Der Bücherbann zu Münster

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Collage: Thomas Häntsch

MÜNSTER. (hpd) Nein, das ist keine Abhandlung über das mittelalterliche Münster. Es ist eine wahre Begebenheit aus unseren Tagen. Mittelalterlich ist nur die Geisteshaltung eines bekannten Münsteraners, der zum Boykott eines unliebsamen Buches aufgerufen hat.

Roland E. Koch hat ein Buch mit dem Titel "Dinge, die ich von ihm weiß" geschrieben, das vor einem Monat im Berliner Dittrich-Verlag veröffentlicht wurde. In dem Roman wird auf 240 Seiten ein Teil des Lebens von Clemens August Kardinal Graf von Galen geschildert, der von 1933 bis 1946 Bischof von Münster war. Dem Bischof wird in dem Buch ein fiktives Liebesverhältnis zu seiner Haushälterin unterstellt, die nach seinem Tod darüber berichtet.

Vier Wochen nach dem Erscheinen hat das Buch das Zeug, ein Bestseller zu werden. Grund dafür ist zweifelsohne die Reaktion der katholischen Kirche, die eine ihrer Galionsfiguren der jüngsten Geschichte in Verruf gebracht sieht. Der „Löwe von Münster“, wie von Galen wegen seines angeblichen Widerstandes gegen das NS-Regime, von der Kirche betitelt wird, ist 2005 von Papst Benedikt XVI. selig gesprochen worden. Und nun soll dieser Mann eine Liaison zu seiner Haushälterin gehabt haben?

Auch wenn das alles nur eine Fiktion, ein Roman ist. Das hat ein Vorzeigekatholik im Rang eines Kardinals nach Ansicht von Bischof Genn nicht verdient. Er übt harsche Kritik am Inhalt des Buches und teilt seinen Standpunkt in einer Presseerklärung mit.

Von einem Kirchenfürsten wie Genn kann man keine andere Reaktion erwarten, der Klerus deckt sich seit hunderten von Jahren gegenseitig und gebärdet sich wie toll, wird einer von ihnen öffentlich angegriffen oder einfach nur erwischt. Dabei war von Galen keineswegs nur der starke Widerstandskämpfer gegen Hitler. Er wurde in seinen Predigten nicht müde, seinen Schäfchen einzuhämmern, dass alle Obrigkeit von Gott gegeben ist. Dieser „liebe Gott“ hat demnach auch Adolf Hitler geschickt. Also! Gehorcht denen, die Euch vor die Nase gesetzt werden. Das war von Galens Botschaft an die Witwen und Mütter, deren Angehörige im Krieg für Hitler kämpften und fielen. Kardinal von Galen wurde erst kritisch, als er merkte, dass die Nazis christliche Schulen schlossen, katholische Vereinigungen verboten und damit gegen das Reichskonkordat von 1933 verstießen, das übrigens auch noch in der heutigen Bundesrepublik gültig ist.

Von Galen gilt als ein Mann, der als Bischof öffentlich das Euthanasie-Programm der Nazis anprangerte. Das ist der Heiligenschein dieses Mannes, den Roland E. Koch in seinem Buch zu beschädigen droht. Der Bischof von Münster reagiert darauf so, wie man es von einem erzkonservativen Kleriker erwartet. Er ruft zum Boykott des Buches auf.

Die geistige Bücherverbrennung Glenns wird aber auf Grund der öffentlichen Wirkung dieses Aufrufes das Gegenteil bewirken. Das Buch wird sich verkaufen, denn die Öffentlichkeit ist nach den verbalen Entgleisungen von Meisner, den Lügen Mixas und dem Treiben der unteren Chargen sensibler geworden und geht kritisch mit Priestern, Bischöfen, Kardinälen und wie man bei den Vorbereitungen zum Papstbesuch sehen kann, auch mit dem Chef vom Ganzen um. Lesen dient dem Erkenntnisgewinn, aber man sollte sich die Werke selbst aussuchen können und sie sich nicht von Demagogen vorschreiben oder gar verbieten lassen.

In diesem Sinne viel Freude beim Lesen.

Thomas Häntsch