MARBURG. (hu/hpd) Eine barrierefreie Bahn fordert die Humanistische Union (HU). Der HU-Ortsverband Marburg unterstützt deswegen eine Aktion von Behinderten am Samstag (6. Juni) im Bahnhof Kirchhain. Die Bürgerrechtsorganisation fordert die Deutsche Bahn AG zudem auf, eine uneingeschränkte Beförderung aller Fahrgäste sicherzustellen.
Seit Kurzem hat die Bahn im Kirchhainer Bahnhof die Holzbohlen als Querungsmöglichkeit über die Gleise entfernt. Rollstuhlfahrern und Mobilitätsbehinderten ist ein problemloses Ein- und Aussteigen in die Züge dort seither nicht mehr möglich. Seitdem ist der Bahnsteig in Kirchhain nur noch über Treppen erreichbar.
"Diese Ausgrenzung ist nicht nur behindertenfeindlich, sondern auch nicht gerade kundenfreundlich", konstatiert Franz-Josef Hanke. Der 2. Vorsitzende des HU-Ortsverbands Marburg kennt die behindertenfeindliche Geschichte der deutschen Bahn aus eigener leidvoller Erfahrung. Als Blinder musste er jahrelang darauf warten, dass in den Zügen vor der nächsten Station die jeweilige Ausstiegsseite angesagt wurde.
Erst kürzlich hat der blinde Marburger auf dem Frankfurter Hauptbahnhof miterlebt, wie eine schwer gehbehinderte Reisende vergeblich auf die vorbestellte Umstiegshilfe warten musste. Um den Anschlusszug nach Marburg noch zu bekommen, musste sie trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen quer durch den Bahnhof humpeln.
Völlig entkräftet kam diese Reisende eine Stunde später in Marburg an. Die Vorbestellung einer Ausstiegshilfe dort war nach Angaben der hilfsbereiten Zugbegleiterin im Intercity-Express (ICE) von München nach Frankfurt nicht möglich. Im Regional-Express (RE) zwischen Frankfurt und Marburg ließ sich kein Personal blicken, das hätte weiterhelfen können.
Schließlich musste die Reisende in Marburg trotz ihrer Behinderung Treppen steigen. Dabei war sie erheblich gefährdet, das Gleichgewicht zu verlieren und hinabzustürzen.
"Diese Missachtung behinderter Reisender und ihrer Bedürfnisse ist gesundheitsschädigend und gefährlich", stellte Hanke fest. "Sie passt in die behindertenfeindliche Geschichte der Deutschen Bahn, deren Vorstand 1988 durch einstimmigen Beschluss des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag zur Einführung rollstuhlgängiger Waggons gezwungen werden musste."
Die seither geforderte fahrzeuggebundene Einstiegshilfe gibt es – außer in den Doppelstock-Waggons des Regionalverkehrs - aber immer noch nicht. Nach wie vor müssen gehbehinderte Reisende zittern, dass an ihrem Zielort ein Hubwagen bereitsteht und dafür sorgt, dass sie aus dem Waggon auch wirklich wieder hinauskommen.
Die mangelnde Barrierefreiheit der Bahn hält Hanke für rechtswidrig. Sowohl durch den Artikel 3 des Grundgesetzes als auch durch die am Donnerstag (26. März) vom Deutschen Bundestag als nationales Recht ratifizierte UN-Konvention zur Gleichstellung Behinderter sei auch die Bahn als derzeit noch staatseigenes Unternehmen gehalten, barrierefreie Reisemöglichkeiten zu schaffen. Die genau gegenteilige Entwicklung in Kirchhain sieht Hanke als grobe Missachtung des rechts und der Menschenwürde behinderter Reisender.
"Wer behinderte Reisende so wenig unterstützt, der zeigt damit nur, dass ihm seine Kunden schnuppe sind", resümiert Hanke abschließend. "Kundenfreundliche Strukturen schließen Lösungen für alle Sonderfälle und Spezialprobleme mit ein. Davon ist die DBAG aber leider immer noch kilometerweit entfernt."
FJH