Auch im Nahostkonflikt deutet sich eine Wende an. Präsident Obama erhöhte den Druck auf Israel, sich auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen, um die Gründung eines palästinensischen Staates zuzulassen. Palästinenserpräsident Abbas hatte außerdem die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen beantragt. Dies brachte Obama Antisemitismusvorwürfe ein, doch die Christliche Rechte griff auch die Juden selbst an. Joe Walsh, republikanischer Kongressabgeordneter aus Illinois, der der Tea Party nahe steht, nahm die jüdische Gemeinschaft in den USA ins Visier. Diese habe sich nicht deutlich genug gegen Obamas Pläne ausgesprochen und sei zu liberal sowie nicht so „pro-israelisch wie sie es sein sollte“.
Auch Mike Huckabee geriet in einen Konflikt mit der jüdischen Gemeinde. In einer Rede vor der NRA hatte er zuerst von den guten alten Zeiten geschwärmt, in denen Lehrer Schüler noch schlagen durften, um dann die US-Regierung für ihre hohe Staatsverschuldung zu kritisieren. Gegen Ende seiner Rede kam er auf seine Tochter zu sprechen, die ins Gästebuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem „Warum hat niemand etwas getan?“ geschrieben hatte. Man müsse dafür sorgen, dass nicht auch einst die Amerikaner sich diese Frage stellen müssten. Vertreter jüdischer Organisationen sahen darin eine unzulässige Instrumentalisierung der Opfer des Holocaust und kritisierten Huckabee scharf. Dieser konterte: „Israel und das jüdische Volk sollten Freundschaften schließen, statt ihre Freunde zu beleidigen.“
Blamage für Anthony Weiner: Der demokratische Politiker hatte mit einem versehentlichen Mausklick anzügliche Bilder von sich an seine gesamte Twittergefolgschaft (Über 50.000 User), darunter auch Journalisten der wichtigsten Tageszeitungen, verschickt. Der Spott war groß und Weiner musste zugeben, mehrere Male Cybersex mit jungen Frauen gesucht zu haben. Er trat daraufhin zurück und versprach, sich in Therapie zu begeben. Al Mohler, Präsident des Theologischen Seminars der Southern Baptist Convention, empfahl dem Juden Weiner sich zum Christentum zu bekehren, da nur Sühne und keine Therapie gegen die Sünde helfe.
Trauriger Höhepunkt des Sommers war der Doppelanschlag des Norwegers Anders Breivik. Zuerst zündete er eine Autobombe im Regierungsviertel Oslos, um kurz darauf Gäste eines Jugendcamps auf der Insel Utøya zu erschießen. Insgesamt starben durch Breiviks Terroranschlag 77 Menschen. Zuerst vermuteten die Medien einen islamischen Terroranschlag und umso größer war die Verwunderung, dass der Täter ethnischer Norweger und Christ war, der sein politisches Hauptziel in der Bekämpfung des Islam sah. Zu diesem Zwecke hatte er Regierungseinrichtungen und ein Camp der sozialdemokratischen Jugendorganisation Norwegens attackiert. Diesen Umstand nutzte Fernsehkommentator Glenn Beck sogleich für eine Analogie. Ein Jugendtreffen mit politischem Hintergrund erinnere ihn an die Hitlerjugend.
Auf der konservativen Seite World Net Daily war zu lesen, dass Terror selbstverständlich abzulehnen sei, dieser aber die logische Konsequenz daraus wäre, dass die westlichen Regierungen eine Islamisierung ihrer Länder zulassen würden. Der Republikaner Pat Buchanan erklärte, dass Breivik ein kaltblütiger Killer sei, der aber trotzdem Recht haben könnte. Europas Bevölkerung schrumpfe stetig, aber die Einwanderung bringe neue Probleme hervor. Er sehe einen neuen großen Konflikt zwischen Christentum und Islam.
