Aufklärung und Kritik 2/2019 erschienen

Das aktuelle Heft von "Aufklärung und Kritik" (AuK), der umfangreichen Vierteljahreszeitschrift der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg, ist erschienen. Die Redaktion hat dem hpd wieder das Vorwort zu Verfügung gestellt.

In der letzten Ausgabe 2018 hat sich Dennis Schmolk als langjähriger Autor des Vorworts dieser Zeitschrift verabschiedet. An seiner Stelle möchte nun ich, Ulrike Ackermann-Hajek, Sie hiermit zur Lektüre der ersten regulären Ausgabe des Jubiläumsjahres einladen. Seit nunmehr 25 Jahren erscheint unsere Zeitschrift mit dem titelgebenden Motto "Aufklärung und Kritik", und von diesem Anspruch, den auch diese Frühjahrsausgabe des 26. Jahrgangs einlösen möchte, lässt sich die Redaktion auch in der Zukunft leiten.

Im ersten Beitrag untersucht Prof. Dr. Wulf Kellerwessel "David Millers nationalen Liberalismus und seine Konsequenzen für eine Ethik der Migration". Im Mittelpunkt stehen dabei Millers Thesen, die er in seinem Werk "Fremde in unserer Mitte" von 2017 aufgestellt hat, besonders seine Auffassungen von Pflichten innerhalb einer Nation und seiner besonderen Wertung der Menschenrechte. Dies alles wird einer kritischen Würdigung unterzogen.

Im zweiten Artikel stellt Reinhard Fiedler "Überlegungen zur Moralbegründung" vor, um zu eigenen Folgerungen zu gelangen. In dem sehr informationsreichen Beitrag werden erst verschiedenartige Positionen zur Moralbegründung in ihren Widersprüchen vorgestellt, dann Protagonisten einer vernünftigen Moralbegründung, um schließlich unter dem Stichwort "aufgeklärtes Selbstinteresse" die Begründungsentwicklung von Bentham über Peter Singer bis Hans-Joachim Niemann nachzuzeichnen. Am Ende zieht der Autor eigene Schlüsse zu moralischen Verhaltensregeln und deren Begründungen.

Den Abschluss des Moral- und Ethikblocks bildet der Aufsatz von Prof. Dr. Johannes Fritsche über "Kants Ethik als Rekonstruktion des alltäglichen Moralverständnisses in pluralistischen und egalitären Gesellschaften". Im Gegensatz zu vielen modernen Kritikern Kants möchte der Autor in diesem Text nachweisen, dass Kants Ethik die beste für moderne und postmoderne Zeiten sei. Er hält sie für geeignet, Leitfaden bei einer der wichtigsten Aufgaben der politischen Philosophie nach dem 20. Jahrhundert zu sein, nämlich Kriterien an die Hand zu geben, die pluralistische Gesellschaften von jeder Form des rechten oder linken Totalitarismus trennen.

Als ein Nachtrag zum Lutherjahr könnte Christian E.W. Kremsers Artikel "Das Postulat der Existenz Gottes in der praktischen Philosophie Immanuel Kants – Eine philosophische Neuformulierung von Martin Luthers dogmatischem Grundsatz 'sola fide'?" gesehen werden. Dieser These des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. nähert sich Kremser, indem er zunächst die Rolle von Glauben und Vernunft sowohl bei Luther als auch bei Kant und ihr Verhältnis zueinander beim jeweiligen Autor untersucht. Zum Schluss bewertet er die These und zeigt Erklärungen auf, wie solch eine These in die Tradition gelangen konnte.

Die weiteren Artikel dieser Ausgabe befassen sich mit ganz verschiedenen Aspekten der Philosophie. So stellt Prof. Dr. Harald Seubert in seinem Artikel "Hannah Arendt – ein intellektueller Neuanfang" diese "Lichtgestalt der Ideengeschichte" (S. 72) vor, zuerst mit Hilfe einer griffigen Biographie, in der ihre Erfahrungen mit den Schrecken des 20. Jahrhunderts und ihre tiefsitzende Heimatlosigkeit thematisiert werden. Damit in Zusammenhang stehend wird die Entwicklung ihres Denkens als "politische Theorie" dargelegt, sowie ihre eigene zu der Philosophin, die das Leben des Geistes als Phänomenologie der betätigten menschlichen Fähigkeiten begreift und darstellt.

Dr. Jutta Georg setzt sich in ihrem Beitrag "Zur Dramaturgie der psychoanalytischen Therapie – Erinnern und Vergessen: Nietzsche und Freud" mit zwei Klassikern der modernen Innenschau des Individuums auseinander. Dabei betont sie besonders die unterschiedlichen Grund- und Zielmotivationen der beiden. Während Freud auf die Heilung von Krankheiten zielt, will Nietzsche "die große Gesundheit" fördern. Die daraus resultierenden unterschiedlichen Sichtweisen auf den Menschen und die ihn umgebende Gesellschaft werden hier fast dialogisch gegenübergestellt.

