Missionieren mit Mord und Totschlag

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Abbildungen / Screenshots / ZDF

MAINZ. (hpd) Jetzt, wo die traditionellen Medien mehr und mehr kriseln, ist das Fernsehen (vielleicht nur noch durch das Internet hinterfragt) eindeutig zur 5. Macht des parlamentarisch demokratischen Gesellschaftssystems geworden. Es ist das beliebteste Forum politischer und weltanschaulicher Offenbarungen. Logisch also, dass die Kirchen sich hier breitmachen. Auch und insbesondere im so genannten öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen.

Quantitativ nicht mehr erfassbar sind dort die vielen religiösen Sendungen, Moderatoren, Programmdirektoren, Ratsmitglieder, offiziellen und heimlichen Berater. In Bayern ist es der Kirche sogar gelungen einen de facto religiösen Sender zu installieren (Bayern Alpha). Dies alles bezahlt auch mit den GEZ-Beiträgen des nicht konfessionellen Teils der Bevölkerung. Und obwohl im Unterschied zu vielen unseren Nachbarländern, dieser Teil der Bevölkerung überdies keine eigene Sendungen oder gewichtige Interessenvertretung besitzen, wird diese unhaltbare Situation kaum thematisiert. Konnte bis jetzt noch als Feigenblatt für diese Diskriminierung die Vermittlung der so genannten abendländischen Wertetradition gelten, wird auch diese Pseudorechtfertigung in letzter Zeit durch eine neue Qualität der kirchlichen Missionierung hinfällig.

Drei Prozesse liegen dieser neuartigen Ausrichtung der kirchlichen Einflussnahme an der Basis zugrunde.

  1. Die zunehmende Individualisierung der Lebenswelt, die institutionell getragene Botschaften nicht mehr rezipiert.
  2. Eine gesellschaftliche Entwicklung, die durch weltweite soziale Polarisierung zunehmend Gewalt produziert.
  3. Eine globale Komplexität, die fast alle diese gesellschaftlichen Zusammenhänge undurchschaubar macht.

Inflationäre Zunahme von Polizei- und Krimifilmen

In der filmischen Medienlandschaft und insbesondere im Fernsehen wird dies durch eine inflationäre Zunahme von Polizei- und Krimifilmen komprimiert sichtbar. Diese sind aber nicht mehr beschaulich intellektuell, ja fast aufklärerisch à la Sherlock Holmes, Agatha Christie oder Filzpantoffel Tatorte, sondern durchspickt mit Rambowfiguren im Kampf mit rätselhaften, ja mythischen Gegebenheiten und Feinden. Mord und Totschlag verlieren ihre schnöden aber klaren marktwirtschaftlichen oder sexuellen Hintergründe und finden sich in dunklen Sagenwelten wieder. Ein einsamer Held bekämpft dort siegreich mit fast übermenschlichen Potenzialen die Drachen des Bösen mit ihren urgeschichtlichen Instinkten. Und dies mit steigendem Interesse bei den Jugendlichen und hohen Einschaltquoten.

Die Kirchen werden zu Krimiautoren

Das haben natürlich auch die Kirchen bemerkt: Übertragene Sonntagsmessen, Wörter zum Sonntag oder traditionelle Pfarrerfilme vor bayerischen Bergkulissen sind nicht mehr up to date: Action und Helden müssen her; institutionelle Offenbarungen sind durch mythische Gefühle zu ersetzen; friedliche Paradieserwartungen mit Mord und Totschlag zu würzen. Der Rambowpfarrer mit Lizenz zum Beten und Toten ist zu gebären. Nicht mehr die Institution spricht, sondern der religiöse Held praktiziert die religiösen Werte im interaktiven Kampf gegen das Böse schlechthin, das für die simplen Geister durch Mord und Totschlag zu symbolisieren ist. Dan Brown, „Der Name der Rose" ohne philosophisches Brimbramborium, die gelebte Religion ohne zu viel Vatikan aber mit viel kirchlicher Mystik!

Rambo-Pfarrer mit Lizenz zum Beten und Töten

Eine vor kurzem von der EKD und dem Verband Deutscher Drehbuchautoren organisierte Veranstaltung kommt dann auch zu der Schlussfolgerung: „Religion kann in Fernsehserien oder Spielfilmen nur über glaubwürdige Figuren transportiert werden. (…) Durch einen unterhaltsam inszenierten Fernsehpfarrer kann Religion präsent sein. (…) Dafür müssen wir die Redaktionen stärker sensibilisieren.“ Und der bekannte Drehbuchautor Lorenz Stassen (Ihr Auftrag, Pater Castell) rundete diese Erkenntnisse ab mit den Hinweisen: „Ohne Show oder Krimi lasse sich eine Pfarrerserie im Fernsehen aber nicht verkaufen.“ Und mit Blick auf die Zukunft des öffentlichen deutschen Fernsehens: “Das Publikum sei zunehmend auf der Suche nach Sinn und verlange nach Orientierung. (…). Daher müssten religiöse Aspekte nicht nur über Pfarrerserien angesprochen werden, sondern auch bei ethischen Themen wie beispielsweise der Stammzellenforschung. Das ist vielleicht die Zukunft der Kirche im Fernsehprogramm.“ Aber diese Zukunft der Kirchensoziologen ist schon da: Bei der ARD und insbesondere dem ZDF!

Pater Brown und „Ein göttliches Team“

Der erste Versuch, um einen Pfarrerfilm mit Mord und Totschlag für die Missionierung im Fernsehen zu popularisieren, war und ist die Serie um Pater Braun. Der Kabarettist Ottfried Fischer interpretiert hier die bei dem englischen Autor G. K. Chesterton entliehene Figur des Father Brown, die früher auch durch die Verfilmungen mit Heinz Rühmann und Josef Meinrad in Deutschland bereits bekannt wurde. Zuviel aber herrscht hier noch die klassische Atmosphäre des traditionellen Pfarrerfilms mit bayerischem Akzent vor. Zu wenig Action und Mysterium und zu viel gutmenschliche, fast libertäre Ironie. Ähnlich die durch die ARD bereits 2000 bei der Serienfabrik Müller und Seelig in Auftrag gegebene Serie „Himmel und Erde“ – Ein göttliches Team“, dessen Serienteile regelmäßig wiederholt werden. Leon Marx (?) ist zwar ein junger, gut aussehender Mann aber er ist ein Mann Gottes. Ein katholischer Priester aus Köln, „dessen Kopf zwar oft an Gott zweifelt und verzweifelt, dessen Herz aber einen starken Glauben besitzt.“ Trotz kriminalistischen Einlagen bleibt auch sie eine traditionelle, moralisierende Serie, die auf der Basis von religiöser Gemeinschaft und Freundschaft Trost und Halt stiftet. Beide für moderne Missionierung also ungeeignet.