Auch Bryan Fischer stimmte dem Attentäter in seiner Analyse zu, da es tatsächlich eine „kulturelle Vernichtung“ in Europa gebe. Gleichzeitig lehnte er die Gewalt aber ab, da dies dem Christentum widerspreche. Breivik sei somit kein echter Christ, sondern Dschihadist. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Fischer nicht von anderen Personen aus dem deutschen Sprachraum, die ebenso verkündeten, dass Breivik kein Christ gewesen sein könne, da er gemordet habe. Marc Tapson schrieb, dass die Linken ihre Freude über die Tatsache, dass Breivik Christ war, kaum verbergen würden und ihn in Zukunft benutzen würden um Kritik am Islam zu unterbinden und Christen zu diskreditieren.
Im Oktober starb Apple-Gründer Steve Jobs, der wie nur wenige andere Personen die Computergeschichte mitbestimmt hat, an Krebs. Die Westboro Baptist Church frohlockte über den Tod des Technikpioniers. Er habe die Sünde gelehrt und Gott Schande bereitet. Peinlich nur, dass die radikale Kirchengemeinde ihre Freude per iPhone twitterte.
Gegen Ende des Jahres regte sich in der Bevölkerung Unmut über die Verantwortung der Banken für die globale Finanzkrise. Unter dem Motto „We are 99%“ fanden sich Demonstranten auf der Wall Street zusammen. Die Christliche Rechte war sich schnell einig, dass die Bewegung zu verurteilen sei, und hatte dafür eine Vielzahl angeblicher Argumente.
Laut Bryan Fischer verstießen die Proteste gegen die 10 Gebote, da man andere wegen ihrer Besitztümer nicht beneiden solle. Jesus hätte die Demonstranten vertrieben, so wie einst die Geldwechsler im Tempel. Außerdem warf er der Bewegung Antisemitismus vor, da Nazis im Umfeld der Demonstration vor dem jüdisch kontrollierten Bankenwesen warnten. Tea-Party-Aktivist Judson Phillips sah die Tatsache, dass sowohl Nazis wie auch Kommunisten an den Protesten beteiligt waren, als Beweis dafür, dass beide Ideologien nur unterschiedliche Medaillen der Ideologie „Sozialismus“ seien.
Das Family Research Council forderte dazu auf, dafür zu beten, dass Gott den Zorn der Protestler beruhige, während der Republikaner Tom Trento meinte, Occupy Wall Street sei islamisch unterwandert, weil es Parallelen zum arabischen Frühling gäbe. Pat Robertson warf Präsident Obama vor, mit dem Feuer zu spielen, weil er die Proteste unterstütze (tatsächlich hatte Obama nur davon gesprochen, Verständnis für die Frustration zu haben.) Sein Co-Moderator war der Ansicht, dass es nicht zu Gewalt komme, weil die Jahreszeit einfach zu kalt sei. Der Politiker Gary Bauer sagte, dass Jared Loughner, der im Januar versuchte hatte, die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords zu töten und dabei sechs unbeteiligte Personen erschoss, gut zu den Protestlern passen würde.
Wie in jedem Jahr wurde auch im vergangenen vor dem nahenden Ende der Welt gewarnt. Harold Camping war sich sicher, dass der jüngste Tag gekommen sei, doch weder am 21. Mai, noch am 21. Oktober ging die Welt unter.
Über das gesamte Jahr beharkten sich die wichtigsten republikanischen Politiker im Kampf um die Präsidentschaft. Dabei nahm die Schärfe in der Debatte im Vergleich zu den bisherigen Vorwahlkämpfen deutlich zu. Derzeit ist es ausgerechnet ein Mormone, dem die Republikaner am ehesten zutrauen, Obama aus dem Weißen Haus zu jagen, was der Christlichen Rechten nur wenig gefällt. Der hpd wird bis zu den Präsidentschaftswahlen im November weiter berichten.
Lukas Mihr