Generalprobe für einen Edith-Jacobson-Damm in Berlin

Umbenennen!

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Wolfram Kastner mit dem provisorischen alternativen Straßenschild
Wolfram Kastner mit dem provisorischen alternativen Straßenschild
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Die Initiative Edith Jacobson probte am 10. April in der Bundeshauptstadt Berlin die Umbenennung des drei Kilometer langen Hindenburgdamms in Edith-Jacobson-Damm. Hierzu schrieb der Aktionskünstler Wolfram Kastner einen Text, den der hpd in voller Länge veröffentlicht.

Seit hundert Jahren ist diese Straße in Berlin-Steglitz zu Ehren des Kriegsverbrechers, Lügenpropagandisten ("Dolchstoß"-Lüge), Demokratiezerstörers und Hitler-Schuhlöffels Hindenburg benannt. Hindenburg setzte mit Notverordnungen die demokratische Weimarer Verfassung außer Kraft, machte Hitler zum Reichskanzler, öffnete damit das Tor für das Verbrecherregime und gratulierte Hitler zu der Mordaktion 1934.

Wer will in so einer Straße wohnen? Freunde der Demokratie?

Eine Straßenbenennung ist eine Ehrung und Würdigung einer Person und kein Geschichtsunterricht. Bürgermeister Kai Wegner und die CDU meinen, man müsste den Straßennamen erhalten, damit wir wissen, was wir nicht wollen. Brauchen wir demnach also auch Hitler-, Stalin-, KZ- und Stasi-Straßen? Ist das Unsinn oder eine faule Ausrede? Dumpfe Ignoranz oder gar Sympathie für die Abschaffung der Demokratie?

Die Grüne Jugend hatte beantragt, den Damm umzubenennen, die alten Grünen und die CDU in der Bezirksversammlung Steglitz stimmten dagegen, SPD und Linke dafür – aber das reichte nicht. Dann wurde vor zwei Jahren beschlossen, den Kriegsverbrecher weiter zu ehren und am Anfang und am Ende des Damms eine Tafel anzubringen, auf der die "Höhen und Tiefen" dargestellt werden sollen. Bis heute gibt es noch nicht einmal einen Textentwurf, geschweige denn zwei Täfelchen. Die Ehrung des Nazisteigbügels bliebe erhalten. Wer liest schon so ein Elaborat – und auf drei Kilometern ist nichts zu sehen von den Abgründen des Hitlerschuhlöffels.

Die Initiative Edith Jacobson ist eine Gruppe, die aus Personen in Berlin, München und Hannover besteht, die endlich Schluss machen wollen mit der Ehrung Hindenburgs in der Bundeshauptstadt.

In Frankfurt, München und Stuttgart wurden Hitler- und Hindenburgstraßen bereits 1946 abgeschafft, aufgrund der Kontrollratsdirektive 30 der Alliierten, derzufolge militaristische und faschistische Ehrenmäler verboten und abzubauen waren. In Bonn, Kiel, Münster und Hannover wurden in jüngster Zeit nach ausführlichen Diskussionen Hindenburgstraßen umbenannt. Die Bundeswehr ist dabei eine Kaserne umzubenennen, weil der Hitlerschuhlöffel nicht dem Ehrenkodex der Bundeswehr entspricht. Aber ausgerechnet die Bundeshauptstadt klammert sich an den Demokratiezerstörer?

Wer war Edith Jacobson?

Edith Jacobson war Ärztin und Psychologin. Sie arbeitete unter anderem an der Charité und schützte ihre Klienten vor den Nazis. Sie unterstützte die Widerstandsgruppe "Neu Beginnen", wurde von der Gestapo verhaftet und zu Zuchthaus verurteilt. Sie stammte aus einer jüdischen Familie und war auch deshalb von den Nazis bedroht, ermordet zu werden.

Mit knapper Not konnte sie schwer krank dem sicheren Tod entfliehen und wirkte als Ärztin und Psychoanalytikerin in den USA.

Sie zu ehren, sollte eine Selbstverständlichkeit für alle Demokraten in diesem Land sein – selbstverständlich auch für die CDU. Unsere nächsten Aktionen für Edith Jacobson werden deshalb vor deren Büro in Steglitz und vor dem Adenauerhaus stattfinden.

Im Juli vergangenen Jahres zeigten wir in einer Aktion, wie der Edith-Jacobson-Damm aussehen wird. Wir wurden mit einem Großeinsatz der Polizei überrascht und festgehalten. Dann gab es Anzeigen und unsinnige Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung und "Amtsanmaßung", die nach einem halben Jahr immerhin kostenfrei eingestellt wurden, mit der freundlichen Drohung, das nächste Mal kämen wir aber nicht davon.

Mehr als 10.000 Unterschriften gingen für unseren Vorschlag und unsere Petition ein. Weitere Unterschriften sind erwünscht.

Fotomontage für den Hindenburgplatz im Berliner Olympia-Park
Fotomontage für den Hindenburgplatz im Berliner Olympia-Park. Foto: © Wolfram Kastner

Auf dem Olympiagelände in Berlin gibt es noch einen zweiten Ehrenplatz für Hindenburg. Dort gibt es nicht eine einzige postalische Adresse, so dass Kosten für Visitenkarten keine Rolle spielen können, die ohnehin nur vorgeschoben werden, denn man kann eine Umbenennung auch kostenneutral halten.

Wir schlagen für diesen Platz Lilli Henoch vor, die Leichtathletin, die zehnmal deutsche Meisterin wurde, im Kugelstoßen, Diskus und Weitsprung. Sie stellte vier Weltrekorde auf. Da sie aus einer jüdischen Familie stammte, wurde sie 1942 von den Nazis ermordet. Es gibt bereits einen Vorschlag für ein gestaltetes Erinnerungszeichen auf dem künftigen Lilli-Henoch-Platz.

Es gibt viele positive Ansätze und einige Erfolge in der ganzen Republik. Im bayerischen Voralpenland wurde die Ehrenbürgerschaft Hitlers und Hindenburgs nach einigen schwierigen Auseinandersetzungen beendet und ein Hindenburgbronzekopf des Nazibildhauers Thorak von der Klosterwand in Dietramszell abgenommen und im Museum archiviert. Einige der Aktivisten wurden dafür zwar symbolisch am Galgen erhängt, waren aber letztlich doch erfolgreich beteiligt.

In der Bundeshauptstadt sollte eine Umbenennung bald möglich sein.

Unterstützer unserer Anliegen können die Petition unterschreiben, sich schriftlich an den Regierenden Bürgermeister Berlins, Kai Wegner, und den Bezirk Steglitz-Zehlendorf wenden. Man kann der Initiative auch schreiben und wenn gewünscht mit einer Spende zum Gelingen beitragen.

Hinweis:
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) sendete in der "Abendschau" am 10.04.2025 einen sehenswerten Beitrag.

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