Was bedeutet die Corona-Pandemie für Menschen mit Behinderungen?

"Ich wünsche allen, dass sie gesund bleiben"

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Marko N.
Marko N.

Welche Herausforderungen entstanden mit der Corona-Pandemie für Menschen mit Behinderung? Marko N. ist ein erwachsener Mann mit Autismus und (seit seiner Geburt) geistiger Behinderung. Dem hpd berichtet er, wie er mit der ungewohnten Isolation umgeht.

Marko N. darf zur Zeit nicht zur Arbeit und auch nicht schwimmen gehen. Zweimal in der Woche trifft er seine Betreuer*innen, die für ihn da sind, seine Fragen beantworten und ihn zuverlässig und liebevoll unterstützen. Ohne sie könnte er diese schwierige Zeit nicht so gelassen hinnehmen.

Er wohnt alleine und erzählt, wie er mit der Isolation umgeht und was er allen anderen Menschen wünscht.

hpd: Wie geht es Ihnen heute?

Marko N.: Mir geht es gut. Aber die Coronakrise finde ich schlecht. Dass die Schwimmhallen zu sind, stört mich, weil ich gerne schwimmen gehe. Ich finde es schlimm, dass Corona auf der ganzen Welt ist und so viele Leute in Gefahr kommen.

Wer unterstützt Sie in dieser Situation?

Mein Betreuer hat gesagt: "Da musst du noch warten." Mit ihm kann ich darüber reden. Mit L., meiner Betreuerin, auch. Aber ich hab sie noch nichts dazu gefragt. Ich halte mich an die Regeln und fahre nicht mit der U-Bahn oder S-Bahn.

Wie ist es, den ganzen Tag in der Wohnung zu sein?

Es ist langweilig. Ich vermisse auch meine Arbeit.

Vermissen Sie manche Menschen besonders?

Ich vermisse keinen. Wenn Leute krank sind, sind sie krank. Das kann ich nicht ändern.

Sind die Menschen anders als sonst, wenn Sie zum Beispiel einkaufen gehen?

Ich finde, alles ist in Ordnung. Die Leute sind manchmal freundlich und manchmal unfreundlich. Wenn die Leute mich nicht beachten wollen, müssen sie mich nicht beachten.

Denken Sie, dass die Corona-Krise für Menschen mit Behinderung anders ist als für Menschen ohne Behinderung?

Nein, das ist für alle gleich. Ich wünsche allen Menschen Gesundheit.


Es gibt viel zu kritisieren, wenn es um Diskriminierung geht. Immer noch sind wir als Gesellschaft weit davon entfernt, allen Menschen die Sicherheit zu geben, akzeptiert zu werden wie wir sind. Auch Marko N. hat früher gehadert. Er war verärgert, dass in seiner Familie nur er eine Behinderung hat und seine Schwestern nicht. Aber heute, im Alter von 54, hat er die Umstände des Lebens akzeptiert. Er genießt seine Freiheit, seine eigene Wohnung und seine Arbeit. All das wäre nicht möglich, wenn es nicht Organisationen und Menschen gäbe, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzten. Wenn diese Krise tatsächlich zu mehr Zusammenhalt führt, zu mehr Solidarität in der Bevölkerung, dann gehören auch jene Menschen dazu, die etwas mehr Unterstützung benötigen, um gleichberechtigt zu sein.

Doch was geschieht, wenn nicht aus sozialen, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen Entscheidungen getroffen werden? Das lässt sich dort betrachten, wo Krankenhäuser nicht mehr nach dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung, sondern nach Profitstreben organisiert werden. Triage nennt sich die Entscheidung für medizinisches Personal, wer im äußersten Notfall überleben darf. Und als Triage ließe sich bereits auch schon die Entscheidung, wer getestet wird, bezeichnen.

Diese Entscheidung wird teilweise schon vorweggenommen – zum Beispiel in Somerset, in England. Dort gab es für erwachsene Menschen mit Autismus ein Formular, eine Art Patientenverfügung, in dem sie im Falle einer Covid-19-Erkrankung vorsorgen können. Die Maßnahme "Do not resuscitate" (DNR – Nicht Wiederbeleben) ist Teil dieses Formulars. Es wurden dabei keine Angehörigen involviert. Erst nach lauten Protesten wurde die Herangehensweise nun relativiert beziehungsweise aufgeklärt.

Solche Angebote wie jenes aus Somerset scheinen undenkbar für Deutschland. Oder?

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