Die antiken Wurzeln vieler moderner Fragen und Antwortversuche legt Dr. Robert Zimmer in seinem Aufsatz "Lebenskunst als Thema der antiken Philosophenschulen" frei. Ausgehend von der völlig anderen Bedeutung der Philosophie für das Leben der sie Betreibenden in der Antike verfolgt der Autor die zwei Grundanschauungen der kontemplativen und der pragmatischen Lebensführung von ihrer Entstehung bis in ihre modernen Erscheinungsformen. Als Fazit zeigt er ihre immer noch bedenkenswerten Anregungen für die eigene Lebenspraxis als Alternative zu psychologischen oder theologischen Heilsversprechen.

Wie über das Leben, so wird auch über den Tod seit der Antike philosophiert, und so schließt sich Dr. Kai Hauckes Abhandlung über "Die Physiognomie toter menschlicher Körper – Ein interdisziplinärer Beitrag zur Philosophie des Todes" nahtlos an. Da in dem vorhandenen Diskurs in der Philosophie des Todes meist der Blick auf den toten Körper und seine Wirkungen ausgespart bleiben, ist es das Anliegen des Autors, mit diesem eindrucksvollen Text aufzuzeigen, dass und inwiefern die direkte Wahrnehmung toter Körper die vielfältigen Fragen und Antwortversuche der Menschheit "evoziert" hat.

Der folgende Aufsatz von Dr. Claudia Simone Dorchain mit dem Titel "Männersache Logik? Das 'bewegliche' Vorurteil geschlechtsspezifischer Erkenntniszugänge" setzt sich mit dem in der Philosophiegeschichte häufig anzutreffenden (Vor-)Urteil über den mangelhaften Zugang von Frauen zum Erkenntnisprozess auseinander. Die Autorin eröffnet, jenseits möglicher historischer Ursachen, in ihrem Artikel die philosophische Diskussion der Frage: Denken Männer und Frauen wirklich so unterschiedlich oder interpretieren wir nicht vielmehr Männlichkeit und Weiblichkeit in das Denken hinein?

Um wieder andere Aspekte von kognitiven Fähigkeiten geht es in Maike Riedingers Text "Tierliche Aktivität als Ziel und Hindernis ethologischer Forschung – Philosophische Implikationen der Erforschung kognitiver Fähigkeiten des Graupapageien Alex". Ausgehend von den Forschungen der Ethologin Irene Pepperberg untersucht die Autorin die Rolle der (Wissenschafts-)Philosophie, ob und inwiefern diese zu einem veränderten Verständnis von Tieren führen kann, und inwiefern ethologische Ergebnisse tierethische Argumente für ein verändertes Verhältnis zu Tieren bereitstellen.

Ein philosophiehistorisches Großprojekt hat Peter Kopf mit seinem Aufsatz "Der Beitrag der Wissenschaften zur Säkularisierung Europas" in Angriff genommen. Der hier zunächst veröffentlichte Teil 1 umfasst eine gründliche Klärung sämtlicher relevanten Begriffe und stellt das diesbezügliche Erbe der Antike bis zur Ausbreitung des Christentums im römischen Reich dar.

Das FORUM beginnt mit Dr. Bruno Heidlbergers zweitem Teil seiner Gesamtschau "50 Jahre ’68’ – Wege und Irrwege eines demokratischen Aufbruchs – Antiautoritäre Revolte versus Autoritäre Revolte. Wohin geht unsere offene Gesellschaft?". Anschließend setzt Prof. Dr. Herbert Keuth eine Diskussion zum Wahrheitsbegriff aus AuK 2/2018 fort, mit dem Titel "Zur Definierbarkeit des Wahrheitsbegriffs". In einem Essay über Steven Pinkers 2018 erschienenes Buch "Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress" stellt Prof. Dr. Dr. Harald Walach unter dem Titel "Schöne neue Welt?" Überlegungen zum Selbstverständnis der Wissenschaften an, besonders der Naturwissenschaften. Mit Fragen, die uns die Zeit stellt – im direkten und im übertragenen Sinne – setzt sich Jan Opielka in seinem Text "Angst und Zeit" auseinander. Dr. Klaus Mattheß erläutert einen besonderen Aspekt von Luthers Lehre in "Luthers Lehre vom unfreien Willen – heute – Luthers Lehre vom unfreien Willen im Lichte der aktuellen Debatte um die Willensfreiheit". Indiens religiöse Tradition steht im Fokus von Gopal Kripalanis Ausführungen "EROS (Kâma) in der Philosophie, Kunst und Literatur Indiens".

In altbewährter Weise schließen diverse interessante Rezensionen den Band ab.

Bezug der Ausgabe über die Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg via Internet: www.gkpn.de (Schutzgebühr 12,00 EUR zuzügl. 1,70 EUR Verp. u. Porto).

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