Schmidt-Salomon ist "kein Chef-Atheist"

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Dr. Michael Schmidt-Salomon und Prof. Dr. Armin Kreiner (v.l.) (Foto: Exzellenzcluster "Religion und Politik"/Brigitte Heeke)

MÜNSTER. (hpd/exc) Der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Dr. Michael Schmidt-Salomon, will in den Medien nicht als “Chef-Atheist” auftreten. Auch sei er kein “militanter Atheist”, wie ihm oft vorgeworfen werde, sagte er am Dienstagabend in Münster.

“In all meinen Jahren als Religionskritiker habe ich keinen einzigen ‘militanten Atheisten’ getroffen, wohl aber militante Gläubige, die vor Morddrohungen nicht zurückschrecken.” Als Beispiele für religiöse Gewalt nannte er islamistische Anschläge, Schüsse von US-Evangelikalen auf Abtreibungsärzte und die Verfolgung zehntausender Kinder in Nigeria als Hexen durch extremistische Christen. “Ohne diese Gewalt und den Fundamentalismus hätte sich der ‘neue Atheismus’ wahrscheinlich gar nicht entwickelt.”

Schmidt-Salomon sprach am Exzellenzcluster “Religion und Politik” in einer Diskussion über “Atheismus und traditionelle Religion”. Er betonte, er verstehe sich nicht als “Atheist”, sondern als “Humanist mit naturalistischer Weltsicht”, die teils in deutlichem Kontrast zu den traditionellen Religionen stehe, teils aber auch Übereinstimmungen zeige. Der “Medienhype um den neuen Atheismus” habe inzwischen erfreulicherweise nachgelassen und die Bevölkerung festgestellt, dass “die angeblich so gefährlichen ‘Atheisten’ ganz normale Leute sind”. Die Debatte habe auch verdeutlicht, dass sich größere Teile der Bevölkerung längst von den “Vorgaben ihrer Ursprungsreligionen” verabschiedet hätten. “Täglich outen sich Abertausende im Internet als Nichtgläubige.”

“Neandertaler von morgen”

Autoren, die als “neue Atheisten” bezeichnet werden, geht es Schmidt-Salomon zufolge nicht um den Gegensatz von Theismus und Atheismus, sondern um eine naturalistische Weltsicht. “Wir sehen den Menschen nicht als ‘Krone der Schöpfung’, sondern als ‘Neandertaler von morgen’.” Trotz aller kulturellen Leistungen stehe der Mensch nicht über der Natur, sondern sei Teil von ihr. Diese Einsicht nähre trotz Kritik an den Religionen den “Sinn und Geschmack fürs Unendliche”, mit dem der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher das Religiöse definiert habe. Der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung sagte, “neuer Atheismus” sei eine Fremdzuschreibung, mit der Autoren wie Richard Dawkins, Daniel Dennett und er seit 2006 “etikettiert” worden seien.

Der Münchner Fundamentaltheologe Prof. Dr. Armin Kreiner warnte vor “allzu gewissen Antworten auf die Frage nach der Existenz Gottes”. Die Welt sei sowohl naturalistisch als auch religiös interpretierbar. “Bevor man darüber diskutieren kann, ob Gott existiert, sollte man sich verständigen, was mit dem Gottesbegriff gemeint ist.” Der Forscher fügte hinzu: “Die Antwort auf die Frage, ob es Atome gibt, hängt ja ebenfalls davon ab, was man darunter versteht.” Was heute als Atom verstanden werde, sei keinesfalls das, was es für antike Atomisten gewesen sei, “nämlich ewig, unzerstörbar und unteilbar. Zumindest teilweise scheint es sich mit dem Gottesbegriff ähnlich zu verhalten.”

“Eine Gesellschaft ohne gemeinsames Bekenntnis”

Bei der Frage nach der Existenz Gottes gehe es nicht darum, ob man überhaupt an Gott glauben könne, sondern ob der Glaube rational vertretbar sei, sagte der Theologe. “Die Beweislage wird kontrovers eingeschätzt.” Eine Patentlösung gebe es leider nicht. “Wir haben jedoch gelernt, gegensätzliche religiöse Überzeugungen zu respektieren, zu tolerieren oder gegebenenfalls einfach zu ignorieren. Was bis weit in die Neuzeit für völlig unmöglich gehalten wurde, scheint doch einigermaßen zu funktionieren: eine Gesellschaft ohne ein gemeinsames Bekenntnis.”

Schmidt-Salomon fügte hinzu, kein “neuer Atheist” habe je bestritten, dass es einen “unvorstellbaren Gott” geben könne. Er kritisiere allein den Glauben an einen “vorgestellten Gott”, dem Menschen Eigenschaften zuschrieben, “die entweder mit unseren Erfahrungen und Erkenntnissen kollidieren, wie der Evolutionsbiologie, oder die ethisch problematische Konsequenzen nach sich ziehen”. Als Beispiel dafür nannte Schmidt-Salomon die “in den Heiligen Schriften dokumentierte Homophobie des abrahamitischen Gottes”. Er fügte hinzu, mit den Begriffen “Theismus” und “Atheismus” lasse sich kaum arbeiten, da sie viel zu grob seien. “Atheismus” sei auch deshalb problematisch, weil sich ein Sachverhalt nur bestreiten lasse, wenn er klar definiert sei – “was jedoch bei der Frage nach der Existenz Gottes nicht der Fall ist.” (vvm/bhe)