rechte von Kindern schützen, die nicht in die Kategorie „normal“ fallen.

Vorerst gehören der Organisation nur Eltern von autistischen Kindern an, die an extremem Alleinsein und völliger Zurückgezogenheit leiden, und denen es daher schwerfällt, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen.

Als erste Maßnahme plant „Besondere Kindheit“, das nach der Europäischen Menschrechtskonvention verbriefte Recht auf Bildung für ihre Kinder durchzusetzen. Derzeit ist es gängige Praxis, dass autistische Kinder nicht in Kindergärten aufgenommen bzw. ihre Eltern gebeten werden, sie wieder zu sich zu nehmen, wenn der Verdacht auf Autismus besteht. Daher sind die meisten Mütter dieser Jungen und Mädchen nicht berufstätig.

Das Problem setzt sich an den Schulen fort; allen Kindern der Mitglieder von „Besondere Kindheit“ wird der Schulbesuch verwehrt. Hierzu sagte Julia Posewkina, Mitinitiatorin der neuen Organisation: „In Syktywkar herrschen keine Voraussetzungen für die Bildung solcher Kinder. Hätten seinerzeit ein Albert Schweitzer, Bill Gates oder Jerome Salinger keine Schulbildung erhalten, hätte die Welt bis heute nichts von der Relativitätstheorie, dem Betriebssystem von Microsoft oder dem Buch ‚Der Fänger im Roggen‘ gehört, denn deren Urheber litten an Autismus.“

Die Organisation will ihre Tätigkeit zum Schutz der Rechte aller Kinder ausbauen, denen Rechte nur deshalb verweigert werden, weil sie anders als andere sind oder bestimmte Einschränkungen haben. (Russisch)

Brennende Fragen der Gesellschaft

MOSKAU, 28. September. In Moskau fand die Russische Landeskonferenz „Gericht und Korruption – brennende Fragen der russischen Gesellschaft“ statt, die vom Allrussischen Bürgernetzwerk und der Moskauer Helsinki-Gruppe organisiert sowie von der Europäischen Kommission für Menschenrechte unterstützt worden war. 279 Teilnehmer aus mehr als 50 Regionen Russlands von 144 gesellschaftlichen Organisationen debattierten über die soziale, politische, wirtschaftliche und moralische Krise des Landes sowie die Rolle nichtstaatlicher Organisationen, um das Land voranzubringen und zu schützen.

Dr. Jewgeni Gontmacher, Leiter des Zentrums für Sozialpolitik am Wirtschaftsinstitut der Russischen Akademie, betonte, dass der lange von den staatlichen Medien verbreitete Mythos der stabilen Lebenslage zusammengebrochen sei: die Inflation steige, der Lebensstandard sinke sogar nach offiziellen Angaben, die Finanzkrise habe zu einer Steigerung der Lohnkosten geführt und notwendige Investitionen blieben aus.

Der Abteilungsleiter für sozialpolitische Studien des Moskauer „Lewada-Zentrums“, Boris Dubin, berichtete von jüngsten Umfragen seines Meinungsforschungsinstituts, nach denen 80 Prozent der Bevölkerung um sich herum nur Feinde sähen. Russland isoliere sich zunehmend von der übrigen Welt. Die Fremdenfeindlichkeit nehme zu, drei Viertel der Bevölkerung betrachteten sich als ungeschützt und würden mit Ungewissheit in die Zukunft sehen.

Besonders hoch sei die Bereitschaft der Menschen (bis zu 60 Prozent), Probleme anstelle auf juristischem Weg durch Schmiergelder, mit Waffengewalt o. Ä. zu lösen, wobei man sich der Tatsache bewusst sei, dass dies nicht rechtens ist. Obwohl 30 Prozent der Bevölkerung sich darüber im Klaren seien, dass Passivität oder Bündnisse eines „Dagegenseins“ nichts brächten, sei gerade einmal 1 Prozent der Bevölkerung dazu bereit, sich in gesellschaftlichen Organisationen zu engagieren.

Nach Ansicht von Alexander Ausan, Institutspräsident des nationalen Projekts „Gesellschaftsvertrag“, habe sich die Krise in Russland durch die weltweite Finanzkrise noch verstärkt. Doch sei Russland nicht in der Lage, mit ihren Auswirkungen umzugehen und stelle somit den kritischsten Herd dieser Krise dar.

