Notizen aus Russland

Russland unterstützt neues Emblem des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK).

Das 3. Ergänzungsprotokoll zur Genfer Konvention des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz

von 1949 ist von Russland unterzeichnet worden. Darin wird zusätzlich zu den bisherigen Emblemen – Rotes Kreuz und Roter Halbmond – der <Rote Kristall> als drittes offizielles Zeichen des IKRK für Staaten zur Verfügung gestellt, die sich nicht mehrheitlich oder eindeutig für eines der beiden religiös geprägten Logos entscheiden möchten. Das Außenministerium der Russischen Föderation erklärte hierzu, dass das neue Emblem die Universalisierung der internationalen Rotkreuz-Bewegung vorantreiben werde. Es könnten sich weitere nationale humanitäre Organisationen, die die bislang existierenden Embleme aus historischen oder anderen Gründen nicht verwendet haben, dem IKRK anschließen. <Originalartikel> (Russisch)

 

Protestanten protestieren

Die geistlichen Würdenträger der traditionellen Konfessionen in Russland wollen den Präsidenten und die Regierung um die Abschaffung der neuen Form der Finanzberichterstattung ersuchen, bei der die Religionen mit nichtstaatlichen Organisationen gleichgesetzt wurden. <Originalartikel> (Deutsch)

Russische Orthodoxie will Religionsunterricht in den Schulen

Patriarch Alexi II. von Moskau und ganz Russland hat erneut die Notwendigkeit betont, in den Schulen die Grundlagen der orthodoxen Kultur und Ethik zu unterrichten, und forderte die Lehreinrichtungen zur Zusammenarbeit mit der Kirche auf. <Originalartikel> (Deutsch)

Religionen im heutigen Russland - eine Übersicht

Mit der Christianisierung Russlands im Jahre 988 kann der Russische Staat als monokonfessionell und orthodox betrachtet werden. <Originalartikel> (Deutsch)

Protestaktion der Jugendbewegung "Naschi" gegen Extremismus

Nach den sich häufenden Morden und Gewaltaktionen an ausländischen Bürgern in Russland führten die Mitglieder der antifaschistischen Abteilung der Jugendbewegung "Naschi" („Die Unseren") mehrere Mahnwachen und eine Umfrage unter der Bevölkerung in St. Petersburg durch. Laut den Ergebnissen der Umfrage sind 37 Prozent der Befragten die Morde an Menschen aus rassenmäßigen und nationalen Gründen als eine Erscheinung des Faschismus gleichgültig.

"Auch der Anteil der Menschen, die offen nationalistische Ansichten vertreten, erwies sich mit 14 Prozent als erheblich", heißt es in einer auf der <offiziellen Website> (Russisch) der Bewegung veröffentlichten Meldung „Unsere Gesellschaft krankt an <Gleichgültigkeit und Intoleranz>" (Russisch).

Rund die Hälfte der Befragten - 49 Prozent - waren damit einverstanden, dass Hautfarbe und Nationalität kein Grund für Gewalt gegen einen Menschen sind. Die Notwendigkeit der Erziehung der heranwachsenden Generation im Geiste des Humanismus und der Achtung gegenüber den Vertretern anderer Nationalitäten erklärten 30 Prozent der Befragten.
Zugleich stellten 24 Prozent der Befragten als Vorschläge zur Lösung des Problems an die Vertreter anderer Nationalitäten und Rassen die Forderung, Russland zu verlassen. <Originalartikel> (Deutsch)

Russisch-orthodoxe Kirche zu HIV und AIDS

Wegen der steigenden Zahl neuer HIV-Infektionen in den Ländern der GUS hat die russisch-orthodoxe Kirche eine „Konzeption zu HIV und AIDS" veröffentlicht. Das Positionspapier macht die kircheneigenen Geistlichen mit der offiziellen Haltung ihres Dienstherrn zu der Immunschwäche vertraut und soll ihnen Hinweise im Umgang mit Betroffenen geben.

Das Dokument ist in folgende Abschnitte gegliedert:

  • Einführung
  • Teil 1: Theologische und ethische Aspekte der Krankheit
  • Teil 2: Organisatorische Aufgaben bei der Arbeit mit Menschen, die von HIV/AIDS betroffen sind, und mit deren Angehörigen
  • Teil 3: Zusammenarbeit mit Staat und Gesellschaft

Für den Außenstehenden illustriert die Konzeption eine ambitionierte Geisteshaltung und Machtbesessenheit der russisch-orthodoxen Kirche. Nach Jahrzehnten des vorherrschenden Atheismus sowjetischer Prägung versteht sie sich als Retterin und Instanz der Moral im russischen Staat. Und so versäumt sie es nicht, über alles und jeden zu richten, der nicht ihren Vorstellungen entspricht. In dem vorliegenden Dokument wird dies an der Diffamierung HIV-infizierter Menschen sowie der doppelbödigen Einstellung, mit der die Kirche ihnen begegnet, wiederholt deutlich.

