Hoffen wir, dass der Trend anhält

Richard Dawkins über den ewigen Streit zwischen Athoristen und Valhallianern.

Athorismus ist gerade ein wenig in Mode. Kann es ein ergiebiges Gespräch zwischen Valhallianern und Athoristen geben? Von einfältigen Buchstabengläubigen abgesehen haben fortschrittliche Thorologen vor langer Zeit aufgehört, an die materielle Beschaffenheit von Thors mächtigem Hammer zu glauben. Der geistliche Kern der Hammerigkeit bleibt jedoch eine donnernd erhellende Offenbarung und hammerologischer Glaube bewahrt seinen besonderen Platz in der Eschatologie des Neu-Vallhallierismus, während er einen konstruktiven Dialog mit der wissenschaftlichen Theorie des Donners in seinem nicht-überschneidenden Magisterium führt. Militante Athoristen sind ihr eigener größter Feind. Sie missachten die feineren Inhalte der Thorologie, sie sollten wirklich von ihrem scharfen und intoleranten Angriff auf Strohmänner ablassen und den Thor-Glauben mit dem einzigartig geschützten Respekt behandeln, der ihm in der Vergangenheit stets zugekommen ist. Sie sind auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt. Die Leute brauchen Thor und nichts wird ihn jemals aus der Kultur verbannen. Was sollte man an seine Stelle setzen?

Atheismus bedeutet Nicht-Glauben an den bestimmten Kult, der zufällig gerade die Gesellschaft durchdringt, von der die Rede ist. In Amerika ist dies der Kult von Jahwe, dem Gott der Juden, den Christen, Muslime und Mormonen für sich beanspruchen. Heutzutage ist es für uns selbstverständlich, Atheisten zu sein in Bezug auf Thor und Wotan, Zeus und Poseidon, Mithras und Ammon Ra. Wenn man Sie fragt, warum Sie nicht an Thors Hammer glauben, dann würden Sie wahrscheinlich so etwas sagen wie: "Warum ist es an mir, meinen Nicht-Glauben an Thor zu rechtfertigen, wenn man bedenkt, dass es nicht den allerkleinsten guten Grund dafür gibt, an ihn zu glauben?" Sie könnten fortfahren und hinzufügen, dass Donner, der einmal Thors Hammer zugerechnet wurde, nun besser durch elektrische Ladungen in den Wolken erklärt werden kann. Während wir technisch betrachtet eine agnostische Position gegenüber diesen antiken Göttern einnehmen, sowie auch gegenüber Feen und Kobolden (diese kann man ebenfalls nicht widerlegen), glauben wir doch in der Praxis an keine von ihnen und fühlen uns nicht verpflichtet zu erklären warum.

Heutzutage, wenn beinahe wirklich jeder ein Athorist ist, wird der Nicht-Glauben an den Gott von Abraham von allen Meinungen in Amerika am meisten verunglimpft. Professor Anthony M. Stevens-Arroyo, einer der ständigen Diskussionsteilnehmer bei On Faith, beginnt seine Antwort auf die gegenwärtige Frage wie folgt: "Ich habe noch niemals einen Atheisten getroffen, den ich mögen könnte. Sicher, irgendwo auf diesem Planeten gibt es einen freundlichen Atheisten, aber ich bin noch auf keinen gestoßen. Die Atheisten, die meine Wege bislang gekreuzt haben, sind widerwärtig ..." Als ein Experiment, versuchen Sie einmal das Wort "Atheist" durch "Jude" oder "Frau" zu ersetzen und überlegen Sie, ob ein Universitätsprofessor seinen Job behalten würde, der diese drei Sätze von sich gab. Im gegenwärtigen Amerika jedoch kann ein Professor (für "Latino-Forschung") solche abscheulichen Bemerkungen über Atheisten veröffentlichen und damit durchkommen.