Derzeit sei das Hauptproblem des Landes die ideologische Suche und Wahl von Werten. In diesem Zusammenhang zog Ausan folgenden Vergleich: Während die Staatsmacht 2003 zu ihrer Stärkung die Losung vom „stabilen Staat“ ausgegeben hatte, sei heute von dieser Stabilität nichts mehr übrig geblieben, sodass der Staat an ihre Stelle das Motto der „Großmacht“ gestellt habe. (Russisch)

Werteerziehung

WORONESCH, 26. September. Die Bildungsbehörde der Stadt Woronesch und das Büro des Menschenrechtsbeauftragten der Russischen Föderation im Gebiet Woronesch haben eine Vereinbarung für das Schuljahr 2008/2009 darüber getroffen, eine Reihe von aktuellen Fragen wie die der Menschenrechte, Toleranz u. ä. unter Schülern und Studenten verstärkt zu thematisieren. Als konkrete Maßnahmen wurden spezielle Seminare, ein Filmfestival, Unterrichtszyklen und ein Wettbewerb vereinbart, um die Ideen der Toleranz, des Patriotismus, der Menschenrechte, des historischen Gedenkens und der Überwindung der totalitären Vergangenheit zu fördern. Die Veranstaltungen werden methodisch und finanziell von der Wohlfahrtsstiftung „Jugendbewegung für Menschenrechte“ unterstützt

Ähnliche Veranstaltungen wurden in Woronesch und anderen Regionen bereits 2006/2007 erfolgreich durchgeführt, damals im Rahmen der europäischen Kampagne „Alle anders – alle gleich“ und unter der Ägide des Menschrechtsbeauftragten der Russischen Föderation. (Russisch)

Russland und Indien im Hyperschall-Tempo

NEU DELHI/MOSKAU, 29. September. Russland und Indien werden eine Flügelrakete bauen, die mit vierfacher Schallgeschwindigkeit, also Mach-5, fliegt. Das erklärte nach einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow der indische Geschäftsführer des russisch-indischen Rüstungs-Joint Venture „Brahmos“ Sivathanu Pillai.

Die einfache Schallgeschwindigkeit oder Mach-1 – also die Geschwindigkeit, mit der sich Schall bei 15 Grad Celsius Lufttemperatur ausbreitet – beträgt 1.235 Stundenkilometer. Bei der neuen, russisch-indischen Flügelrakete vom Typ „Brahmos-2“ soll die Fortbewegungsgeschwindigkeit viermal so groß sein.

Wegen der hohen Geschwindigkeit wird die Flügelrakete laut Pillai jede Raketenabwehr problemlos überwinden – sie ist so schnell, dass sie nicht rechtzeitig erfasst und zerstört werden kann.

Russland und Indien haben bereits die Rakete „Brahmos“ entwickelt, mit der derzeit die indische Flotte und die indischen Landstreitkräfte ausgerüstet werden. (Deutsch)

Milliarden für Venezuela

ORENBURG, 26. September. Russlands Staatschef Dmitri Medwedjew traf sich am 26. September mit seinem Kollegen Hugo Chavez in Orenburg. Es war das zweite Treffen der beiden nach dem Amtsantritt Medwedjews. Insgesamt war Chavez schon sieben Mal in Russland.

Die beiden Länder haben ihre Kooperation in den vergangenen Jahren stark ausgebaut – insbesondere im Rüstungssektor. Zwischen 2005 und 2007 wurden Waffenlieferungsverträge in Höhe von umgerechnet 3 Mrd. Euro unterzeichnet. Chavez hatte in Russland u. a. Kampfflugzeuge vom Typ SU-30, Militärhubschrauber und 100.000 Kalaschnikow-Maschinengewehre gekauft. Im Gespräch ist der Kauf von U-Booten und Raketen.

Zudem gestattete Chavez den russischen Atom-Fernkampf-Bombern TU-160 zuletzt die Zwischenlandung in Venezuela, wofür sich Medwedjew in Orenburg herzlich bedankte. Die demonstrativ zur Schau gestellte Einigkeit in Rüstungsfragen, die vor allem in Washington Verärgerung auslösen dürfte, soll weiter fortgesetzt werden. So ist Moskau bereit, 1 Mrd. USD an Krediten für weitere Waffenkäufe zur Verfügung zu stellen.

Die Zusammenarbeit im Öl- und Rüstungssektor „garantiert die Souveränität Venezuelas, die derzeit von den USA bedroht wird“, bedankte sich Chavez. Für seine Waffenhilfe fährt Moskau nun die Rendite im Öl- und Gassektor ein. Der Bereich Energie soll zum zweiten Standbein der bilateralen Kooperation werden. Chavez und Russlands Premier Wladimir Putin, die sich bereits am 25. September trafen, vereinbarten eine stärkere Zusammenarbeit bei der Nutzung der Atomenergie.