In der Konzeption erfahren wir: „Die massenweise Verbreitung asozialer und unmoralischer Umgangsformen - Drogenkonsum mit Spritzen und unanständiger Geschlechtsverkehr - sind der Nährboden für die HIV-Epidemie in den Ländern der GUS." Aber moralische Korrektheit aus Sicht der Kirche bietet offenbar auch keine Garantie gegen Ansteckung, denn: „Gleichfalls kommt es nicht selten zu Infektionen durch Unachtsamkeit medizinischen Personals, durch Vergewaltigung und Untreue in der Ehe; ebenso steigt die Anzahl Neugeborener, die von HIV-infizierten Frauen zur Welt gebracht werden. Die Krankheit, die zunächst nur unter bestimmten ‚Risikogruppen' kursierte, erfasst immer breitere Bevölkerungsschichten."

Obzwar die letzte Tatsache augenscheinlich auch bei der russisch-orthodoxen Kirche angekommen ist, sieht sie „ihre allererste Pflicht darin, die HIV- und AIDS-Epidemie geistlich-sittlich zu bewerten." Und so lesen wir: „Die sozialen und medizinischen Faktoren und Erscheinungen, die die Bildung so genannter Risikogruppen fördern, stellen nur mittelbare und zweitrangige Gründe der HIV-Epidemie dar. Die eigentlichen Ursachen und Quellen der grassierenden Epidemie sind die alles Bisherige übertreffende Verbreitung von Sünde und Gesetzlosigkeit sowie der gesellschaftliche Verlust von fundamentalen geistlichen Werten, sittlichen Grundpfeilern und Orientierungspunkten".

Doch Gnade den Pharisäern – die russisch-orthodoxe Kirche streckt Ihnen die Hand aus gemäß ihrem heilig-vaterländischen Prinzip: „Hasse die Sünde, doch liebe den Sünder". Und damit der Priester vor Ort den betroffenen Menschen nicht von vorn herein vor der Kirche sitzen lassen muss, erklärt ihm seine Institution, dass ein HIV-Infizierter nicht unbedingt ein notorischer Sünder sein müsse. Daher solle man ihm genauso wie anderen Schwerkranken gegenüber begegnen.

Natürlich sorgt sich die Kirche auch hier um ein sauberes Familienleben. Bei Heiratswilligen, von denen einer sich mit dem HI-Virus infiziert habe, solle der trauende Priester alles dafür tun, dass die Hochzeit „kein Ergebnis einer vorübergehenden emotionalen Reaktion sei, sondern ausgewogen, verantwortlich, geistlich und sittlich motiviert."

Doch wehe denen, die das Volk, insbesondere die junge Generation Russlands, nicht im kirchlichen Sinne beeinflussen. So betont die russisch-orthodoxe Kirche, dass sie gegen vereinfachende Schemata auftreten, denen zufolge „die so genannte sexuelle Aufklärung" als Allheilmittel für alles Elend und als einziges Mittel der Erziehung und Bildung der Jugend zur AIDS-Prophylaxe angesehen werde. Im Klartext: „Die Kirche sieht sich außerstande, mit gesellschaftlichen Kräften zusammenzuarbeiten, die unter Ausnutzung des Themas HIV und AIDS Lebensweisen, Umgangsformen und ethische Ansichten kultivieren, die für die christliche Moral unannehmbar sind." Diese Grundposition schließe jedoch nicht aus, dass die Kirche für einen offenen Dialog über allen im Zusammenhang mit HIV und AIDS auftauchenden Fragen bereit sei.

Diese Haltung der Russisch-Orthodoxen erinnert an den bekannten Tenor ihrer katholischen Schwesterorganisation, wenn deren Oberhirte gebetsmühlenartig wiederholt, dass beispielsweise Homosexualität zwar nicht befürwortet und gefördert werden dürfe, man diese Menschen aber auch nicht ausschließen solle. Da können sich die HIV-/AIDS-Betroffenen in Russland freuen, dass sie zumindest nicht offiziell auf dem Scheiterhaufen landen. Diese Mission besorgt bestenfalls ein Pöbel, der sich dafür seine Legitimation bei den geistigen Brandstiftern der Institution Kirche geholt hat.

<Vollständiger Text> (Russisch)

Tibor Vogelsang