USA. (wr/hpd) Dave Niose ist Präsident der American Humanist Association. Während an den Universitäten in Deutschland die vorlesungsfreie Zeit gerade beginnt, veröffentlichte Dave Niose am Wochenende einige „unerbetene“ Ratschläge für säkulare Schüler und Studierende. Nichtreligiöse Ideen machen nicht an Ländergrenzen halt, weshalb seine Worte auch hierzulande Aufmerksamkeit verdienen.
Dave Niose / AHA Die Zahl säkularer Studierender wächst sprunghaft. Nach dem ich nun einige Zeit Teil der säkularen Bewegung bin, freue ich mich über diese Entwicklung und habe einige unerbetene Ratschläge für die säkularen Schüler und Studierenden von heute:
1. Für das Richtige einstehen: Ohne Zweifel hast du dein gesamtes Leben lang auf ältere Menschen – Eltern, Lehrer, Kirchenangehörige – gehört, welche dir sagten, du sollst für das einstehen, woran du glaubst. Du wirst wohl verstehen, dass dies während der meisten Zeit völliger Unsinn wäre und sie meinen es wirklich nicht so. „Für das Richtige einstehen“ klingt nett, aber es andauernd zu tun erfordert Nonkonformismus, die Infragestellung von Autoritäten und den Widerstand gegen allgemein akzeptierte Annahmen. Deine Eltern würden durchdrehen, wenn du tatsächlich nach solchen Grundsätzen leben würdest. Falls du dich also dazu entscheidest, für „das Richtige einzustehen“, indem du dich in der Hoffnung auf eine Welt ohne Aberglauben und mit humanistischen Werten für säkulare Ideen engagierst, solltest du verstehen, dass je nach deiner genauen Situation, du missverstanden oder sogar geächtet werden könntest.
2. Sich zu erkennen geben: Es gab schon immer säkulare Einzelpersonen, aber traditionell waren die wenigsten willens, sich offen zu erkennen zu geben. Heutzutage, dank sozialer Netzwerken welche die Möglichkeit dazu bieten, ist es keine große Sache mehr, sich offen als Humanist, Atheist, Agnostiker und so weiter zu erkennen zu geben. Als säkularer Studierender oder Schüler ist es eine der einfachsten Dinge, um für Toleranz und Akzeptanz in unserer Gesellschaft einzutreten, wenn du dich offen als das identifizierst, was auch immer dir am meisten zusagt. Je mehr Menschen feststellen, dass ihre Freunde und Nachbarn säkulare Menschen sind, desto schwieriger wird es werden, ihre alten Vorurteile aufrecht zu erhalten.
3. Über weltanschauliche Identität sprechen: Säkulare Menschen neigen nicht dazu, sendungsbewusst zu sein (obwohl es Ausnahmen gibt), aber manchmal gibt es auch Momente in denen religiöse Themen im Gespräch aufkommen. Häufig könnte es ein Freund sein, der sich als etwa ein Katholik bezeichnet, aber offen heraus zugibt, dass sie oder er nicht an die Dogmen und Glaubenssätze der Kirche glauben. Oft sind solche Menschen tatsächlich Humanisten, die es jedoch nie Betracht gezogen haben sich als solche zu identifizieren. Diese Gespräche können Gelegenheiten für einen gesunden Austausch sein. Kein Bekehrungsversuch, sondern eine Chance Ideen auszutauschen warum wir uns auf eine bestimmte Weise identifizieren und was wir wirklich glauben.
4. Schließe dich einer nationalen Vereinigung an: Die Verbindung zu einer Vereinigung der zahlreichen säkularen Organisationen vermittelt die Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen, Ideen zu teilen, an Literatur zu bekommen und von Konferenzen oder anderen Ereignissen zu erfahren. Bei dieser Sache gibt es einfach keine Kehrseite oder Nachteile.
5. Beteilige dich an einer lokalen Gruppe oder gründe selber eine: Falls es nicht bereits eine säkulare Vereinigung an deiner (Hoch-)Schule gibt, könnte dir eine der säkularen Organisationen dabei helfen, diese zu gründen. Außerdem haben die meisten säkularen Organisationen Regionalgruppen oder Landesvereinigungen und geben die Gelegenheit, andere Humanisten, Atheisten usw. in deiner Nähe zu treffen. Auch wenn dich in einer Internetcommunity einer Gruppe von Atheisten oder Humanisten anschließt, wirst du dich schnell von säkularen Freunden umgeben sehen. Der Kameradschaftsgeist, den du mit diesen Leuten erleben wirst, macht es zu einer ausgesprochen lohnenden Angelegenheit und zusammen können du und deine lokale Gruppe eine Gemeinschaft aufbauen, um säkulare Ideen in deiner Umgebung zu fördern.
