Erinnerung an Karlheinz Deschner in seiner Heimatstadt

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Bei der Veranstaltung in der Stadthalle Haßfurt wurde der Film der gbs zu Karlheinz Deschners 100. Geburtstag gezeigt
Filmvorführung in der Stadthalle Haßfurt
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Das Kulturforum der Stadt Haßfurt hatte zur Feier von Karlheinz Deschner eingeladen und 70 Menschen kamen in die kleine Stadthalle. Deschner, Schriftsteller, Aufklärer, Provokateur, wäre am 23. Mai 2024 100 Jahre alt geworden. Und die Haßfurter freunden sich immer mehr mit dem "Außenseiter" an.

Karlheinz Deschner, der vielleicht wichtigste Kirchenkritiker überhaupt, Verfasser der monumentalen zehnbändigen "Kriminalgeschichte des Christentums", deren erster Band 1986 erschien und 2013 mit dem zehnten Band abgeschlossen werden konnte, lebte zurückgezogen in einer Reihenhaussiedlung in Haßfurt, das in den 1960er Jahren stark von der katholischen Kirche dominiert war. Nur wenige in der Stadt am Main wussten damals von der schriftstellerischen Tätigkeit Deschners.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch den meisten Besuchern der Veranstaltung das Leben des Kirchenkritikers weitgehend unbekannt war. Eine Lesung von drei Gymnasiastinnen aus drei unterschiedlichen Werken, der Film der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) über ihn – die nicht zuletzt wegen Deschner gegründet wurde – und die anschließende Diskussion mit Michael Schmidt-Salomon von der gbs und dem Geschäftsführer des Alibri Verlags Gunnar Schedel fanden ein aufmerksames Publikum. Beide betonten die Klarheit der Sprache bei Deschner. Schmidt-Salomon bezeichnete ihn als den "Nietzsche des 20. Jahrhunderts". Diese Wertung schließt natürlich auch seine weiteren schriftstellerischen Werke ein: Etwa den Roman "Die Nacht steht um mein Haus" (1956), "Florenz ohne Sonne" (1958) oder "Talente, Dichter, Dilettanten" (1974).

Karlheinz Deschner hatte schon in den 1960er Jahren auf den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche aufmerksam gemacht. Von der Kirche als Nestbeschmutzer diffamiert, blieb er in dieser Zeit noch der Rufer in der Wüste.

Doch schon zu seinem 80. Geburtstag 2004 hatte sich das Ansehen von Deschner in Haßfurt geändert. Es gab eine Feier im Rathaus und er trug sich in das goldene Buch der Stadt ein. Zu den Gratulanten gehörten auch der Bürgermeister der Stadt Haßfurt und der Landrat des Landkreises. Doch im Vorfeld gab es erheblichen Protest aus der Bevölkerung: "Das ist ein Affront gegen die Geistlichkeit und alle praktizierenden Christen in unserer Gemeinde", erregte sich seinerzeit etwa ein Stadtratsmitglied1.

Von dieser Stimmung war vorgestern Abend in der Stadthalle nichts mehr zu spüren. Michael Schmidt-Salomon führte dies auch auf die zunehmende Säkularisiereng der Bevölkerung zurück, die keinen Bogen um Haßfurt macht. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass sich die Besucher der Veranstaltung und der kritische Geist Karlheinz Deschners nähergekommen sind.

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1zitiert nach dem Rundbrief des Internationalen Bunds der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) vom August 2014.