Bioethiker:Tarnbezeichnung für Theologen?

FORCH. (hpd) Mit klaren Worten hat Ludwig A. Minelli, Gründer und Generalsekretär der umstrittenen Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas, die Teilnahme an einer Tagung zum Thema „Ethik und Recht in der Bioethik“ abgesagt, die Mitte Mai an der Universität Luzern stattfinden soll. Minelli betonte, an keiner Veranstaltung teilnehmen zu wollen, an der Theologen als Referenten mitwirken.

Die Tagung am 11. und 12. Mai 2012 soll der Diskussion und Vertiefung von Teilbereichen innerhalb der Rechts- und Bioethik dienen. Dazu eingeladen hatte die Schweizerische Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie. Zu den Themen gehören unter anderem die Präimplantationsdiagnostik sowie weitere Fragen aus der Reproduktionsmedizin, die Forschung am Menschen und Organtransplantationen, Patientenverfügungen und die Sterbehilfe. Als Referenten werden unter anderem der Moraltheologe Markus Zimmermann-Acklin und die Strafrechtsexpertin Brigitte Tag teilnehmen, mit denen der Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli, Mitherausgeber der Zeitschrift Aufklärung und Kritik, eine Diskussion führen sollte.

In seinem Antwortschreiben an den Organisator der Tagung Paolo Becchi, Professor der Rechts- und Staatsphilosophie an der Universität Luzern, sparte Minelli weder mit klaren noch harten Worten. Unter anderem bezeichnete er den Theologen Zimmermann-Acklin als „Lügenbold“.

Minelli betonte zunächst, dass Dignitas seit langem an keinen Veranstaltungen mehr teilnehme, an denen Theologen als Referenten mitwirkten. „Dies weil es einerseits letztlich – unterschwellig – immer nur auf die Frage hinausläuft, ob es Gott gebe und ob nur dieser das Leben geben respektive beenden dürfe, und weil es anderseits sinnlos vertane Zeit ist, bei gesellschaftlich relevanten Fragen sich mit Personen abzugeben, welche sich mit glauben begnügen, anstatt wissen zu wollen – also sich mit Transzendenz anstatt mit Realität beschäftigen.“

Minelli verwies auf einen sich bei ihm verstärkenden Eindruck, unter dem Begriff „Bioethik“ verberge sich stets ein „gut getarntes klerikales U-Boot, welches sich gegen einen vernünftigen Umgang mit dem Leben wendet und zumeist in diametralem Widerspruch mit den Werten der Aufklärung steht.“ Die Berufsbezeichnung „Bioethiker“ erscheine ihm als „neue Tarnbezeichnung für Theologen“ oder „Wissenschafter“, die anders religiös-dogmatisch geprägt seien.

Die Strafrechtsexpertin Tag beurteilte Minelli als „unaufgeklärten CDU-Ableger (…) ohne jeden selbstkritischen Funken in einem Bereich, in welchem sie durch ihre offenbar frühkindlich erfolgte religiös-dogmatische Prägung in ihrer Denkfähigkeit beeinträchtigt worden ist.“

Der katholische Theologe Markus Zimmermann-Acklin sei „getreuer Soldat seiner Konfession“, der seine Informationen selten aus verlässlichen Quellen schöpfe und er gehöre „zu jener Art von päpstlichen Soldaten, die scheu- und schamlos frei erfundene Unwahrheiten öffentlich von sich geben“. Minelli bezog sich dabei auf eine früher geäußerte Behauptung des Theologen, dass „Dignitas“ in vielen europäischen Ländern bezahlte Werbung betreibe und er fragte, weshalb die Universität Luzern mit einem „derartigen Lügenbold“ Ansehen erwerben wolle.

Der Dignitas-Chef forderte auch, dass sich im Bereich der Bioethik engagierende Menschen „zu allererst und von vornherein klar machen, zu welchem Gott und in welcher Kirche sie beten, damit sie von der Öffentlichkeit richtig eingeschätzt werden können“. Zudem dürften sich diejenigen, welche der Religion Benedikts XVI. anhingen, weder mit den Begriffen „Bio“ noch „Ethik“ schmücken. Schließlich erklärte er, er komme sich vor als Gegenpol „zur Anheizung von Grabenkämpfen, als Knochen für die römischen Hunde, welche schlicht glauben, anstatt zu zweifeln, zu fragen, hinzuschauen, zu denken und schließlich zu wissen“.

Tagungsorganisator Paolo Becchi hielt es laut einem Bericht der Neuen Luzerner Zeitung nicht für erforderlich, auf Minellis Erklärungen weiter einzugehen. Das Schreiben des Dignitas-Gründers sei „unter seinem Niveau“ gewesen, befand Becchi. Die Kritik an den zwei Referenten bezeichnete er als „haltlos, falsch und absolut deplatziert“. Als absurd bezeichnete der katholische Theologe Zimmermann-Acklin die Ausführungen Minellis.

Die Sterbehilfe-Organisation Dignitas hat seit ihrer Gründung rund 1.300 Menschen bei Suizid assistiert und mehrere zehntausend Menschen dabei unterstützt, den Wunsch nach einem Freitod fallen zu lassen. Umstritten ist Dignitas unter anderem wegen anhaltender Vorwürfe eines auf finanziellen Eigennutz ausgerichteten Vorgehens, wirtschaftlicher Intransparenz, seiner Vorgehensweise im Zuge der Sterbehilfe und einer Verharmlosung des Suizids, der zu moralischem Druck gegenüber schwerkranken Menschen führe. Aufsehen erregte 2010 der Fund mehrerer Dutzend Urnen mit menschlicher Asche im Zürichsee.

Arik Platzek