ZÜRICH/CH). (hpd) Amerikas "Chefatheist" David Silverman geht mit Religionen und deren Vertretenden gnadenlos ins Gericht. Auf seiner Europa-Tour kam der American Atheists-Präsident nach Basel und Zürich, um sein neues Buch "Fighting God" und den sogenannten "Firebrand Atheism" vorzustellen: die Universalwaffe gegen die "grösste Lüge der Menschheitsgeschichte".
"Sagt, dass ihr Atheisten seid, und hört mit diesem Freidenker-Bullshit auf", proklamiert Amerikas "Chefatheist" David Silverman bei der Mikrofonprobe im Zürcher Zentrum "Karl der Grosse" und legt damit vorzeitig den Grundstein für ein radikales Referat voller Überzeugung, Tatendrang und Strebsamkeit.
Schonungslose Aufklärung
Zu Beginn seines Vortrags hebt der Präsident der amerikanischen Atheisten hervor, dass Hardline-Atheismus sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene die effektivste Waffe gegen Religion sei: "Wenn ihr Religionen respektiert, so handelt ihr egoistisch und eigennützig." Ein vorsichtiges Vorgehen im Kampf gegen die Religion sei der falsche Ansatz, wenn man etwas verändern möchte: "Religion ist ein Gift, dass aus den Wunden der Befallenen ausgesogen werden muss. Es liegt an uns, ihnen dabei zu helfen."
Bei dieser Hilfestellung gehe es in erster Linie jedoch nicht darum, religiöse Menschen zum Atheismus zu bewegen: "Unser Ziel ist die Hoffnung der Aufklärung. Religiöse Menschen sind indoktrinierte Opfer ihrer sozialen Umgebung. Wir müssen die Ideologie angreifen, nicht den Menschen, und uns dabei jeglicher Dogmen enthalten."
Fakten, keine Beleidigungen
Respektlosigkeit gegenüber jeder Religion: Das ist die unerschrockene Firebrand Atheism-Strategie, für die der Name David Silverman steht. Unter seiner Führung fanden in den USA PR-trächtige Werbeaktionen und Megaveranstaltungen wie die "Reason Rally 2012" statt, die als grösste atheistische Veranstaltung in die Weltgeschichte eingegangen ist.
Die wichtigste Regel beim Firebrand Atheism ist, dass Atheisten die Gläubigen nicht beleidigen: "Beschimpfungen sind Zeichen schwacher Argumente. Wir haben die stärksten Argumente auf unserer Seite, nämlich Fakten und Daten", sagt Silverman, "deshalb sind wir in der Pflicht, das Kind beim Namen zu nennen: Religion ist eine Lüge und alle Götter sind falsch."
Silverman bekräftigt, dass er für gläubige Menschen Mitgefühl habe und sie genau deshalb nicht vor der brutalen Wahrheit schone. "Ich respektiere alle Menschen als Person, doch den Glauben respektiere ich nicht. Wer an Gott glaubt, ist nicht dumm, sondern Opfer der grössten Lüge in der Geschichte der Menschheit."
"Hört auf, euch Freidenker zu nennen"
Nicht nur in Amerika, sondern überall auf der Welt sei es wichtig, keine Angst davor zu haben, sich als Atheist zu positionieren: "Relativierende Euphemismen wie Skeptiker, Humanisten, Säkulare, Agnostiker und Freidenker schaden unserer Sache", sagt Silverman, "in der Regel werden diese Begriffe von verkappten Atheisten verwendet, um nicht anzuecken." Nur Atheismus sei der korrekte Terminus, bei dem alle verstünden, was gemeint sei.
Durch die sprachliche Verwässerung entstehe ein falsches Bild von Gottlosen, besonders in Amerika: "Viele denken, es gebe in den USA nur etwa drei Prozent Atheisten. Dabei kommt man durch das Zusammenzählen aller Atheisten, die sich hinter einem Euphemismus verstecken, locker auf rund dreissig Prozent. Dass wir uns nicht klar positionieren, schadet unserer Sache enorm."
"Ein atheistischer US-Präsident wird kommen"
Seine fundamentale Haltung begründet der 49-jährige Amerikaner unter anderem durch die durchdringenden Missstände in seinem Land: "Stets betonen wir die Gleichheit unserer Bürger, doch wer nicht an Gott glaubt, kann beispielsweise eine Karriere in der Politik gleich wieder vergessen." Silverman sagt, er wisse aus persönlicher Erfahrung, dass sich im US-Senat Dutzende Atheisten verstecken, die nicht offen zu ihrem Unglauben stehen können. "Bis wir einen offen atheistischen US-Präsidenten haben, geht es bestimmt noch einige Jahrzehnte. Aber er oder sie wird kommen. Die religiöse Landschaft in den Vereinigten Staaten entwickelt sich im Eiltempo zu unseren Gunsten."
