Ein Papstbesuch für mehr als 50 Millionen (3)

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Papst im Panoptikum Hamburg / Fotografie (c) Evelin Frerk

BERLIN / ERFURT / FREIBURG. (hpd) Ein „Staatsbesuch XXL“ soll es werden. „Soll“ ist richtig, denn der finanzielle und mediale Aufwand der Kirchen ist gewaltig, des Staates nicht weniger, aber das Interesse der Gläubigen und der Bevölkerung nur gering. Vor dem Papstbesuch in Deutschland, Teil 3.

Im großen Bogen der Themen gehen Kleinigkeiten und Fragen manchmal verloren. Zum Beispiel: Wie kann jemand einen Staatsbesuch antreten, zu dessen Staat die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatischen Beziehungen unterhält? Der deutsche Boschafter ist beim „Heiligen Stuhl“ akkreditiert und nicht beim Vatikanstaat der Vatikanstadt, den es diplomatisch gar nicht gibt.

Wie der diplomatische Vertreter des Papstes in Berlin, Erzbischof Jean-Claude Perisset, bestätigte, sei die Anerkennung des Papstes als Völkerrechtssubjekt ein „Geschenk der Geschichte“. Dann ist es korrekt, dass dieses Völkerrechtssubjekt, der seinem Gemeinwesen als absoluter Herrscher vorsteht, damit sagt: „Ich bin der Staat“. Also doch der „Staatsbesuch“ eines Fleisch gewordenen Staates?

Moralische Autorität?

Das mögen protokollarische Kleinigkeiten oder vernachlässigenswerte Feinheiten sein, aber was für einen Staat besucht der Amtsinhaber des „Heiligen Stuhls“?

Als erstes wird er von Bundespräsident Christian Wulff begrüßt, ein bekanntlich gläubiger Katholik, der nach seiner Scheidung nach deutschem Recht zum zweiten Mal verheiratet ist. In der moralischen Autorität des katholischen Religionsführers ist er jedoch ein Ehebrecher, der in einem Konkubinat lebt und anscheinend kein Problem damit hat, seine Konkubine (früher auch Kebse oder Maitresse genannt) zur Begrüßung mitzubringen. Die „Kegel“ (das sind nach katholischer Lehrmeinung die unehelichen Kinder) wird er aber wohl zu Hause lassen. Das der oberste katholische Rechtssetzer ihn als Katholiken vom Abendmahl ausschließt, verweist auf unterschiedliche katholische Welten.

Am frühen Abend wird der Papst dann auf einen katholischen Regierenden Bürgermeister (im Rang eines Ministerpräsidenten) treffen, der aus seinem Schwulsein kein Versteckspiel macht. Auch jemand aus einer anderen katholischen Welt, der sich nicht der katholischen Lehrautorität unterwirft.

Was für eine moralische Autorität hat dieser Papst Benedikt XVI., wenn er, bereits am Beispiel dieser beiden katholischen Politiker, noch nicht einmal in seiner eigenen Religionsgemeinschaft als moralische Autorität anerkannt wird? Was will also dieser Mensch, dessen Autorität anscheinend ‚für die Katz’ ist, Evangelischen und Nicht-Religiösen überhaupt noch sagen können?

Ökumene

Eine große Erwartung wird von manchen evangelischen Kirchenfunktionären geäußert, dass Benedikt XVI. einen wesentlichen Beitrag zum Miteinander von katholischer und evangelischer Kirche sagen möge.

Es ist beinahe wie ein Betteln, dass der Papst die evangelische Kirche als „Kirche“ anerkenne möge, was er bisher explizit abgelehnt hat. Die Theologin und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, die den Papst als „moralische Autorität“ schätzt und alle anderen erwatungsfrohen evangelischen Theologen sind anscheinend keine selbstbewussten Lutheraner mehr, denn für Herrn Dr. Martin Luther war der Papst nicht nur der „Anti-Christ“, sondern noch einiges andere mehr, was heute zu schreiben üble Beleidigungen wären.

Der Berliner Landesbischof Markus Dröge mag den „Berliner Papst-Rummel“ zwar nicht, erwartet aber die Anerkennung, „dass der Papst die Gewissensfreiheit und die Bibelfrömmigkeit als Errungenschaften der Reformation würdigt“. Solche Erwartungen der übermenschlichen Selbstverleugnung des Papstes hat auch die Präses der Synode der EKD, Katrin Göring-Eckardt, die meinte „Benedikt kann an der Realität nicht vorbeigehen.“ Frage: Was macht denn dieser Mensch seit Jahren anderes?

