„... seriös, säkular und hoffnungsvoll..“

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Lilien / Fotos © Evelin Frerk

BERLIN / MÜLHEIM / BERLIN / HAGEN / HANNOVER / MASTERSHAUSEN (hpd) Zum 80.Geburtstag von Prof. Dr. Johannes Neumann hat der hpd mit mehreren Persönlichkeiten säkularer Organisationen gesprochen, die Johannes Neumann seit Jahren kennen, ihm begegnet sind. Für sie alle ist dieser ‚runde’ Geburtstag Gelegenheit, innezuhalten, und je nach Temperament, sich zu erinnern, Wünsche zu äußern, Grüße zu übermitteln.

Alle Angesprochenen haben spontan und sehr kurzfristig zugesagt, anlässlich dieses runden Geburtstages von Johannes Neumann, ein paar Zeilen über ihn, für ihn und an ihn zu schreiben. Es hätte leicht eine kleine Festschrift werden können. Auch in dieser spontanen Bereitschaft, trotz drängender anderer Arbeiten und Termine, sich die Zeit dafür zu nehmen, zeigt sich die besondere Wertschätzung, die Johannes Neumann entgegen gebracht wird.

 

Prof. Dr. Horst Herrmann

Soziologe, ehemaliger Kirchenrechtler, dessen kritische Arbeiten bereits Anfang der 1970er Jahre die Kirchen grundsätzlich herausforderten, kennt Johannes Neumann am längsten und sie standen anfangs in unterschiedlichen Lagern - was sich dann aber grundlegend ändern sollte:

„Ich kenne Johannes Neumann seit über 40 Jahren. Vielleicht erstaunt es manche: Lange Jahre sind wir unseren Weg nicht gemeinsam gegangen. Ganz im Gegenteil: Als ich in den frühen 70er Jahren das "unmoralische Verhältnis von Staat und Kirche" thematisierte und angriff, hat sich Johannes Neumann von mir und meinen Thesen zur Trennung von Staat und Kirche distanziert. Das tat weh, denn ich hätte von einem Kollegen, der in Tübingen wie ich in Münster das Fach Staatskirchenrecht vertrat, reformerische Unterstützung erhofft. Vom Rest der Hochschullehrer des Kirchenrechts in Deutschland war ja nichts zu erwarten.

Auch sein Eintreten für Hans Küng gefiel mir seinerzeit nicht. Küng, bei dem ich studiert hatte, war mir in seiner Kirchenkritik viel zu brav, und Neumann sekundierte ihm für mein Verständnis allzu lange.

Erst als wir uns Jahre später in Tübingen trafen und er mich fragte, warum wir "all das so lange ertragen und mit getragen" hätten, begannen wir, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Dabei habe ich von ihm mehr gelernt als von allen anderen. Er hatte beispielsweise den Mut, auch juristische Auseinandersetzungen und Prozesse nicht zu scheuen, was mir nie gelungen ist. Und er hat mir in vielen Details die Augen geöffnet, was unser ureigenstes Thema betraf, das unsägliche Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland.

So also kann es gehen, wenn zwei Hochschullehrer, die dasselbe Fach vertreten, 40 Jahre miteinander zu tun haben: Ein Auf und Ab - und doch eine Verbundenheit in Person und Sache.“

 

Dr. Horst Groschopp

Kulturwissenschaftler, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschland (HVD), Direktor der Humanistischen Akademie (HA), Herausgeber der „Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Deutschland“ begann die Arbeiten von Johannes Neumann vor rund 15 Jahren zu lesen und lernte ihn vor zehn Jahren persönlich kennen.

hpd: Wann war eure erste Begegnung?

Horst Groschopp: „Ich hörte, als ich im Januar 1994 dem HVD beitrat, unentwegt, dass man Johannes Neumann lesen müsse, wenn es um Staat-Kirche-Fragen gehe. Das wurde durch die Lektüre mehr als bestätigt. Johannes Neumann wurde 1997 mit der Gründung der Humanistischen Akademie Berlin sofort Mitglied. Er unterstützt immer alles, was seriös, säkular und hoffnungsvoll scheint.

Ich erinnere mich noch sehr genau an die erste Einladung an ihn zu einem Vortrag, den er am 13. Mai 2000 hier in Berlin hielt. Johannes Neumann nahm klaglos das fürchterliche Hotel hin, in das ich ihn gesteckt hatte. Seine Art, damit gelassen umzugehen, mit uns damals noch manchmal ziemlich proletarischen Humanisten im HVD, das alles hat mich und uns von Beginn an für ihn eingenommen. Er sah wohl auch, dass wir lernfähig sind.“

Worin siehst Du die Lebensleistung von Johannes Neumann?