6. Säkulare Positionen bei Feierlichkeiten in Erinnerung rufen: Als Schüler oder Studierender sind die Heirat und das Kinderkriegen wohl die letzten Dinge, an welche du denkst. Eines Tages, möglicherweise, wirst du aber vielleicht über eines der beiden Dinge nachdenken. Das ist der Augenblick, an dem Menschen welche ihr gesamtes Leben eigentlich religionsfrei waren, dazu kommen, wieder in die Kirche ihrer Jugend zurückzukehren: für eine Hochzeit, zur Taufe des Kindes usw. Lass diesen unaufrichtigen Rückfall in traditionelle religiöse Institutionen nicht geschehen! Es gibt heutzutage zahlreiche Möglichkeiten für säkulare Menschen, Hochzeiten oder jugendbezogene Feierlichkeiten umzusetzen. Es gibt humanistische Veranstalter und Redner für jede Gelegenheit, die nur auf deine Nachfrage warten. Wenn Du dich einer nationalen, regionalen oder lokalen Gruppe angeschlossen hast, wirst du leicht mit ihnen in Verbindung treten können.
7. Freunde hinterfragen, welche unbeabsichtigt rückfällig werden: Möglicherweise hast du Freunde, die sogar noch weniger religiös sind als du selber bist, welche die Rückkehr zu ihrer Kirche aus fragwürdigen Gründen in Betracht ziehen; oft geschieht das, ganz aus Gewohnheit und ohne viel Nachzudenken, anlässlich einer Hochzeit. Echte Freunde stellen sich gegenseitig in Frage, wenn sie beim anderen die Außerachtlassung wichtiger Grundsätze beobachten. Das ist so ein Zeitpunkt.
8. Alle säkularen Selbstverständnisse verteidigen: Solang es säkularen Bewegungen gibt, gab es Menschen welche darüber gestritten haben, ob das „wahre“ Selbstverständnis nun das eines Atheisten, Humanisten, Laizisten oder Naturalisten ist. Dieses Gezänk hat der Bewegung geschadet und es führt unvermeidlich zu intellektuellen Debatten, welche sehr wenig bewirken. Und was auch immer für ein Selbstverständnis du vorziehen magst, wirst du verstehen, dass wir zur Verteidigung aller säkularen Selbstverständnisse gegenüber Vorurteilen bereit sein sollten. Auch als Humanist, welcher das Wort Atheist vermeidet und sich nie persönlich nie als solcher bezeichnen würde, musst Du Verständnis dafür aufbringen, dass unsere Bewegung niemals Erfolg haben wird, ohne dass dieser Begriff in der Öffentlichkeit mehr Akzeptanz erlangt. Und falls du ein Hardcore-Atheist bist, welcher Humanisten als „zu weichgespült“ abtut, rufe dir in Erinnerung, dass solche ein Harte-Jungs-Gerede wenig der gesamten Bewegung hilft.
9. Das Wort ergreifen und aktiv werden: Einigen von uns liegt es mehr als anderen, öffentlich aktiv zu werden – und das ist gut so. Dennoch solltest du, soweit es dir behagt, gegen offenkundige Erscheinungen von Religion im öffentlichen Raum oder öffentlichen Einrichtungen deinen Einspruch erheben. Frage deine Lehrer, ob sie das Kruzifix abhängen können, das nach dem Grundgesetz nicht mit einer öffentlichen Schule vereinbar ist. Wende dich gegen ökumenische Gottesdienste an deiner Einrichtung, denn sie diskriminieren nichtreligiöse Menschen. Tritt gegen Parteinahmen von Amtsinhabern für religiöse Überzeugungen ein, denn das widerspricht der Trennung von Staat und Kirchen. Wann immer anmaßend und leichtfertig auf religiöse Ideen und Vorstellungen verwiesen wird, mach darauf aufmerksam, dass nicht jeder solche Positionen teilt.
10. Sich mit säkularen Themen beschäftigen und darauf vorbereitet sein, sie zu diskutieren: Ob es nun um Evolution, das Alter des Universums, die Trennung von Staat und Kirchen, Schwangerschaftsabbrüche, Sexualkunde oder Theologie an sich geht: sei darauf vorbereitet, darüber zu sprechen oder zu diskutieren. Das Schöne an dieser Sache ist, dass die andere Seite hoffnungslos überholte Einstellungen zu all diesen Themen hat. Man kann also eine Menge Spaß haben.
Säkulare Schüler und Studierende leben in einer unglaublichen spannenden Zeit – eine Epoche, die hoffentlich große Fortschritte bringt. Meine Prognose ist, dass einer der säkularen Studenten von heute eines Tages Pete Stark, dem sich freimütig atheistisch und humanistisch bekennenden Abgeordneten aus Kalifornien, in die nationale Gesetzgebung folgen werden. Sie werden auch Geschäftsführer, Diplomaten, Ingenieure, Richter oder Ärzte sein. Und sie werden freimütig säkulare Weltanschauungen teilen, zusammen mit vielen anderen in ihren Gemeinschaften und dem ganzen Land.
Übersetzung: Arik Platzek für wissenrockt.de
Für diesen Artikel wurden Dave Nioses Äußerungen in seinem Beitrag „Advice for today’s secular students“ übersetzt und überarbeitet, um nationalen Besonderheiten und Unterschieden gegenüber den USA Rechnung zu tragen; er deckt sich nicht vollständig dem Original.
Veränderungen sind nur erfolgt, insoweit sie mit Blick auf die Lage in Deutschland nötig waren.