Stolpersteinverbot in Antwerpen

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Stolpersteine / Foto:joodsactueel.be/

BELGIEN. (hpd) Antwerpen scheint die erste europäische Stadt zu werden, in der das Einlassen von sogenannten Stolpersteinen auf dem Bürgersteig, vor dem Haus, wo Opfer der Schoah und des Nazismus lebten, nicht erwünscht ist. Eine Streitfrage beschäftigt ganz Belgien.

Gemeinsam mit der in Deutschland sehr bekannten Aktion Stolperstein wurden bis heute etwa 28.000 Steine in verschiedenen europäischen Ländern angebracht, darunter auch 45 in Belgien. Geplant war am vorherigen Wochenende erneut 21 Steine in Belgien einzumauern, darunter zum ersten Mal auch in Antwerpen, nachdem dies dort bereits 2009 gescheitert war.

Gegen Letzteres kam nun Protest, gerade aus Antwerpen! Eine Stadt, wo die bedeutendste jüdische Bevölkerungsgruppe in Belgien wohnt und diese auf der Grundlage des Diamantenhandels nach wie vor eine sehr große wirtschaftliche Bedeutung besitzt. Während der deutschen Besatzung – und mithilfe lokaler Sicherheitsdienste - sind mehr als zehntausend Juden verhaftet, in KZ-Lager transportiert und ermordet worden.

Die Ablehnung ist jedoch nicht das Resultat extremlinker, islamitischer oder antisemitischer Aktionen, sondern fußt auf einer Entscheidung der jüdischen Gemeinschaft selbst. Bedeutende jüdische Vereine wie „Stichting van het Jodendom van België“ (Stiftung des Judentums in Belgien), welche die belgischen Restitutionsgelder verwaltet, die „Vereniging van de Voormalig Ondergedoken Joodse kinderen“ (Vereinigung der ehemaligen untergetauchten jüdischen Kinder) und das“ Forum der Joodse organisaties“ (FJO) widersetzen sich dem Vorhaben. In der Stellungnahme des Forums wird argumentiert, „dass die Stelle der Stolpersteine bedenklich ist (…) wegen des offensichtlichen Mangels an Respekt und wegen ihrer Lage in Wohnviertel, wo die heutige Bewohner für das Gedenken der Opfer der Schoa nicht empfindlich sind.“

Daraufhin teilte der sozialdemokratische Bürgermeister Patrick Janssens der für die Stolpersteinaktion verantwortlichen nationalen Organisation (Vereniging voor de herinnering aan de Schoah / Association pour la Mémoire de la Schoah) mit, dass er das Anbringen der Steine nicht genehmigen kann. Er verweist dabei auch auf Gespräche mit jüdischen Einwohnern, wonach die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung die Aktion ablehnen würde.

Dieser Vorgang bewegt nun das ganze politische Belgien und dem Forum wird sogar Rassismus vorgeworfen, da seine Argumentation sich gegen die arabischen Einwohner der infrage kommenden Stadtviertels richtet. Das Argument des fehlenden Respekts der marokkanischen Bevölkerung gegenüber den Opfern der Schoa wird verneint. In den anderen Städten gibt es damit keine Probleme.


Ohne Probleme bis jetzt wurde vor einem Jahr in Brüssel einen Stolperstein vor dem Eingang des durch Muslimen frequentierten The´Café Jazeera eingemauert.
(Bildquelle)

Schnöde Wahltaktik für die nahen Kommunalwahlen wird dem Bürgermeister vorgeworfen, da die Gefahr einer rassistischen rechten Mehrheit drohe, der er keine zusätzliche Munition bieten möchte bzw. der er die Entscheidung überlassen wolle.

Maurice Sosnowski, der Vorsitzende des Koordinationskomitees der jüdischen Organisationen Belgiens (CCOJB), das französischsprachige Pendant des flämischen Forums (FJO), beleuchtet das Problem der belgischen Sprachgemeinschaften. Er unterstellt dem Forum eine antimuslimische Nähe zu den rechten flämisch-nationalen Parteien und beschimpft den Oberbürgermeister Antwerpens daher als Idioten.

Und in der Tat haben einige bedeutende antwerpische Juden sich in letzter Zeit dem flämisch-nationalen und wahrscheinlichen Wahlsieger der N-VA angeschlossen. Die Stolpersteine sind seiner Meinung nach nicht eine Sache der flämischen Juden, sondern der belgischen Juden insgesamt und ganz Belgiens überhaupt, da durch die Steine nicht nur an ermordete Juden, sondern auch an Widerstandskämpfer, Freimaurer, Homosexuelle, Roma und Sinti, usw. erinnert wird.

Rudy Mondelaers