„Es ist vor allem sein persönliches Verdienst, dass das Thema Staat-Kirche-Trennung, inklusive Kritik an kirchlichen Privilegien und Einstellung der Staatsleistungen entsprechend Art. 140 GG iVm Art. 138 WRV, in der Öffentlichkeit und auch in der „säkularen Szene“ stets virulent blieb, seit den nun schon „klassisch“ zu nennenden „Zehn Thesen“ für die Humanistische Union und deren wissenschaftlicher Untermauerung durch Johannes Neumann in vielen Publikationen.

Auch „humanismus aktuell“ hat die Ehre, ihn zu den Stammautoren zu zählen. Von ihm sind zehn Artikel dort erschienen. Sein erster Artikel (Heft 3) erschien 1998 vor seinem Berlin-Vortrag. Mit dem Text „Für eine – neue – humanistische Sozialpolitik?“ eröffnete er uns eine historische Betrachtungsweise des Auf und Ab von der „dissidentischen Vorsorge“ in den 1920ern bis zu den damals noch bescheidenen Anfängen eines praktischen Humanismus.

Vor allem erklärte Johannes Neumann, warum die Kirchen hier so stark sind, und dass wir 1933 förmlich enteignet wurden. Er erklärte uns auch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 in seinen Ursachen und Folgen für die Staatsleistungen an die Kirchen bis heute. Und er schrieb über historischen und „organisierten Humanismus“ und das Gleichbehandlungsproblem – alles sehr erstaunlich und wichtig nicht nur im Rückblick, sondern für viele, die neu hinzukommen, unersetzlicher Stoff.“

Was für einen Wunsch hättest Du an Johannes Neumann?

„Ich würde ihn gern einladen, wohl wissend, wie schwer er erkrankt ist, noch mindestens einen Text für unsere neue Schriftenreihe zu schreiben, für den Sammelband „Konfessionsfreie und Verfassungsrecht“, der im Frühjahr 2010 entsteht. Denn was bleibt, wenn wir gehen? Das sind die Erinnerungen anderer an uns – und in unseren intellektuellen Berufen sind es gedruckte Texte. Einen kursorischen Rückblick auf sechzig Jahre Debatte zum Thema „Staat-Kirche-Trennung“ – wer sonst könnte dies aus persönlicher Erinnerung und wissenschaftlicher Begleitung der Debatten tun, wenn nicht Johannes Neumann.“

Rudolf Ladwig

Historiker, 2. Vorsitzender des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA e.V.) schildert seine Begegnung mit Johannes Neumann, seine überverbandliche Bedeutung und welche wichtige Entscheidungen Johannes und Ursula Neumann gebahnt haben.

„… mit gelassener Entschiedenheit …“

Es gab mit ihm, einem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des IBKA, Telefonate und Faxwechsel lange bevor ich Johannes Neumann vor gut 12 Jahren zum ersten Mal persönlich begegnet bin. Das geschah dann eher beiläufig. Und darin liegt durchaus etwas Charakteristisches! Zwar hat er nicht ganz alltägliche Dinge getan (die missio canonica zurückgegeben, mit seiner Frau bis zum Bundesverfassungsgericht gegen Ethikunterricht als Zwangs“ersatz“fach geklagt), aber all dem haftet kein Bestreben nach Spektakulärem an. Johannes Neumann verfolgt seine grundsätzlichen bürgerrechtlichen Ziele nicht ob der kurzfristigen Schlagzeile, oder aus Selbstdarstellungsbedürfnissen - und schon gar nicht rhetorisch aufgerüstet, oder gar verletzend: Klar in der Sache, aber sachlich im Tonfall.

Dies ist im besten Sinne old fashioned – aber durchaus auf der Höhe der Zeit! Mich hat Johannes Neumann einmal leicht verwundert gefragt, warum ich ihm im Zeitalter der E-Mail dann doch noch ein Fax gesendet hatte. Die offensichtliche Antwort hätte als Eingeständnis meiner Aufmerksamkeitserheischungsabsicht lauten müssen: „Ja eben drum!“

Damit ist auch unser einseitiges Verhältnis gekennzeichnet: Ich hatte aus der Vereinsarbeit Fragen und erhoffte mir von dem Rechts- und Religionssoziologen Johannes Neumann Antworten. Diese versuchte ich gelegentlich mit derlei List(en) ihm zu entlocken, denn der Emeritus befand sich als wissenschaftlicher Autor in einem beachtlichen ‚Unruhestand’.

