15. Oktober 2011

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Fotos: F. Navissi

BERLIN. (hpd) Weltweit gingen am letzten Samstag Menschen auf die Straßen. Die Tagesschau sprach gar von einem “historischen Tag.” Vielleicht wird der 15. Oktober tatsächlich in die Geschichte eingehen. Wenn die noch undifferenzierte Wut der Demonstranten eine Struktur bekommt.

Es waren um die zehntausend Menschen, die sich an diesem sonnigen Samstag in Berlin sammelten. Plakate wurden geschrieben, Musik gemacht, Seifenblasen schwebten über den Platz am Neptunbrunnen. Die jungen Spanier, die im Sommer den Pariser Platz zu einem Teil Madrids machten, stellten Regenschirme — in Anlehnung an die Rettungsschirme — bereit.

All das machte mehr den Eindruck eines Festes als den eines Protestes. Trotz der Forderungen, die auf den Transparenten und Plakaten zu lesen waren. Anders als bei anderen Großdemos waren die Beteiligten auch andere. Nur eine Partei zeigte Flagge. Ansonsten gab es viele junge Leute - die Generation “Facebook” - und die Älteren, denen die gesellschaftliche Entwickung nicht gleichgültig geworden ist.

Es gab keine Rednertribünen und keine “Hauptredner”; es gab aber ein offenes Mikrophon für jeden, der meinte, etwas sagen zu müssen. Ja, das ist anstrengend. Aber auch eine Lehrstunde in Demokratie — und ein Lernprozess.

Es ist nicht abzusehen, ob, und wenn ja, was sich daraus entwickeln wird. Es ist bisher keine politische Bewegung; aber es ist eine gesellschaftliche, die man guten Gewissens als “Graswurzelbewegung” ansehen kann. Nicht nur, weil einige den Rasen vor dem Reichstag besetzten.

Dass — wie auch bei der Anti-Papst-Demo — ein paar Dummköpfe der Meinung waren, Randale wäre ein geeignetes Mittel gesellschaftlicher Auseinandersetzung, ist bedauerlich und eher kontraproduktiv (zumal einige TV-Privatsender die Berichterstattung einzig darauf beschränkten).

Hier formiert sich eine neue Bürgerbewegung. Eine, die sich selbst noch nicht viel zumutet und eine, die sich erst konstituieren muss. Einig sind sie sich nur darin, dass das bestehende Wirtschaftssystem, das die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter klaffen lässt, verändert werden muss. Die einen fordern dafür eine Revolution, die anderen wollen das erst einmal ausdiskutieren.

F.N.