Die missionierenden Mainzel-Polizeimännchen
Da muss dann natürlich der Sender aus Mainz einspringen. In einer ersten Staffel liefert der bekannte Autor Friedrich Ani, dem man ein „pathetisches Sendungsbewusstsein mit predigendem Appellcharakter“ vorwirft, die Vorlagen. Die Landschaft bleibt gleich: Bayern als Land der gottgläubigen Menschen. Jetzt wird der Pfarrer aber durch einen echten Kommissar mit dem biblisch anmutenden Namen Polonius Fischer ersetzt. (Hanns Zischler, der seine Jugend in einem evangelischen Internat im katholischen Ingolstadt verbrachte). Aber Achtung, keine unsichere Säkularisierung! Polonius war vorher ein Jesuitenmönch der „weil Gott nicht zu ihm gesprochen hat“ aber wahrscheinlich eher wegen einer Frauengeschichte seinen Orden verlassen musste.
Damit kann man wunderbar nichtinstitutionell und glaubwürdig den heutigen Zuschauer missionieren. Er bleibt ja der Kirche treu: Seine Befragungen der Missetäter leitet er meistens mit Bibelzitaten ein, oder würzt sie mit Ausschnitten aus dem Leben von Heiligen, betet auch schon mal zusammen mit Zeugen oder Nächsten der Opfer. Privilegiert ist er als ehemaliger Mönch auch, weil er in seinem persönlichen Befragungsraum ein Kruzifix aufhängen darf (obwohl immer angenommen wird, das hängt in Bayern überall …). Glaubens- bzw. Religionsthemen durchstreifen immer die Luft bzw. tangieren die Begebenheiten und Personen: Die durch Gottesverlust hervorgerufenen dunkelsten Kräfte des menschlichen Handelns, Dämonenglauben, etc. Polonius wirkt etwas finster aber um dabei nichts im Unklaren zu lassen wiederholt er öfter den Satz: Ich glaube an Gott. So bewaffnet sorgt natürlich der Heilige Geist dafür, dass alle seine Fälle gelöst werden.
Castell der Rambowpfarrer
Diese kurze Bewertung der Serie zeigt schon: Auch diese ist nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Es fehlt James Bond und Harry Potter bzw. Der Herr der Ringe. Eine neue Serie müsste her. Der englisch-bayerische Frauenschwarm Fulton-Smith wurde nun zum Pfarrer Castell und unchristliche Rituale, Legenden und Weltanschauungen ersetzen das individuelle Böse im Menschen. Die Titel der Episoden sprechen für sich, wie z.B.: „Das Labyrinth“ (den Heiligen St. Emmeram und sein Tunnelsystem), „Die Leiche im Karlsgraben“ (Mord an einem Theologieprofessor und die mysteriöse Bamberger Andachtstafel der Herzwunde Jesu), „Der letzte Heide“ (über die Bestattungsriten der Mari, ein heidnisches Volk, das ursprünglich aus Finnland stammt), „Die Loge“ (die Initiationsrituale der Freimaurer), „Auf dem Jakobsweg“ (die Wunder des Heiligen Nikolaus), „Das Voynich-Manuskript“, „Das Geheimnis des Kreuzritters“, „Die Jesustafel“, „Das Geheimnis der letzten Tage“, etc.
Pater Castell ist eine Mischung aus James Bond und Don Camillo, der im göttlichen Auftrag als Sonderbeauftragter des Vatikans (mit Lizenz zum Töten) Kriminalfällen nachgeht, die besonders gefährlich für den Glauben und die Institution der Kirche sind. Der Schauspieler Fulton–Smith bezeichnete die Rolle des Castells in einem Interview übrigens als „Geschenk Gottes“. Die unchristlichen Irrungen führen meistens zu Mord von Seiten der Widersager. Mögliche Gewaltreaktionen der Kirche selbst erweisen sich am Ende als falsch, da sie ja das Gute repräsentiert. Die interessante Frage zu der Existenz und Aufgaben einer solchen geheimen vatikanischen Abteilung sowie der Position des bischöflichen Führungsoffiziers von Castell, Kardinalstaatssekretär Scarpia (Hans Peter Hallwachs), werden dabei natürlich nicht geklärt.
Kausalität zwischen Atheismus und Mord und Brandstiftung
Die direkte propagandistische und missionarische Funktion der Serie wird durch verschiedene Elemente sichtbar. Nicht nur, dass alle vier Fälle der ersten Staffel sich im ursprünglichen Wirkungsraum des neuen Papstes abspielten, sondern auch, dass die erste Folge der Serie, deren Kriminalinhalt kaum Bedeutung hat, sich um die Vita des Heiligen St. Emmeran von Regensburg drehte. Mehr aber wird dies sichtbar durch die durchgehende, verdeckt-antiatheistische Richtung der Serie. Sie wird dadurch bedient, dass Castell eine alleinerziehende Münchner LKA-Beamtin, Marie Blank (Christine Döring), zur Seite gestellt wird. Diese wird als atheistische Karrierefrau präsentiert und unterliegt sowohl bei dem Lösungsweg der Fälle als auch bei ihren religionstangierenden Fragestellungen ständig der Intelligenz des Vatikanbeauftragten zu Ehren des Glaubens. Direkt skandalös wirkte diese weltanschauliche Attacke aber am 3. Juni, wo nach dem Start der dritten Staffel der Serie in der Episode „Sodom & Gomorrha“ eine direkte Kausalität zwischen Atheismus (in Gestalt des Professors Viktor Tollar als geistiger Brandstifter) und Mord bzw. Brandstiftung suggeriert wird.
Nichtkonfessioneller Widerstand ist dringend nötig
Es ist dringend an der Zeit, dass die nichtkonfessionellen Kreise der Bevölkerung und ihre sie repräsentierenden Organisationen sich dieser diskriminierenden und gegen die Neutralität der öffentlichen Einrichtungen verstoßenden Krimisendungen der ARD aber insbesondere des ZDF widersetzen. Aufgrund der vorher angedeuteten Änderungen des Zuschauerprofils und der Zuschauerinteressen sind sie in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen. Am 27.05 hat „Ihr Auftrag, Pater Castell“ z. B. mit 5,05 Millionen Zuschauer die beste Einschaltquote des Tages erzielt (Marktanteil 17,4 Prozent), während im Vergleich, die ARD mit ihrer Show „Die schönsten Grand Prix Hits aller Zeiten“ zur selben Zeit nur 3,63 Millionen Zuschauer (12,3 Prozent) erreichte.
Schon die einseitige Finanzierung kirchlicher Sendungen ist ein Skandal, noch mehr aber diese neue Entwicklungen. Hier werden sehr teure, durch GEZ Gebühren finanzierte Sendungen benützt, um durch eingebauten ‚Hidden Persuaders’ verbotene Schleichwerbung für die Religionen zu machen. Eine direkte Einflussnahme der Kirche liegt übrigens auch vor. So wurde z. B. der Münchner Pfarrer Dekan David Theil extra als Berater für Fulton-Smith engagiert und sorgte dafür, dass Letzterer glaubwürdig als Priester auf der Bildröhre erscheint. Und nicht nur das. Eine genauere weltanschauliche Analyse der beauftragten Firmen und deren Personals würde sicherlich auch noch eine weltanschauliche Selektion beweisen.
R. Mondelaers