Johannes Neumann nähert sich religiösen Phänomenen als Geisteswissenschaftler und auf dem profunden lebensgeschichtlichen Hintergrund der eigenen Erfahrung kirchlicher Sozialisation als ehemaliger Priester und Kirchenjurist. Seine Kenntnis von Religion ist eben nicht lediglich virtuell.

Das Erfordernis, sich als Säkularer zu organisieren, hat der Agnostiker Johannes Neumann vielfältig und offen für Veränderungen gesehen und pragmatisch erfüllt (u. a. als Vorstandsmitglied des IBKA), ohne sich aber als Exkirchenmann je von einer neuen Organisation wieder allzu sehr vereinnahmen zu lassen. Auch darin liegt seine überverbandliche Bedeutung. Sein Vortrag auf dem Ersten Atheistenkongress 1991 in Fulda ist auf VCD erhältlich. Einige seiner Aufsätze sind auf der Webseite des IBKA im Volltext dokumentiert. Wer beispielsweise nach der Kontinuität von Kirche vor und nach 1945 fragt, sollte erst mal die Darstellung dazu von Johannes Neumann lesen.

Als der IBKA an Ursula und Johannes Neumann im Jahr 2000 für deren indirekten Erfolg über „Kirchen und die ihren hörigen Kultusbürokratien“ zum ersten Mal einen nichtdotierten Preis - in dem sehr bescheidenem Rahmen unserer damaligen Möglichkeiten – verlieh, titelte die Badische Zeitung feinsinnig: „Ein Preis für einen ‚verlorenen’ Prozess“. Richtig daran war, dass das Bundesverfassungsgericht – mal wieder! – einer Klärung staatskirchenrechtlicher Fragen durch Nichtbefassung auswich. Aber erst mittelfristig wird der eigentliche Erfolg der Familie Neumann deutlich. Das Bundesverwaltungsgericht hatte ja nicht nur zahlreiche diskriminierende Regelungen des Ethikunterrichtes für unzulässig erklärt, sondern zudem zum „Ersatz“fach Ethik konstatiert, dass es dem Staat rechtlich durchaus freistünde, dieses auch als Pflichtfach für alle - völlig unabhängig von der Religionsunterrichtsteilnahme - einzurichten. Diese Feststellung besiegelte inzwischen das Scheitern sämtlicher kirchlich motivierten Klagen gegen den als integratives Pflichtfach angelegten Ethikunterricht in Berlin.

Ich wünsche – auch im Namen des IBKA – ihm und uns, dass Johannes Neumann - zusammen mit seiner Frau Ursula - den Weg, die religionspolitische Neutralität des Staates, um dessen Zukunft in Freiheit, Demokratie und Frieden zu verwirklichen, mit der von ihm selbst in der Festschrift für uns alle postulierten „gelassenen Entschiedenheit“ noch lange in Gesundheit weitergehen kann.

 Johann-Albrecht Haupt

Verwaltungsjurist, Mitglied des Bundesvorstandes der Humanistischen Union (HU), dort u. a. verantwortlich für den Arbeitskreis Staat / Religionen / Weltanschauungen, blickt zurück auf das vielfältige Wirken von Johannes Neumann im Zusammenhang mit der Humanistischen Union, in der Johannes Neumann seit langem Mitglied ist.

„Johannes Neumann hat bis heute für die Humanistische Union eine große Bedeutung. Das Ärgernis der kirchlichen Privilegien, des unheilvollen Einflusses der Kirchen auf die Menschen und auf die Politik hat ihn, der mit „seiner“ katholischen Kirche bereits vor mehr als 30 Jahren gebrochen hat, zu einem streitbaren und streitbegabten Menschen gemacht.