Außerdem wollen Russland und Venezuela das weltweit größte Ölkonsortium gründen. Dies soll neue Lagerstätten in der Karibik erschließen. Zunächst werde das Konsortium in Venezuela arbeiten, später dann aber auch in anderen Ländern Lateinamerikas, erklärte Chavez dazu. In das Konsortium sollen der staatliche venezolanische Ölkonzern PDVSA, die russischen Petroleum-Unternehmen Lukoil, TNK-BP, Rosneft und der russische Gasmonopolist Gazprom einfließen. Bereits Ende Oktober kann Gazprom zudem eine Bohrinsel zur Gas-Förderung vor der Küste Venezuelas in Betrieb nehmen.

Zur Finanzierung der Projekte ist die Gründung einer russisch-venezolanischen Gemeinschaftsbank im Gespräch, die bei Bedarf die notwendigen Kredite vergeben kann. (Deutsch)

Behörden boykottieren Filmfestival

SANKT PETERSBURG, 2. Oktober. Das erste für den 2. bis 5. Oktober geplante schwul-lesbische Filmfestival „Seite an Seite“ ist gleich am ersten Tag „aus Brandschutzgründen“ untersagt worden. Bereits im Vorfeld mussten die Organisatoren ihre Veranstaltungsorte schon einmal wechseln, nachdem ihnen das Petersburger „Haus des Films“ und der Filmpalast „Pik“ Absagen erteilt hatten.

Nikolai Alexejew, Organisator der Gay-Pride-Demonstrationen in Moskau, erklärte hierzu, dass die russischen Behörden ihre Politik der Homophobie und der totalen Willkür fortsetzten. Nun hätten sie damit angefangen, nicht nur öffentliche Manifestationen sexueller Minderheiten, sondern auch Veranstaltungen, die hinter verschlossener Tür im privaten Raum stattfinden, zu unterbinden.

Weiter sagte er: „Ich habe die Idee des Petersburger Filmfestivals von Anfang an unterstützt, aber auch schon im Februar die Befürchtung ausgesprochen, dass die Behörden Willkür walten lassen und die Durchführung des Festivals aus technischen Gründen untersagen werden. Genau so ist es heute gekommen.“ (Russisch)

Staatsanwaltschaft prüft Polizei-Willkür

KRASNOJARSK, 12. September. Die Staatsanwaltschaft des Gebiets Krasnojarsk geht Beschwerden von Bürgern über eine sogenannte Spezialaktion nach, von der Ende August die Teilnehmer einer schwul-lesbischen Party überrascht worden waren.

Der zuständige Untersuchungsausschuss der Staatsanwaltschaft informierte die Opfer darüber, dass ihre Forderungen, die Mitarbeiter der Sicherheitsorgane wegen „unerlaubter Verfolgungs- und Verhörmethoden“ zur Verantwortung zu ziehen (unter anderem wurde ihnen mit Waffen und Nachtverhören gedroht), an die zuständige Abteilung zur Untersuchung besonders wichtiger Angelegenheiten weitergeleitet worden seien.

In der Nacht vom 30. auf den 31. August hatten die Krasnojarsker Sicherheitsorgane eine Razzia bei einer Party von Lesben und Schwulen im Klub „Hunter“ durchgeführt. Wie die Polizeiverwaltung des Krasnojarsker Gebiets dazu offiziell erklärt hatte, sei „die Festnahme und Bearbeitung von Personen mit nicht-traditioneller sexueller Orientierung Ziel der Spezialaktion“ gewesen. Dabei wurden 31 Personen verhaftet. Laut Aussagen der Opfer wurden sie getreten, beleidigt, fotografiert und nach ihren Adressen befragt. Außerdem kontrollierte die Miliz ihre Portemonnaies und die darin befindlichen Visitenkarten, las Kurznachrichten ihrer Mobiltelefone und nahm Fingerabdrücke von ihnen.

Das russische LGBT-Netz hat die gesellschaftliche Kontrolle der Untersuchungen übernommen. Sein Geschäftsführer Igor Petrow äußerte die Hoffnung, dass die Untersuchungen objektiv und gewissenhaft durchgeführt werden. „Nach dem Gesetz ist es nicht verboten, sich in einem Nachtklub aufzuhalten, auch nicht periodisch und systematisch. Was die dort ‚bearbeitet‘ haben, ist völlig unklar. Aus der offiziellen Erklärung der Polizeiverwaltung folgt, dass alle Schwulen aus Sicht der Krasnojarsker Miliz potenzielle Verbrecher sind“, sagte Petrow. Seinen Worten nach habe die Milizdirektion die massenweise Verletzung von Menschenrechten zugegeben.
(Russisch) und (Russisch)

 

Übersetzung: Tibor Vogelsang

Bild: 10-Rubel-Münze