Kirchliche Profiteure

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BERLIN. (hpd) Der Bericht der Bundesregierung zur Erhebung der Kirchensteuer auf die Kapitalertragssteuer verdeutlicht, dass die Kirchen dabei Profiteure eines unsozialen und datenschutzverletzenden Steuersystems sind.

Anfang September wurde der Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des vorläufigen Verfahrens der Erhebung der Kirchensteuer auf die Kapitalertragsteuer publiziert (Drucksache 17/2865 des Deutschen Bundestages). Die im Bericht evaluierte Kirchensteuer auf die Kapitalerstragsteuer ist Bestandteil des im Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 der damaligen rot-grünen Bundesregierung enthaltenen Einführung einer Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Danach wurden ab 2009 Zinsen, Dividenden, Erträge aus Wertpapieren und Investmentfonds sowie aus Zertifikaten pauschal und unabhängig von der Haltedauer der Papiere statt über die Einkommenssteuererklärung mit 42 nur noch pauschal mit 25 Prozent besteuert. Eine Steuererklärung ist nicht mehr nötig, da die kontoführenden Banken die Steuerschuld für jeden Kunden an das Finanzamt abführen. Damit sind die Ansprüche des Staates abgegolten, daher der Name Abgeltungsteuer. Dieses Abzugssystem umfasst auch den Solidaritatszuschlag und die Kirchensteuer, die ab dann als Vorabsteuer auf die Kapitalerträge der Steuerpflichtige zu entrichten sind.

Die Kirchensteuer ist mit den Krankheiten der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge infiziert

Als Bestandteil des Abgeltungssteuersystems übernimmt die Kirchensteuer automatisch alle dessen Charakterzüge. Ausser ihren eigenen, bereits bekannt berüchtigten Verfassunswidrigkeiten bekommt sie dadurch noch einen Hauch des polarisierenden Unsozialen. Jahrelang hatten die Finanzpolitiker angeblich aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit um die Einführung dieses Systems der Abgeltungsteuer gerungen. Mal war die SPD dafür, die CDU dagegen, dann wieder war es umgekehrt. Denn der bis dann bestehende Besteuerungspraxis bei Gewinnen aus Aktien- und Immobilienbesitz wiess erhebliche Defizite auf.

Sie war insbesondere bei Gewinnen aus Wertpapiergeschäften seit Jahren verfassungswidrig. Besserverdiener müssten ihre Kapitalerträge zwar theoretisch mit dem persönlichen Einkommensteuersatz von bis zu 42 Prozent versteuern. In der Praxis wurden die Einkünfte aber oft ins Ausland geschafft und damit der Steuer entzogen. Geschätzt wird, dass damals - aber auch noch heute - die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland jedes Jahr Vermögenseinkünfte in der Größenordnung von mindestens 100 Milliarden Euro beziehen. 2003 z. B. wurden aber nur 17 Milliarden Euro Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert. Symbolisch für diese Auslegung des Prinzips des verpflichtenden Eigentums war der Fall des ehemaligen Chefs der Deutschen Post, der Kapitaleinkünfte in nicht geringer Höhe verheimlichte. Zumwinkel ist kein Einzelfall. Tausende Zuwinkels nutzen dafür Nummernkonten in der Schweiz, Stiftungen in Liechtenstein oder Steueroasen in der Karibik. Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt, dass jährlich insgesamt rund 30 Milliarden Euro hinterzogen werden. Auch gab es z.B. für Gewinne aus der Veräußerung von Aktien zwar Spekulationsfristen von einem Jahr, aber die endgültigen Einnahmen wurden in aller Regel den Finanzämtern nicht gemeldet. Diese sind durch chronischer Personalmangel auch nicht in der Lage, derartige Gewinnrealisierungen von sich aus aufzudecken.

Scheinbar mit recht verteidigte deshalb der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), auch gegenüber Kritikern in den eigenen Reihen, die Steuersenkung von 42% auf 25% mit der Bemerkung: „Besser 25 Prozent von X, als 42 Prozent von nix.“ Nur schaffte dieses Gesetz de facto keineswegs eine andere bzw. gerechtere Situation als vorher und zieht nun auch noch die Kirchensteuer in den moralischen Abgrund.