Beharrlich hat er, auch und gerade im Rahmen der Humanistischen Union, die kirchlichen Wertvorstellungen als interessengeleitete Politik für die Machteliten entlarvt. Bemerkenswert ist vor allem seine Schrift „Zur religiösen Legitimation der Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland“, 1991 als Veröffentlichung der Humanistischen Union erschienen. Hier prangert er das Versagen des Vatikans, welcher 1933 das schändliche Konkordat mit Hitler schloss, und der deutschen Bischöfe in nationalsozialistischer Zeit an, als etwa Kardinal Bertram meinte, der Episkopat müsse sich im Angesicht der Massenvernichtung der Juden „zunächst auf kirchlich wichtigere und weittragendere Belange konzentrieren“, nämlich darauf, „wie eine christentums- und kirchenfeindliche Beeinflussung in der Erziehung der katholischen Jugend wirksam zu verhindern ist“. Auch nach dem Krieg gab es namentlich bei der katholischen Kirche keine Spur von Schulbewusstsein. Johannes Neumann erinnerte daran, dass die Bischöfe 1949 das Grundgesetz ablehnten, weil sie das Elternrecht auf eine konfessionelle öffentliche Schule dort nicht ausreichend gewährleistet fanden. Und er schilderte die unheilvolle Rolle der Kirchen bei der militärischen Aufrüstung Westdeutschlands, der Wiederbelebung der Militärseelsorge, den kirchlichen Widerwillen gegen die Kriegsdienstverweigerung,

Die Kritik an der „engen Verbandelung von Staat und Kirchen“ war das gemeinsame Thema von Johannes Neumann und der Humanistischen Union. Schwerpunkte waren dabei der Religionsunterricht einerseits, die Kirchenfinanzierung andererseits. Die 10 Thesen der Humanistischen Union zum Staat-Kirche-Verhältnis, 1995 unter dem Titel „Trennung von Staat und Kirche“ erschienen, waren zu einem großen Teil sein Werk. Noch heute haben diese Thesen für die Haltung der Humanistischen Union unverändert volle Gültigkeit. Sie zeugen ganz im Sinne des Agnostikers Johannes Neumann, weder von Religions- noch von Kirchenfeindlichkeit, sondern beharren auf der Religionsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger und auf der Neutralität des Staates in Weltanschauungsfragen, also auf der Achtung der Verfassung.

Auch persönlich hat sich Johannes Neumann eingebracht. Für seinen Sohn haben er und seine Frau einen Rechtsstreit über die Verpflichtung zur Teilnahme am Ethikunterricht in Baden-Württemberg geführt. Dieser Streit, in welchem es in Wahrheit um die Zukunft des Religionsunterrichts in Deutschland ging, führte zwar in den drei Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zum Erfolg; der Leser der Urteile kann aber das Unbehagen der Richter, namentlich des Bundesverwaltungsgerichts, was das Ergebnis betrifft, nicht übersehen. So räumen die Richter etwa ein, dass bei der „Abmeldung“ vom Religionsunterricht mit Blick auf die Alternative (häufig treffend „zweitklassige Beschäftigungstherapie“ oder „Heidenhüten“ genannt) Motive eine Rolle spielen dürften, „die mit der Freiwilligkeit der Teilnahme am Religionsunterricht selbst nichts zu tun haben“. Und die Anforderungen des Gerichts an die Ausgestaltung des „Ersatzunterrichts“ Ethik (curriculare Gleichstellung von Ethik- und Religionsunterricht) sind weder in Baden-Württemberg noch in anderen Bundesländern bis heute verwirklicht. Das Bundesverfassungsgericht hat es dann mit einer schändlichen Begründung abgelehnt, sich mit der Verfassungsbeschwerde der Neumanns in der Sache zu beschäftigen: die Verfassungsrichter vermissten die Beifügung des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteils, obwohl sie dieses Urteil natürlich längst aus anderer Quelle kannten. Wie viele andere Gerichtsverfahren beweist das Neumannsche vor allem eines: die Kirchenfreundlichkeit der Rechtsprechung, namentlich des Verfassungsgerichts, und ihre Unwilligkeit, sich mit den für die Kirchen heiklen Fragen zu befassen.

Als die Humanistische Union im Jahr 2001 anlässlich ihres 40. Geburtstages sich ihrer Themen und ihrer Positionen vergewisserte, war es natürlich Johannes Neumann – zusammen mit seiner Frau Ursula –, der sich des Themas „Die Kirchen: Staaten im Staate?“ annahm (Vorgänge Nr. 155 S. 158 ff.). Sein Fazit: „Genug Stoff für Bürgerrechtler, also auch in Zukunft“. Wir hoffen, dass zu diesen Bürgerrechtlern auch weiterhin und noch lange Johannes und Ursula Neumann gehören.

Michael Schmidt-Salomon

Philosoph, Autor, Komponist, Vorstandssprecher der Giordano Bruno Stiftung (GBS), schildert die besondere Bedeutung, die Johannes Neumann auch für die Entstehung und die Existenz der Giordano Bruno Stiftung hat, in dessen Wissenschaftlichen Beirat er seit Gründung der GBS Mitglied ist.

hpd: Wie kam Johannes Neumann zur Giordano Bruno Stiftung?

