Anmerkungen zur Potsdamer Garnisonkirche

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Carl Hasenpflug, Die Garnisonkirche zu Potsdam, 1827 (wikimedia commons)

POTSDAM. (hpd) Am kommenden Samstag wird in Potsdam eine Werbeausstellung für „Die Garnisonkirche. Fragmente und Perspektiven“ eröffnet. Mit Geldern des Wissenschafts- und Kultusministerium unterstützt, soll für den Wiederaufbau der Garnisonkirche geworben werden. Dagegen sind aber einige Einwände zu erheben.

Ausgehend von der Darstellung, dass „preußisch-deutsches Denken und das christliche Denken“ nicht zu trennen seien, soll zur „Wiedergewinnung der historischen Mitte Potsdams“ die ehemalige Hof- und Garnisonkirche wieder aufgebaut werden. Im April 1945 ausgebrannt, wurden Königsgruft und Kirchenschiff im Mai 1968 gesprengt. Ein Förderverein und eine Stiftung haben sich gebildet, die den Wiederaufbau propagieren: 2005 wurde ein Grundstein gelegt und 2017 soll der Turm wieder stehen und geweiht werden.

Die aktuell beginnende Ausstellung ist nur Teil einer Öffentlichkeitsarbeit, an deren Spitze der ehemalige Landesbischof Prof. Dr. Wolfgang Huber steht. Der angestrebte Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche wird mit ihrer Bedeutung als Kunst- und Kulturdenkmal, als Hauptwerk des preußischen Barocks, als bedeutender protestantischer Kirchenbau und als bestimmende Dominante des historischen Stadtbildes begründet. So sagte der Alt-Bischof Huber Mitte Dezember 2011 in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“: „Ich finde die Garnisonkirche in Potsdam absolut faszinierend. […] Sie symbolisiert die guten preußischen Tugenden […] viel stärker als den Militarismus […] Da war dann dieser fürchterliche 21. März 1933 […] Und gleichzeitig war es die Kirche des Infanterieregiments Nr. 9, aus dem später […] militärische Widerstandskämpfer gegen Hitler hervorgingen […]“
 

Ein Beitrag und Kommentar des Potsdamer Freidenkers Frank W. Baier

Wir sollten uns die Bedeutung und die Geschichte dieser Kirche genauer ansehen. Es ist zwar richtig, dass Friedrich Wilhelm I. (der Soldatenkönig) in seiner Regierungszeit keine Kriege geführt hat. Aber für ihn war der brutale militärische Drill typisch. Am Ende seiner Herrschaft hatte Preußen die viertgrößte Armee Europas. Dem entspricht auch die Charakterisierung im „Spiegel“ (1991): „Inbegriff nicht nur Potsdams sondern des ganzen Militärstaates Preußen war Philipp Gerlachs berocke Garnisonkirche von 1732/35. Ihr grenadierhaft aufragender Turm bestimmte die Silhouette der Stadt - und machte gleichsam deutlich, wo oben und wo unten war.“

Dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. folgte Friedrich II., der auch Friedrich „der Große“ genannt wird. Für ihn gilt die Einschätzung, dass „seine entscheidende und einschneidende historische Tat im Jahre 1740 – also noch im Jahr seiner Thronbesteigung – der militärische Einfall in Schlesien war. Mittels dreier Kriege – dem 1. Schlesischen Krieg (1742), dem 2. Schlesischen Krieg (1744/45) und dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) konnte er dieses Gebiet nach vielen Opfern und Verlusten schließlich an Preußen binden. Er setzte voll auf die Tradition seines Vaters, der aus Preußen eine die Zeitgenossen in Schrecken versetzende Militärmaschinerie gemacht hatte.“(Spiegel 1991) Die Schlesischen Kriege des Königreiches Preußen mit Hunderttausenden von Toten werden von Martin Möller als ein Verbrechen […] und als Prototyp des modernen Vernichtungskrieges bezeichnet.

Friedrich II. schrieb an den Generalfeldmarschall Carl Dubislav von Natzmer, dass Preußen ein (noch) ungefestigter Staat sei, der Annexionen lebensnotwendig brauche und „Ich schreite voran von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stolz neue Welten zu erobern vor“. Das galt auch für spätere preußische Herrscher wie Wilhelm I. (Preußischer König von 1861-1871 und Deutscher Kaiser von 1871-1888). Die „Erfolge“ seiner Kriege – des Preußisch-Dänischen Kriegs (1864) mit 4.500 Toten sowie des Kriegs gegen Österreich (1866) mit 7278 Toten – wurden besonders in der Potsdamer Garnisonkirche gefeiert. So schrieb der Hofprediger Rogge: „Zu einer Reihe von […] Fest- und Dankgottesdiensten gaben die glänzenden Siege der Armee in dem Feldzug von 1866 Veranlassung […] in welchem es um die Zukunft Preußens und seine Stellung in Deutschland ging […].“ Und 1914 erinnerte Rogge an den Krieg von 1866 so: „Es war, als ob diese 50-jährige Erinnerung der großen Zeit in den Tagen der Väter unserem Volk von Gott besonders geschenkt worden wäre, um dasselbe zu den Kämpfen zu stärken, die unmittelbar darauf in einer Reihe von Kriegen den Söhnen und Enkeln bevorstanden.“ Zu diesen „unmittelbar bevorstehenden“ Kämpfen gehörte aber auch schon der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, der über 180.000 Soldaten das Leben kostete. Danach predigte Rogge in der Garnisonkirche: „Es sind die Edelsten unseres Volkes, die hier, in fremder Erde, ihr Grab gefunden haben […] Die Leichensteine, die dereinst diese Stätte schmücken werden, sie werden dem vorübergehenden Wanderer die Namen der ehrwürdigsten Geschlechter unseres Vaterlandes nennen.“

1871 wurde Wilhelm I. in Versailles zum deutschen Kaiser gekrönt. Sein Denken und Handeln war von dem folgenden Ausspruch bei einer Rede an „seine“ Soldaten geprägt: „[…] Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, dass ich euch befehle, eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen, […] aber auch dann müsst Ihr meine Befehle ohne Murren befolgen.“

Im Jahre 1888 wurde Wilhelm II. deutscher Kaiser. Bei der Verabschiedung von deutschen Truppen, die zur Bekämpfung des Boxeraufstandes nach China geschickt wurden, hielt er am 27. Juli 1900 seine berüchtigte Hunnenrede, in der er sagte: „Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei in eurer Hand. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschlands in einer solchen Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Er befürwortet den „bevorstehenden Rassenkampf der Germanen gegen die übermütigen Slawen“, die „nicht zum Herrschen, sondern zum Dienen geboren“ seien. Und nach seinem „kaiserlichen“ Ende 1918 schrieb er im Jahre 1927: „Die Presse, die Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muss […] Das Beste wäre wohl Gas.“

Alle seine Ziele wurden dann im „3. Reich“ umgesetzt. Es führt eine gerade Linie von „Friedrich dem Großen“ (Zitat: „ Ich schreite von Land zu Land, von Eroberung zu Eroberung und nehme mir wie Alexander stolz neue Welten zu erobern vor.“) bis zu den Weltherrschaftsplänen der Faschisten. Am 9.8.1914 rief der Kaiser während eines Feldgottesdienstes im Potsdamer Lustgarten seine Soldaten zum neuen Blutvergießen auf: „Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten, um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.“