Grundsätzlich verletzt jetzt auch die Kirchensteuer im Bereich der Kapitalerträge das Prinzip der Steuergerechtigkeit bzw. der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Er trifft die Kleinsten am härtesten, da zunächst für die Kirchensteuer überhaupt Kapitaleinkommen im oberen Einkommensbereich gegenüber Arbeitseinkommen bevorteilt wird und gläubige Anleger mit einem Einkommensteuersatz von unter 25 Prozent im Vergleich zum vorherigen Verfahren draufzahlen, weil:

  • Mit den einheitlichen 25 Prozent für diejenigen Gläubigen, die vom Vermögen leben, die Steuerprogression entfällt. Das richtige Prinzip, dass mit dem Einkommen der Steuersatz steigt, wird so abgeschafft.
  • Der Sparerfreibetrag wird auf 801 Euro zusammengestrichen;
  • Großanleger können ihre ihre Verluste aus Aktiengeschäften mit Kapitalerträgen aus anderen Anlagen verrechnen;
  • Die Steuerfreiheit für langfristige Aktienanlagen wegfällt und somit die Vorsorge für die alten Tage des gläubigen Normalsparers benachteiligt wird;
  • Die Steuerhinterziehung durch schwarze Kapitalanlagen in den Steueroasen kaum verhindert wird, da die sogenannte EU-Zinsrichtlinie zur Informationsaustauschpflicht de facto noch immer nicht funktioniert. Auch weil sie nur Zinsen und nicht aber Dividenden oder Veräußerungsgewinne erfasst;
  • Jeden Tag neue Steuerschlupflocher durch die Blätter der Geldanlagemedien und Steuerberater entdeckt werden;
  • etc.

Indem die Kirchen selbst zu bewussten Trägern und Projektanten dieser steuermoralisch degradierenden und sozial polarisierenden Wirkung des Steuersystems werden, verlieren sie erneut grosse Teile ihrer angeblichen sozialmoralischen Legitimation. Schon als Teil des Systems der Kapitalertragssteuer generell: Die Feststellung der Steuerschuld wird hier durch die Mitteilungen der Vermögensverwalter geregelt. Ausgerechnet die Banken, die systematisch Steuerhinterziehung vermitteln, werden zur Vertrauensinstanz des Finanzamtes. Kritiker bezeichnen diesen Zustand dann auch als „ steuerliche Selbstverwaltung der oberen Zehntausend“ oder als „Konjunkturprogramm für Luxemburger und Schweizer Banken".

Dies gilt auch bei der Kirchensteuer speziell. Die für die Vorabkirchensteuer auf die Kapitalertragsteuer mit den Kirchen ausgehandelte vorläufige Übergangslösung bis 2011 wurde durch eine besondere Kommission evaluiert und ihre Ergebnisse (der hier besagte Bericht) sind bindend für die zukünftige Einführung eines „umfassenden verpflichtenden Quellensteuerabzugs auf der Grundlage eines elektronischen Informationssystems.“ Die Zusammensetzung dieser Kommission entspricht nun genau der gleichen Logik wie die obige Selbstverwaltung der oberen Zehntausend, d. h. Vertreter der Kirchensteuer erhebenden Körperschaften, der Kreditwirtschaft, der Versicherungswirtschaft, der obersten Finanzbehörden der Länder, des Bundeszentralamts für Steuern und des Bundesministeriums der Finanzen. Ohne demokratische Vertretung der Betroffenen bestimmen die Eintreiber allein den Weg und die Höhe der Pfründe.

Big Brother kommt durch das Kirchentor

Die schon in der Realisierung der Kirchensteuer prinzipiell angesiedelte Verfassungswidrigkeit steigert sich durch die Kirchenabgeltungssteuer noch zusätzlich und zementiert die mangelhafte Trennung von Kirche und Staat in Deutschland. Ist es doch das explizite Ziel der evaluierenden Kommission, die zum Abzug verpflichtete Stelle in der Zukunft in die Lage (zu) versetz(en),

„den Abzug entsprechend der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auf einfache Weise durchzuführen oder zu unterlassen, falls keine entsprechende Mitgliedschaft vorliegt. Dies wird mit der Einrichtung einer Datenbank ermoglicht, die es den Stellen, die die Kapitalertragsteuer einzubehalten haben, erlaubt, auf elektronischem Wege festzustellen, ob ein Steuerpflichtiger Angehöriger einer Religionsgemeinschaft ist oder nicht, und gegebenenfalls, welcher Religionsgemeinschaft er angehört und welcher Kirchensteuersatz für ihn anzuwenden ist. Damit wird den Kirchen das Aufkommen der Kirchensteuern dauerhaft gesichert. (…) Sobald die Überprüfung ergibt, dass beim Bundeszentralamt für Steuern die Daten über die Religionszugehörigkeit der Steuerpflichtigen verfügbar sind, wird durch ein weiteres Gesetzgebungsverfahren ein zwingendes Quellensteuerabzugssystems mit der Möglichkeit einer elektronischen Abfrage des Religionsmerkmales beim Bundeszentralamt eingeführt.“

