Am vergangen Samstag wurde die Verkündigungssendung "Das Wort zum Sonntag" bei einem Festakt zum 70. Geburtstag geehrt. Ein Kommentar zu den überschwänglichen Gratulationsreden.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nennt es einen "Anker", der sich "der Enthemmung entgegenstellt". Die Intendantin des Bayerischen Rundfunks, Katja Wildermuth, preist die "vier Minuten Innehalten, Zuhören, Nachdenken pro Woche" als "wertvolle Insel in diesen schnelllebigen Zeiten." Gemeint ist das "Wort zum Sonntag", das jeden Samstagabend in der ARD wie ein besinnlicher Puffer, man könnte auch sagen "religiöser Werbeblock" zwischen Tagesthemen und Spät-Spielfilm platziert wird. Schon mehr als 3.650 Mal. Seit 70 Jahren. Das Jubiläum war der Grund dafür, dass der Bundespräsident und andere Gratulanten jetzt bei einem Festakt in München so ins Schwärmen gerieten für das christliche Vier-Minuten-Schnellgericht. Bei einer Geburtstagsfeier war keine Kritik am Jubilar zu erwarten. Drum sei sie hier nachgeholt.
Die beiden christlichen Kirchen in Deutschland haben laut Rundfunkstaatsvertrag ein sogenanntes Drittsenderecht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es werden Gottesdienste im Fernsehen übertragen. Und Morgenandachten im Radio. Zu diesen "Verkündigungssendungen" gehört auch das "Wort zum Sonntag", gesprochen im wöchentlichen Wechsel mal von einem Vertreter der evangelischen, mal von einem der katholischen Kirche. Anders als beim von den Sendern sonst verantworteten Programm haben hier die Kirchen die inhaltliche Hoheit.
So hat etwa Magdalena Kiess am vergangenen Samstag über die anstehende Vertrauensfrage im Bundestag und Vertrauen im allgemeinen geredet. Ein gutes, zeitgemäßes Thema. Und dann spricht sie davon, dass Gott die Vertrauensfrage uns Menschen gegenüber mit einem eindeutigen Ja beantworte. Wenn Gott sich da mal nicht verzockt. Blicken wir uns um in dieser Welt in Unordnung, lässt sich schon bezweifeln, ob ein solches Vertrauen gerechtfertigt ist. Oder ob sich da nicht jemand von oben einmischen sollte statt alles so geschehen zu lassen. Na ja, macht er ja, ließe sich auch aus religiöser Perspektive behaupten. Wie es die Evangelikalen in den USA taten, als sie das Überleben Donald Trumps bei dem Attentat auf eine göttliche Einmischung zurückführten.
Die Kirchen verbreiten am Samstagabend ihre Binnensicht, es gibt keine Draufsicht. Wohl aber übernehmen die Sender die Produktionskosten. Ohne hierbei Zahlen zu nennen. Gut, allzu kostspielig wird es bei diesem kargen Aufwand nicht sein. Eine Sprecherin oder ein Sprecher verbreitet ihre oder seine Gedanken vor schlichter Kulisse. Doch unabhängig von der Höhe des Budgets bleibt doch Fakt: Durch die Übernahme der Produktionskosten betreibt der beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk eine indirekte Förderung der Kirchen. Man sollte mal die Beitragszahler fragen, wie sie das finden.
Hinzu kommt: Im "Wort zum Sonntag" dominieren die katholische und evangelische Kirche. Warum kommen nicht andere in den Genuss, ihre Weltanschauung auszubreiten? Vertreter des Islam oder des Judentums. Eine Öffnung in Richtung anderer Religionsvertreter birgt freilich die Gefahr, dass die Sache aus dem Ruder läuft. Müssten dann nicht auch Scientologen zu Wort kommen? Dürften dann auch die Zeugen Jehovas ihre Weltuntergangs-Szenarien nicht mehr nur am Stand in der Bahnhofshalle, sondern auch in unseren Wohnzimmern verkünden? Und so den nachfolgenden TV-Thriller zur faden Kost werden lassen?
Nun ließe sich die Privilegierung der christlichen Kirchen mit Blick auf ihre Mitgliederzahlen im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften rechtfertigen. Doch halt: In Deutschland gibt es mittlerweile ebenso viele konfessionsfreie Menschen (46 Prozent) wie römisch-katholische und evangelische Kirchenmitglieder zusammengenommen (24 bzw. 22 Prozent). Da sollten doch Vertreter säkularer und humanistischer Verbände zuallererst das Vorrecht haben, kluge Menschen ins Aufnahmestudio zu schicken, um am Samstagabend ihre Sicht auf die Welt, das Leben und all das zu verbreiten. Das würde gewiss auch die Einschaltquote verbessern. Am besten wäre es, die Mittel statt für das nicht mehr zeitgemäße "Wort zum Sonntag" für breiter angelegte Formate zu verwenden. Und so ethische und moralische Fragen unabhängig von konfessionellen Bindungen zu thematisieren.
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