(hpd) Ideengeschichtlich betrachtet wies die nationalsozialistische Ideologie auch eine Reihe von okkulten Prägungen auf, welche man weder ignorieren noch überschätzen sollte. Auch der Nachkriegsrechtsextremismus knüpfte nicht nur im deutsch-, sondern auch im englischsprachigen Raum an solche esoterischen und mystischen Inhalte an.
Dies veranschaulicht der britische Historiker Nicholas Goodrick-Clarke, Autor des Standardwerks „Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus“ (1985), in seinem neuesten Buche „Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Ausgrenzung“. Über dessen Absicht bemerkt er, es spüre den Quellen der rechtsextremen Ideologie nach und dokumentiere, „in welchen Ausformungen sie sich der Öffentlichkeit präsentiert hat und weiter präsentiert – nennen wir nur Arierkult, aristokratisches Neuheidentum und antisemitische Dämonologie; aber auch diverse Rückgriffe auf asiatische Religionen und den großen Bereich des Okkulten ...“ (S. 10f.).
In den 14 Kapiteln seines nahezu sechshundert Seiten umfassenden Werkes geht Goodrick-Clarke auf die unterschiedlichsten thematischen Aspekte von Arierkult, Esoterik und Rechtsextremismus nach 1945 ein: Zunächst behandelt er den Neonazismus in den USA und in Großbritannien sowie das Wirken entsprechender publizistischer Protagonisten in beiden Ländern. Dem folgen Ausführungen zu „Nazi-Mysterien“ in Gestalt von geheimnisvoll wirkenden Legenden und Behauptungen über Nazi-UFOs in der Antarktis. Rechtsextremistische Inhalte in der Black Metal- und White Noise-Musik sowie in dem besonderen NS-Satanismus stehen danach im Zentrum. Die letzten Kapitel widmen sich noch den Strömungen im Umfeld der Christian Identity-Bewegung und dem rassistischen Neoheidentum sowie der Verschwörungspropaganda um die Neue Weltordnung. Dazwischen geschaltet sind ausführliche Darstellungen einzelner Protagonisten dieses Denkens wie Savitri Devi, Julius Evola, Wilhelm Landig oder Miguel Serrano.
Der Autor meint: „Wenn Rechtsextreme politisch nicht weiterkommen, greifen sie gern ins Metaphysische, um ihren Gedanken sozusagen höhere Weihen und damit mehr Zugkraft zu verleihen. Mystik macht zumindest interessant“ (S. 12). Genau auf diesen Aspekt soll hingewiesen werden, geht es in der Studie doch vor allem um jene rechtsextremistischen Exzentriker, die für ein Weiterleben nazistischer Okkultismen nach dem Zweiten Weltkrieg eintraten und eintreten. „Das völkische ‚Revival’ ist ... gleichsam die rückwärtsgewandte Reaktion au den Siegeszug von Liberalismus und Globalisierung seit Beginn der 1980er Jahre“ (S. 18). Dessen Gefahren bestünden in dem behaupteten rigiden Dualismus, der nur zwischen Hell und Dunkel auch im Sinne des Rassismus traditioneller Prägung unterscheide. Als Gegenbewegungen zur Moderne könnten die gemeinten Gruppen vielleicht „Symptome größerer polarisierender Veränderungen“ (S. 576) innerhalb der aktuell noch als politisch gefestigt geltenden westlichen Demokratien sein.
Goodrick-Clarke legt mit seiner Studie ein überaus informatives und materialreiches Werk vor. Dabei referiert er kenntnisreich und souverän die wichtigsten Informationen zu den jeweiligen Akteuren und arbeitet deren ideologischen Hintergrund auf. Dadurch erhalten selbst die Kenner des Rechtsextremismus Informationen zu Entwicklungen, Organisationen und Personen, die bislang in dieser Systematik noch nicht präsentiert wurden. Endlich liegen somit auch Daten und Hintergründe zu Autoren vor, welche in Übersetzungen seit Jahren in deutschen rechtsextremistischen Verlagen präsent sind, ohne dass Hintergründe bekannt und Zuordnungen möglich waren (z.B. Eustace Mullins, Francis Parker Yockey). Überwiegend orientiert sich Goodrick-Clarke bei seiner Darstellung an der Beschreibung von einzelnen Personen und deren Wirken. Darüber hinausgehende besondere Analysen nimmt der Historiker aber leider nicht vor. Angesichts der beeindruckenden Materialfülle des Werkes ist es unverzeihlich, dass das Buch über kein Personen- und Sachregister verfügt.
Armin Pfahl-Traughber
Nicholas Goodrick-Clarke, Im Schatten der Schwarzen Sonne. Arische Kulte, Esoterischer Nationalsozialismus und die Politik der Abgrenzung. Aus dem Englischen von Ulrich Bossier, Katharina Maier und Michael Siefener, Wiesbaden 2009 (marixverlag), 576 S., 19,90 €