Korrektes Kritisieren
Mängel und Unrechtmässigkeiten gegenüber Atheisten beobachtet Silverman nicht nur in der Politik, sondern in fast allen gesellschaftlichen Bereichen: "Als Gläubiger geniesst man überall Privilegien. Viele fühlen sich nur deshalb beleidigt, wenn man ihren Glauben kritisiert, weil sie Angst davor haben, ihre Sonderstellung zu verlieren."
In diesen Fällen ist es wichtig, den Gläubigen klarzumachen, dass sich die Kritik nicht auf die Person, sondern auf die Religion bezieht: "Atheisten müssen sich bei Religionskritik den Nuancen religiöser Komponenten bewusst sein: Gott, Geister, Wunder und Offenbarungen basieren auf einer Lüge. Die karitative Arbeit der Kirche hat damit nichts zu tun und existiert nur, weil helfende Menschen empathisch sind. Das sind soziale Werte ohne religiösen Ursprung, die Respekt verdient haben."
Fighting God
Silverman schliesst sein Referat mit der Aufforderung, sein atheistisches Manifest für eine religiöse Welt, "Fighting God", so schnell wie möglich vorzubestellen: "Durch gute Vorverkaufszahlen sind grosse Zeitungen und religiöse Magazine dazu gezwungen, über das atheistische Manifest zu berichten. Dadurch erreicht unsere Botschaft höhere Resonanz." Das Buch zeige die Wahrheit über Religion und deren negative Effekte auf die heutige Gesellschaft sowie die wesentlichen Beweise dafür auf, wie die Inexistenz Gottes erfolgreich nachgewiesen werden kann.
David Silverman, Fighting God: An Atheist Manifesto for a Religious World, Thomas Dunne Books, 1. Dezember 2015, ISBN 9781250064844 - Eine deutsche Fassung ist noch nicht angekündigt.
Siehe auch: "Silverman vs. Gott" von Bernd Kammermeier
5 Kommentare
Kommentare
Georg Marx am Permanenter Link
Super Text, und sehr wahr!
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Ich denke Silverman verkennt, dass es bei Freidenkern nicht nur um um Atheistmus geht. Freidenker sind meiner Ansicht nach links bzw.
Wohl bin ich jedoch der Auffassung, dass selbst wenn man mit seinem nicht-Glauben keinen Alleingültigkeitsanspruch vertritt, man dennoch selbstbewusst als Atheist auftreten könne und nicht den Begriff Agnostiker verwenden sollte.
Agnostiker ecken nicht an, da damit nicht mehr klar erkennbar ist, ob es a) ein Atheist ist der sich nicht traut Farbe zu bekennen, oder b) die Konfrontation scheut und damit ausdrücken will, dass er keinen Wahrheitsanspruch erhebt, oder c) ob es sich dabei um einen Gläubigen handelt der hin und wieder mit Zweifeln an seinem Glauben kämpft.
Berthold Fritz am Permanenter Link
Conszient
Unter diesem Begriff könnte man Alle zusammen benennen, die sich bewusst nicht von den üblichen Religionen vereinnahmen lassen.
Ein Conszient ist ein bewusster Mensch, weltanschaulich gefestigt, dabei unabhängig religiös im Sinne einer Rückbindung an seine Einsichten und bisherigen Erfahrungen, frei in seinen Entscheidungen, ungebunden an Autoritäten, eventuell zusammengeschlossen mit Gleichgesinnten in einer evolutionär- naturalistisch gesinnten, humanistischen Weltanschauungsgemeinschaft.
Was hält der Hpd davon?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich bin Atheist (rein rational, wenn gewollt, atheistischer Agnostiker; ggb. den meisten 'Göttern' Ignostiker). Beinhart und kompromisslos. Bzgl. des etwas genauer definierten kath.
Silvermans klare Haltung unterstütze ich daher.
Auch nachvollziehbar, dass er sich gute (Vor)verkaufszahlen wünscht; ist aber m.E. etwas deplaziert.
pavlovic am Permanenter Link
Dan Barker (gefallener amerikanischer evangelikaler Prediger, aktiv in der FFRF) erzählte auf einer Atheistenkonferenz, dass gerade für einen Fundamentalisten, der er einmal war, die Begegnung mit einem "richtige