Am kommenden Sonntag sind Landtagswahlen in Thüringen. Alle Parteien im derzeitigen Thüringer Landtag sprechen sich für eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen aus. Zudem gibt es Vorschläge, die Kirchensteuer zu streichen oder durch andere Finanzierungsmodelle zu ersetzen. Das ergab eine Befragung der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten durch die Kirchenzeitung Glaube und Heimat aus Weimar. Das Blatt hatte beides im Rahmen seiner Wahlprüfsteine für die Spitzenkandidatinnen und Kandidaten abgefragt.
Jedes Jahr zahlen die Bundesländer erhebliche Geldsummen als Staatsleistungen an die Kirchen, 2024 werden es 618 Millionen Euro sein. Die Gelder stammen aus Steuermitteln und wurden als Entschädigung für Enteignungen der Kirchen Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt. Laut Verfassung soll jedoch bereits seit über hundert Jahren mit diesen Zahlungen Schluss sein.
Dennoch sieht Thüringens SPD-Spitzenkandidat Georg Maier eine mögliche Beendigung der Staatsleistungen kritisch. "Die Diskussion um die Ablösung von Staatskirchenleistungen ist nicht zielführend und für Thüringen keine Lösung", so Maier. Der Staat müsse dann trotzdem weiterhin Geld aufbringen, um schützenswerte Bauten zu erhalten. "Diesen dreistelligen Millionenbetrag können wir nicht aufbringen, ohne viele andere Maßnahmen dafür zu streichen", so Maier weiter. Auch bei den Kirchensteuern möchte der SPD-Mann alles beim Alten lassen. Nach seiner Ansicht leiste die Kirche für den Staat sowie für Bürgerinnen und Bürger "vielfältige seelsorgerische und karitative Arbeit".
Eine komplette Gegenposition vertritt der derzeitige Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow (Linke). Er stellt zur Diskussion, ob die Kirchensteuer in eine Kultursteuer umgewandelt werden solle, verbunden mit einer Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts. Dann würde jeder Bürger einen Obolus zahlen, könne aber selbst entscheiden, an wen.
Auch Madeleine Henfling und Bernhard Stengele (Grüne) werten die Tätigkeit der Kirche als "gesellschaftlich bedeutsam". Dennoch zeigt sich das Spitzenkandidaten-Duo offen für eine Ablösung der Staatsleistungen – sofern die Kirchen nicht durch Zahlungspflichten "finanziell überfordert" würden. Zur Frage der Kirchensteuern machen die beiden keine Angaben.
Klarer positioniert sich der FDP-Spitzenkandidat Thomas L. Kemmerich. Er spricht sich für die Abschaffung der Staatsleistungen und ein Ende der Kirchensteuer aus. Das "Privileg" der staatlich eingezogenen Kirchensteuer sei nach seiner Ansicht "nicht mehr zeitgemäß". Die Kirchen sollten stattdessen selbst Mitgliedsbeiträge erheben.
Mario Vogt, der an der Spitze der CDU zur Wahl steht, beruft sich bei seiner Forderung nach einem Ende der Staatsleistungen auf den Verfassungsauftrag. Entscheidend sei für seine Partei, "dass die Kirchen dabei wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden". Für den Christdemokraten wäre es denkbar, das Konzept breiter aufzustellen, damit es sich nicht länger wie ein Nachteil für kirchlich gebundene Personen anfühle "und nicht länger als Grund für Austritte herhalten kann".
Dass der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen "endlich umgesetzt" wird, fordert auch der AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke. Das System der Kirchensteuer habe sich nach Überzeugung seiner Partei "prinzipiell bewährt", dennoch müsse diskutiert werden, ob es "angesichts der sinkenden Bedeutung der Kirchen und des wachsenden Einflusses des Islam heute noch zeitgemäß" sei.
Höckes AfD liegt nach einer aktuellen Umfrage mit 30 Prozent ganz vorne in der Wählergunst. Für die CDU sprachen sich 21 Prozent aus, für das BSW 20 Prozent. Die Linke erreicht 14 Prozent, die SPD würde mit 6 Prozent knapp den Einzug in den Landtag schaffen. Grüne und FDP wären mit jeweils 3 Prozent draußen.