Die einzige grundsätzliche evangelische Kritik an der katholischen Kirche kam von dem Chefredakteur von Chrismon, dem ehemaligen Katholiken Arnd Brummer, der in einer Titelgeschichte „...und tschüss!“ und in einem Videoblog seine Konversion zum evangelischen Glauben beschreibt und Kritik an der katholischen Kirche äußert. Ausführlich vertieft er es in seinem Buch „Unter Ketzern“. Auslösendes Erlebnis seiner Abwendung vom katholischen Glauben war eine Predigt des seinerzeitigen Kurienkardinals Joseph Ratzingers, dem heutigen Papst. Eine Katholische Reaktion „Ökumenisches Störfeuer“ war entsprechend diffamierend und mutmaßte, Brummer „knabbere wohl am Verlust seiner Kindheit“. Erzbischof Zollitsch kündigte an, er werde darüber mit den Verantwortlichen des Magazins Chrismon reden. Von wegen Anerkennung von Gewissensfreiheit.

Religion statt Politik

Von solchen Vorbehalten sind andere Christliche aber anscheinend ungetrübt, denn die nun nicht gänzlich unwichtige Abstimmung im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm im Bundestag wird offenbar um eine Woche verschoben. Begründung dafür ist nicht die unsichere Kanzlerinnenmehrheit, sondern: „Viele Abgeordnete und die Kanzlerin wollen die Papstmesse in Erfurt besuchen.“

Auch in Traunstein, dem Ort der Kindheit und der Jugend des Papstes, ist man ganz aus dem Häuschen: Nach der Ehrenbürgerschaft (2006), dem Benedikt-Radweg, einer Benediktglocke und einer Büste vor der Stadtpfarrkirche (2007), wurde nun die Fläche vor dem Landratsamt in Papst-Benedikt XVI.-Platz umbenannt. Von dem Ring, der für den Papst geschmiedet wurde, ganz zu schweigen. Die Gebirgsschützenkompanie feuerte einen Ehrensalut.

Bundeskanzlerin Merkel findet die Sympathie des Regierenden Bürgermeisters Wowereit für die Papst-Proteste in der Stadt „erstaunlich“. Sie persönlich jedoch freut sich auf diesen Besuch. Manches aber sei, so Kardinal Paul Joseph Cordes, ungeheuerlich; „Politiker maßen sich sogar – unter Missbrauch ihrer parlamentarischen Legitimation – Weisungen für das kirchliche Amt an.“ Das ging zwar primär gegen die Bundeskanzlerin, die es seinerzeit gewagt hatte den Papst zu kritisieren, aber in das gleiche Horn stieß auch der Hessische Minister für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes beim Bund, Michael Boddenberg“, der aufforderte, die Warnung des Papstes vor einer „Gottesfinsternis“ ernst zu nehmen.

Diese bevorstehenden Papstfeierlichkeiten können sich alle Interessierten selber ansehen, denn ARD und ZDF werden sich „brüderlich“ komplett in der Live-Berichterstattung von allen Stationen und Feldgottesdiensten abwechseln.

Wohin nur mit all den Gläubigen?

Das war im Dezember 2010 noch die bange Frage der Badischen Zeitung: „Wohin nur mit all den Gläubigen?“ Von „Heerscharen von Gläubigen“ war die Schreibe, und „Experten rechnen mit 300.000 plus x“.

Aus diesen großen Erwartungen ist man für das Flugfeld in Freiburg mittlerweile auf erwartete 100.000 Besucher herunter und ob die erreicht werden, das ist sehr die Frage. Denn wenn es einerseits auch heißt, das es mittlerweile – für alle Veranstaltungsorte insgesamt - rund 250.000 Anmeldungen vorliegen würden, so hieß es noch vor kurzem: „Noch Zehntausende Tickets für Papstbesuch zu haben.“ Trotz des Einsatzes von vielen Großplakaten mit dem lächelnden Benedikt und dem Text: „Mitfeiern. Miterleben. Jetzt anmelden!“ sind noch nicht einmal 50 Prozent der möglichen Kapazitäten belegt. Und so groß 250.000 auch klingen mag, das sind gerade – obwohl deutschlandweit in allen Bistümern mobilisiert wird - nur gerade ein Prozent der deutschen Katholiken.

Da hilft es auch nicht, dass die Nachfrage aus der Seelsorgeeinheit Blumberg angeblich groß sei, wenn sich von den rund 6.000 Katholiken nur 31 Gläubige zur Fahrt nach Freiburg anmelden.

Ebenso gibt es nur wenige Anmeldungen aus dem Ausland. Anfang September waren es deutschlandweit 1.467 Polen, 810 Schweizer und 505 Österreicher.