Anmerkungen zur Potsdamer Garnisonkirche

Und die evangelische Kirche stimmte leider in diese Kriegstiraden mit ein. Bereits am 4. August 1914 predigte Ernst von Dryander – Oberhofprediger und Vizepräsident des preußischen Oberkirchenrates: „Im Aufblick zu dem Staat, der uns erzogen, zum Vaterland, in dem die Wurzeln unserer Kraft liegen, wissen wir, wir ziehen in den Kampf für unsere Kultur gegen die Unkultur, für die deutsche Gesittung, gegen die Barbarei, für die freie deutsche an Gott gebundene Persönlichkeit wider die Instinkte der ungeordneten Masse, und Gott wird mit unseren gerechten Waffen sein.“ Der 1. Weltkrieg kostete 17 Millionen Menschen das Leben. Der Kaiser resümierte vor seinen Truppen: „Es hat das Jahr 1917 mit seinen großen Schlachten gezeigt, dass das deutsche Volk einen unbedingt sicheren Verbündeten in dem Herrn der Heerscharen dort oben hat. Auf den kann es sich bombenfest verlassen, ohne ihn wäre es nicht gegangen.“ Der Präsident des deutschen evangelischen Kirchentages in Dresden Reinhardt Möller klagte im Jahre 1919: „Die Herrlichkeit des deutschen Kaiserreiches, der Traum unserer Väter, der Stolz jeden Deutschen ist dahin. Mit ihr der hohe Träger der deutschen Macht, der Herrscher und das Herrscherhaus, das wir als Bannerträger deutscher Größe so innig liebten und verehrten […] Wir können nicht anders, als hier feierlich es bezeugen, welcher reiche Segen von den bisherigen engen Zusammenhängen von Kirche und Staat auf beide […] und durch beide auf Volk und Vaterland ausgegangen ist.“

Im Jahre 1932 schrieb der Garnisonprediger Dr. Vogel in seinen „persönlichen“ Erinnerungen: „Und dann stand ich wieder auf der Kanzel, am Totensonntag 1918. Draußen Chaos und Soldatenrat. Nun, ich habe mir als Prediger nichts verraten lassen, sondern die Wahrheit deutlichst verkündigt und die Fürbitte für den Kaiser und König, unseren Herrn, beibehalten […] Ihr seht das Unglück, darinnen wir sind, dass Jerusalem wüste liegt, und ihre Tore sind mit Feuer verbrannt. Kommt, lasst uns die Mauern Jerusalems bauen, dass wir nicht mehr seine Schmach sehen.“

Beispielbild
  Bundesarchiv, Bild 183-S38324
Wir wissen heute, mit wem er die Mauern Jerusalems wieder aufbauen wollte, mit dem neuen „Reichskanzler“ Adolf Hitler, der am Tag von Potsdam, am 21.3.1933 von Hindenburg symbolträchtig in dieses Amt befördert wurde und dazu sagte: „Es gibt kein höheres Symbol, als dass […] jetzt die nationale Regierung nach Potsdam geht, um an der Bahre des großen unsterblichen Königs in der Garnisonkirche das neue Werk des deutschen Wiederaufbaus zu beginnen.“ Diese Veranstaltung in der Garnisonkirche wird heute von den Befürwortern ihres Wiederaufbaus als „Betriebsunfall“ und als ein singuläres Ereignis dargestellt. Klar ist aber, dass es dabei nicht blieb.

Die evangelische Kirche in Deutschland und dieser Kirchenbau wurden fest in das Aktionsprogramm der Faschisten integriert. Einige Beispiele: Am 6.6. 1932 wurde die Vereinigung der „Deutschen Christen“ gegründet. Einer ihrer Führer war Ludwig Müller, der am 23.9.1934 im Berliner Dom offiziell in das Amt des Reichsbischofs eingeführt wurde. In den Richtlinien der „Deutschen Christen“ heißt es: „Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen. […] Daher ist der Rassenvermischung entgegenzutreten. […] In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. […] Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten.“ Ludwig Müller und der „Reichsjugendführer“ Baldur von Schirach schlossen schon am 20. November 1933 ein „Abkommen über die Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hitler-Jugend“. In dem Abkommen heißt es, dass „das evangelische Jugendwerk die einheitliche staatspolitische Erziehung der deutschen Jugend durch den nationalsozialistischen Staat und die Hitler-Jugend als Träger der Staatsidee“ anerkennt. Im Januar 1934 organisierten beide eine Großkundgebung der Hitler-Jugend in der „Königlichen Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam“. Und am 24. Januar 1934 „zelebrierte“ Baldur von Schirach in der Garnisonkirche eine Fahnenweihe für 342 Banner der Hitler-Jugend mit der so genannten „Blutfahne der deutschen Jugend“, der Herbert Norkus-Fahne. An diesem Tag fand dort auch eine „feierliche“ Fahnenweihe der neuen Banner der Hitler-Jugend aus der „Ostmark“ und dem „Sudetengau“ statt. Aus diesem Anlass erklärte Baldur von Schirach: „Es gibt in ganz Deutschland kaum einen Raum, in dem die Jugend sich mehr zu Hause fühlen kann als in dieser Kirche.“