Michael Schmidt-Salomon: Johannes war im Grunde lange schon gbs-ler, bevor es die Giordano Bruno Stiftung überhaupt gab! Ich erinnere mich gut daran, wie wir im Oktober 2000 anlässlich der Verleihung des Erwin-Fischer-Preises an Johannes und seine Frau Ursula zusammen saßen und über die Möglichkeit der Gründung eines „Giordano-Bruno-Fonds (!) für die Opfer religiöser Gewalt“ nachdachten. Johannes war auch der Erste, der mich 2004 dazu ermutigte, das Konzept des evolutionären Humanismus weiterzuentwickeln. Nachdem er meinen Vortrag „Hoffnung jenseits der Illusionen? Die Perspektive des evolutionären Humanismus“ in der Schriftenreihe der Freien Akademie gelesen hatte, schrieb er mir überraschenderweise einen Brief, in dem er meinte, dass dies ein sehr fruchtbarer, positiver Denkansatz sei, auf dem sich doch ganz gewiss etwas aufbauen ließe. Wie „prophetisch“ diese Worte waren, wusste damals niemand. Genau genommen handelte es sich sogar um eine „selbsterfüllende Prophezeiung“…


Inwiefern?

Vielleicht erinnerst du dich: Ich freute mich damals so sehr über diese positive Einschätzung, dass ich dir, Carsten, wenig später davon erzählte - und zwar just in dem Moment, als du mich in Begleitung von Herbert (Steffen) das erste Mal besucht hast. Johannes’ Brief war der Grund dafür, dass wir bei diesem ersten Treffen nicht, wie geplant, über unser gemeinsames Buchprojekt „Die Kirche im Kopf“ sprachen, sondern ausgerechnet über „evolutionären Humanismus“. Das wiederum brachte Herbert auf eine folgenreiche Idee, die letztlich zur Gründung der „Giordano Bruno Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus“ führte.

Johannes Neumann spielte also eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der gbs?

Absolut! Ich bin allerdings davon überzeugt, dass er in seiner bescheidenen, zurückhaltenden Art niemals auf den Gedanken käme, bei der Stiftungsgründung eine maßgebliche Rolle gespielt zu haben. Für mich jedoch ist er einer unserer wesentlichen Impulsgeber. Und so war es für uns auch eine Selbstverständlichkeit, dass wir gleich in den Anfängen der gbs bei ihm anfragten, ob er unserem Beirat angehören wolle. Glücklicherweise sagte er sofort zu. Auch als wir die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid) gründeten, zögerte er keine Sekunde, das Projekt zu unterstützen.

Wie würdest du die Bedeutung von Johannes Neumann für die Stiftung einschätzen?

Im Namen der gesamten Stiftung kann ich sagen, dass wir alle sehr, sehr froh sind, Johannes unter uns zu wissen. Er ist ja zweifellos einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der säkularen Szene in Deutschland! Wir alle haben enorm viel von ihm gelernt und profitiert. Sein 80. Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, endlich einmal „Danke“ für all das zu sagen, was Johannes über die Jahrzehnte hinweg geleistet hat. Wenn es erlaubt ist, würde ich das gerne in persönlicher Anrede tun…

Aber sicher…

Also: Herzlichen Dank, lieber Johannes! Danke für die vielen klugen Argumente, die du uns an die Hand gegeben hast! Danke für das große Engagement, mit dem du seit Jahren für die Trennung von Staat und Kirche sowie für eine humanere Gesellschaft kämpfst! Danke nicht zuletzt auch dafür, dass du wie kaum ein anderer gezeigt hast, wie sehr sich Menschen wandeln können, wenn sie den aufklärerischen Mut aufbringen, sich des eigenen Verstandes zu bedienen! Wer dich heute trifft, würde niemals auf den Gedanken kommen, dass du einst ein strenger katholischer Theologe warst! Lieber Johannes, du hast einmal gesagt, dass mit der Giordano Bruno Stiftung endlich „eine Heimat für unsere Ideen“ geschaffen wurde! Für mich wie für den gesamten Stiftungsvorstand ist diese „Heimat“ untrennbar auch mit deinem Namen verbunden. Deshalb wünsche ich dir, mir, uns allen, dass du uns noch lange erhalten bleibst! Wir zählen auf dich! In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum Achtzigsten! Mögen noch viele weitere Geburtstage folgen!

Die Fragen stellte Carsten Frerk