Von den Wissenschaftlern, die gut genug sind, um in die National Academy gewählt zu werden, glauben mehr als 90% an keine Form von übernatürlichem Gott. Unnötig zu erwähnen, dass viele von ihnen liebenswert, freundlich und weit davon entfernt sind, widerwärtig zu sein, außerdem sind sie intelligente, gebildete, glückliche und produktive Bürger. Ein ähnlich hoher Atheistenanteil wurde kürzlich unter den Mitgliedern der Royal Society aufgedeckt und es ist naheliegend, dass hervorragende Akademiker in Philosophie, Geschichte, Wirtschaft, Literatur und anderen Disziplinen, die aus gleichermaßen gebildeten und intelligenten Rängen der Gesellschaft stammen, vergleichbare Zahlen hervorbringen würden. Man darf hoffen, dass ein annehmbarer Anteil des Kongresses ebenfalls der selben intellektuellen Elite und Bildungselite entstammt, so dass sich eine starke statistische Erwartung daraus ergibt, dass viele von ihnen ebenfalls Atheisten sind. Ich glaube allerdings, dass ich Recht habe, wenn ich annehme, dass kein einziger der 535 Kongressmitglieder diesen Fakt eingestehen wird. Eine Menge von ihnen muss lügen und wer kann es ihnen vorwerfen? Wenn das herauskäme, wären sie unwählbar, wie Umfragen wiederholt gezeigt haben. Von Atheisten nimmt man weithin an, dass sie keine Moral oder Werte haben, keinen Lebenssinn, dass sie unfähig sind zu lieben und die Schönheit in der Kunst oder in der Natur zu schätzen. Wer würde schon für einen von denen stimmen?

Die Voraussetzung des Wochenthemas ist, dass der Atheismus einen gewissen Trend genießt. Ich hoffe und glaube, dass es sich nicht um eine Eintagsfliege handelt. Die Hinweise, die mir bekannt sind, lassen tatsächlich hoffen. Breaking the Spell von Daniel Dennett und Letter to a Christian Nation von Sam Harris verkauften sich während des Jahres 2006 aufmunternd gut und mein eigenes Buch, der Gotteswahn, bleibt bis in das Jahr 2007 weit oben in den Bestseller-Listen. Ein vergleichbarer Erfolg wird während es Jahres 2007 dem kommenden God is Not Great von Christopher Hitchens beschieden, sowie auch Victor Stengers God: The Failed Hypothesis. Solche lebhaften Verkäufe von Büchern, die durch und durch den Atheismus verfechten, wären bis vor überraschend Kurzem undenkbar gewesen. Als ich vor sechs Jahren meinem Literaturagenten Der Gotteswahn vorschlug, sagte er unverblümt: "Denk nicht einmal daran." Nun jedoch, nach sechs Jahren einer aufkommenden christlichen Theokratie...

Auf meiner jüngsten Buchtour durch die USA erhielt ich regelmäßig stehende Ovationen überall im Land (einschließlich Kansas, Lynchburg, Virginia sowie, eher vorhersagbar, in den so genannten "blauen" Staaten1), die sich nicht aus irgendeiner Redegewandtheit oder aus Schreibfertigkeiten meinerseits und so weiter ergaben, sondern, wie ich glaube, aus aufgestauten Frustrationen von verunglimpften Freidenkern. Wieder und wieder vertrauten sich mir aus den langen Warteschlangen für die Buchsignierungen junge Amerikaner (ermutigend junge) an: "Danke Ihnen, danke Ihnen, danke Ihnen dafür, dass Sie all die Dinge gesagt haben, die ich schon immer sagen wollte, aber niemals das Gefühl hatte, das auch zu können" (vergleiche www.RichardDawkins.net). Sam Harris und Dan Dennett berichten von gleichartigen Erfahrungen von ebenso großen Hörerkreisen. Weithin gibt es große Hoffnung, dass wir den Beginn einer überfälligen Verschiebung der tektonischen Platten unserer Kultur erleben. Umfragen zeigen, dass Atheisten sehr viel zahlreicher sind in Amerika, als sie es selbst vermuten. Sie sind erheblich zahlreicher als die Juden, deren politische Lobby einen legendär mächtigen Einfluss ausübt. Es ist Zeit für Amerikas Atheisten, daraus und aus den Büchern, die ich erwähnte, den Mut zu fassen, ans Tageslicht zu kommen, aufzustehen, sich gegenseitig erkenntlich zu machen und zusammen zu arbeiten, um ihren rechtmäßigen Anteil an Einfluss in dieser großen Demokratie einzufordern. Falls diese Bücher, wie oft verächtlich angemerkt wird, zum Chor predigen2, dann unterschätzen Sie nicht dessen Größe oder Fähigkeiten. Dies ist ein sehr großer und sehr talentierter Chor und die Zeit ist gekommen für seine Musik, gehört zu werden.

 

1In den "blauen" Staaten sind die Demokraten in der Mehrheit.

2Redewendung. Sie besagt, dass Dawkins nur diejenigen erreicht, die ohnehin schon seiner Meinung sind.

Übersetzung und Fußnoten: Andreas Müller
Original: Dawkins, Richard: "Let's Hope It's A Lasting Vogue", Washington Post, On Faith, 01. Januar 2007

 

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