Drei Fragen an ... Leo Igwe

igwe1.jpg

Leo Igwe / Foto: IBKA

KÖLN. (hpd) Ab heute findet in Köln unter dem Titel „Die Atheistische Perspektive“ die Atheist Convention statt. Im Vorfeld stellt der hpd zwei der internationalen Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor. Heute Leo Igwe. Er ist der Begründer der humanistischen Bewegung in Nigeria und der Vertreter des afrikanischen Kontinents unter den Referenten.

Wenn es um Nigeria geht, denken viele in Europa an die Konflikte zwischen fundamentalistischen Muslimen und Christen. Wie stark ist die humanistische Bewegung in Nigeria, und welche Aktivitäten entfaltet sie?

Leo Igwe: Ja, Nigeria ist in Europa bekannt für die immer wiederkehrenden Konflikte zwischen fundamentalistischen Muslimen und Christen. Aber die meisten derartigen Zusammenstöße ereignen sich im Norden, wo Dschihadisten und Islamisten dafür kämpfen, die Scharia einzuführen und einen islamischen Staat zu errichten. Die Konflikte zwischen Christen und Muslimen lassen sich zurückverfolgen bis ins Jahr 1804, als Scheich Usman dan Fodio, ein islamischer Geistlicher und Militanter, einen Dschihad ausrief. Als Nigeria unabhängig wurde, erbte es die Hinterlassenschaften eines evangelikalen Christentums und eines dschihadistischen Islams.

Die humanistische Bewegung in Nigeria ist noch nicht so stark, denn es gibt großen sozialen, politischen und auch gewalttätigen Druck, sich zu einer Religion zu bekennen beziehungsweise religiös zu bleiben. Das gilt für Nigeria und auch für ganz Afrika. Aber die humanistische Bewegung wächst und könnte eine Kraft für intellektuelles Erwachen und religiöse Reformierung werden.

Wie ist die Rolle des Staates in Nigeria? Werden die Humanisten unterstützt, akzeptiert, verfolgt?

Leo Igwe: Im Prinzip ist der nigerianische Staat säkular, in der Praxis jedoch nicht. Die Regierung neigt dem Islam zu. Tatsächlich haben alle Regionen im Norden mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung die Scharia zur Grundlage ihrer Gesetzgebung gemacht. Und im Süden bevorzugt die Regierung das Christentum. Aufgrund des politischen Einflusses der Religionen ist der Staat nicht unparteiisch und garantiert nicht die Rechte der Humanisten. Vor allem im Norden in den Scharia-Staaten ist es nicht so, dass die Regierung Humanisten unterstützt, akzeptiert oder schützt. Im Norden Nigerias kann jeder, der sich als Atheist zu erkennen gibt, von den Behörden ins Gefängnis geworfen oder durch Fanatiker ermordet, gesteinigt oder enthauptet werden.

In Europa gibt es eine Debatte darüber, wie der Islam kritisiert werden soll. Wer darauf aufmerksam macht, dass der Islam ein gefährliches Potential birgt, sieht sich schnell dem Vorwurf der „Islamophobie“ oder sogar des Rassismus ausgesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Leo Igwe: Europa sollte auf diese billige Erpressung von Islamisten, Theokraten und Dschihadisten nicht eingehen. Deren Ziel ist es, Kritik am Islam zu verhindern und der Welt ein neues „dunkles Zeitalter“ anzudrehen. Islamische Ausführungen dazu sollten also kritisch beurteilt werden. Und dem islamischen Glauben sollten in Diskussionen keine Privilegien eingeräumt werden. Es gibt einen ganz klaren Unterschied zwischen einer Kritik am Islam und der Hetze gegen Muslime. Den Islam zu kritisieren, ist, wie die Kritik anderer Glaubensrichtungen, eine intellektuelle Pflicht. Das ist weder Islamophobie noch Rassismus. Wer phobisch ist und Angst verbreitet, sind diejenigen, die sich nicht an einer zivilisiert geführten Debatte beteiligen können und Kritik nicht tolerieren; es sind diejenigen, die dem Namen oder dem Bild ihres Propheten mehr Wert beimessen als dem menschlichen Leben; diejenigen, die nicht in höflicher Weise auf Publikationen, die ihre Religion oder ihren Glauben kritisieren, reagieren können.

Auch ich bin von einer muslimischen Randgruppe schon einmal der Islamophobie beschuldigt worden. Wie Sie vielleicht wissen, hat eine extremistische muslimische Gruppe, die sich offen gegen westliche Bildung ausspricht, während ihres blutigen Feldzuges, der darauf abzielte, die Scharia durchzusetzen und Nigeria in einen islamischen Staat zu verwandeln, viele Menschen ermordet. Wir dürfen uns von dem törichten Vorwurf der Islamophobie nicht davon abhalten lassen, alle Akte von Barbarei, Hass oder Zerstörung, die im Namen des Islam begangen werden, zu verurteilen oder die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.

Vor einigen Jahrhunderten war das Christentum der Gegenstand kritischer Debatten und diese Epoche ist als Aufklärung bekannt. Wenn wir heute zurückblicken, können wir sagen, dass diejenigen, die das Christentum kritisiert haben, nicht „christianophob“ waren. Nein, sie waren Meister des Lichts und der Hoffnung. Wir sollten also nicht nachgeben und nicht darauf verzichten eine Neue Aufklärung stattfinden zu lassen – in Afrika und in der ganzen Welt.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

 

Weitere Informationen zum Ablauf der Tagung gibt es auf der Webseite des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten, der die Veranstaltung ausrichtet.