Dieses Vorhaben passt sich handfest ein in die manigfaltigen Bestrebungen, die Grundlagen des demokratischen Staates zugunsten von autoritären Überwachsungstrukturen zu ändern. Es verstößt nicht nur gegen die Leitlinien des deutschen Datenschutzes sondern steht in prinzipiellem Widerspruch zu Artikel 8, § 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Obwohl die für Kirchen anwendbaren Schlupflöcher hier natürlich eingebaut sind: „Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben.“

Das muss auch der Evaluierungsbericht zugestehen. Aber er windet sich in wolkigen Erklärungen, die in der Feststellung gipfeln, dass „die zwingende Erforderlichkeit der Erhebung, Übermittlung und Speicherung des Datums „Religionszugehörigkeit“ (…) deshalb für amtliche Modelle eines endgültigen automatisierten Verfahrens gesondert zu prüfen (ist).“

Die Ernsthaftigkeit dieser Absicht wird aber dadurch infrage gestellt, dass der Bericht nur ein einziges Modell der Datenerfassung favorisiert und umfassend darstellt. Es beinhaltet die Erfassung der Religionszugehörigkeit gekoppelt an die berüchtigte Identifikationsnummer der Steuerpflichtigen mit seiner Potenz als flächendeckende bundesweite Vorratsdatenspeicherung. Diese Option wird durch die Autoren „im Hinblick auf die in Artikel 4 Absatz 1 GG verankerte Religionsfreiheit der betroffenen Kunden als verfassungsgemäß beurteilt, da es zur Sicherstellung einer geordneten Besteuerung, zu der der Staat nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 6 WRV gegenüber den Kirchen verpflichtet ist, erforderlich und dem Kunden bei Wahrung des Datenschutzes zumutbar sein dürfte [sic …].

Schon jetzt wird im Rahmen des Kirchensteuereinzugverfahrens das Grundrecht auf Religionsfreiheit als untergeordnet betrachtet: Lohn- und Gehaltsempfänger müssen ihrem Arbeitgeber ihren Konfessionsstatus offenbaren. Letztendlich soll es in diesem neuen Verfahren dann zu einem automatisierten „Religionsschlüssel“ kommen, der zentral alle Daten des Gläubigen enthält und auch für die Lohnsteuer angewandt werden soll. Diese Schlüssel müssen für die 69 verschiedene Kirchensteuergläubiger zugelassen werden (27 Diözesen, 22 Landeskirchen, 11 jüdische Landesverbande/Gemeinden, 5 freireligiöse Gemeinden, das Bistum der Altkatholiken und je eine Auffangmöglichkeit für jüdisch, katholisch und evangelisch), sodass ein enormer bürokratischer (kirchlich verwalteter?) Apparat zu erwarten ist. Dieser ganze, neue systemische Automatismus untergräbt mit Hilfe der Kirche das verfassungsmässige Recht auf informationelle Selbstbestimmung immer weiter. Um so mehr, da ein Zugriff von anderen Institutionen, ja sogar private Banken auf die Zentraldatei nicht auszuschliessen ist.

Das allternative durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vorgeschlagene Modell, das auf die Ubermittlung des Datums „Religionszugehörigkeit“ an die Kirchensteuerabzugsverpflichteten verzichtet, liegt demgegenüber nur in „Eckpunkten“ vor und soll, so die Kommission, noch eine vertiefte Prüfung erfordern. Wer sich mit solchen Verfahren auskennt, weiß, was diese Formulierung bedeutet!

Immer mehr wird die Verzahnung von Kirche und Staat zu einer Gefahr der verfassungsmäßigen sozialen und politischen Rechte, die Kirchensteuer zu einem ihrer beliebtesten Instrumente. Die Abschaffung der staatlich regulierten Kirchensteuer wird somit zu einer dringenden Aufgabe für alle demokratische Kräfte des Landes.

R. Mondelaers

Bedenken gegen Abgeltungs-/Kirchensteuer (16. Juli 2007)