Wegbereiterinnen-Kalender im elften Jahr

NEU-ULM. (hpd) Der Kalender Wegbreiterinnen erschien zum Jahre 2003 zum ersten Mal. Nun, für 2013 im elften Jahr und - wie jedes Jahr stellen die Herausgeberin Gisela Notz und ihre MitarbeiterInnen darin zwölf eher unbekanntere Frauen vor, die sich der sozialistischen Idee und der proletarischen Frauenbewegung verschrieben oder sie unterstützt haben.

Die im Kalender Wegbereiterinnen XI vorgestellten Frauen sind:

Nina Bang (1866-1928) – Erste dänische Ministerin
Johanna Elberskirchen (1864 –1943) – Vorkämpferin für Homosexuellenrechte
Olympe de Gouges (1748-1793) – Kämpferin für die Rechte der Frauen
Constanze Hallgarten (1881-1969) – Pazifistin, Feministin, Hitlergegnerin
Ingeborg Hunzinger (1915 - 2009) – Politische Bildhauerin
Constance Lytton (1869-1923) – Militant aus Überzeugung
Lu Märten (1879 - 1970) – Kulturtheoretikerin, Feministin, Schriftstellerin
Louise Nordmann (1829-1911) – Die Berliner Harfenjule
Marie-Luise Plener-Huber (1909 – 1996) – Rebellin in der Résistance
Jeannette Schwerin (1852-1899) – Pionierin der Sozialarbeit
Marianne Weber (1870 – 1954) – Vordenkerin der Gleichstellung im Familienrecht
Urszula Wiñska (1902-2003) – Illegale Lehrerin im KZ Ravensbrück

Die Autorinnen und Autoren sind:

Antje Asmus, Heike Friauf, Inge Gerlinghoff, Bernd F. Gruschwitz, Jana Günther, Hella Hertzfeldt, Christiane Leidinger, Shelley Rose, Nancy Thym, Marga Voigt, Cornelia Wenzel, Christl Wickert.

Die Entstehungsgeschichte des Kalenders

Die Idee entstand während meiner Forschungsarbeit im Historischen Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Bereits im Jahresbericht „Frauen – Politik – Gesellschaft 2000“ hatte ich einige Wegbereiterinnen der sozialistischen Frauenbewegung dargestellt. Daraufhin fragte mich Christel Nickel-Meyer, damals Mitglied der Geschäftsführung, ob ich nicht Lust hätte, einen Kalender zu machen, in dem bekannte und weniger bekannte Frauen aus der „linken Geschichte“ versammelt sind. Da ich bereits etliche Biografien von Sozialistinnen erstellt hatte, und mich die Arbeit an diesen politischen Biografien interessierte, stimmte ich zu. Mir war daran gelegen, zu Unrecht vergessene Frauen „auszugraben“ und einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dafür schien mir ein Kalender geeignet; selbst dann, wenn er von etlichen HistorikerInnen nicht wirklich als „ernsthafte“ wissenschaftliche Arbeit anerkannt werden sollte.

Die Frauenbeauftragte der Friedrich-Ebert-Stiftung übernahm mit Begeisterung Organisation und Vertrieb für den Kalender, KollegInnen aus meiner Forschungsgruppe, aus dem Archiv und der Bibliothek unterstützten mich mit viel Begeisterung und Anita Pellens gestaltete mit künstlerischem Geschick die zwölf Kalenderblätter im Großformat DIN A 3. Es entstand ein Kalender, der jeden Monat an eine andere starke und unabhängige Frau mit einer eigenen Geschichte erinnerte.

Der Kalender war von Anfang an als Fortsetzungskalender konzipiert; er sollte auch in den darauffolgenden Jahren erscheinen. Wegbereiterinnen der sozialistischen Frauenbewegung gab und gibt es schließlich viele. Obwohl der Kalender Ende des Jahres 2002 ausverkauft war, nachgedruckt wurde und das Projekt sich selbst trug, also ein „Erfolgsprojekt“ geworden war, wäre es beinahe dem allgemeinen „Sparzwang“, der auch vor den politischen Stiftungen nicht halt machte, zum Opfer gefallen.

Bevor der Rotstift dem gerade begonnen Projekt ein Ende setzen konnte, überzeugte mich Antita Pellens von der Notwendigkeit der Weiterführung. Sie hatte den Plan bereits in der Tasche. Hatte ich den ersten Kalender noch alleine geschrieben, so kamen nun von Jahr zu Jahr immer mehr WissenschaftlerInnen hinzu, denen der Kalender so gut gefiel, dass sie mitmachen und den durch sie beforschten Frauen ein Denkmal setzen wollten. Aus dem Projekt war von einem Tag auf den anderen ein autonomes Frauenprojekt geworden; freilich unterstützt durch einige Männer.

Die Freundinnen des Archivs der Deutschen Frauenbewegung in Kassel halfen uns zunächst bei der Bildersuche und schreiben nun auch mit. Alle AutorInnen und die Herausgeberin arbeiten ehrenamtlich. Die folgenden Kalender erschienen in der gleichen Aufmachung wie Wegbereiterinnen I, wurden aber bunter und international. In der Zwischenzeit hat der Kalender Sammlerwert. Außer Politikerinnen und Gewerkschafterinnen sind auch Tänzerinnen, Musikerinnen, Malerinnen, Bildhauerinnen, Pazifistinnen, Freidenkerinnen, Schriftstellerinnen darin versammelt, die sich der sozialistischen Idee und der proletarischen Frauenbewegung verschrieben oder sie unterstützt haben. Der Kalender 2013 erscheint erstmals im Verlag AG SPAK Bücher in Neu-Ulm. Damit sind wir jetzt im Buchhandel und bei wichtigen Messen vertreten.

Die Philosophie des Kalenders

Die Geschichten der Frauen sind neben dem Photo abgedruckt, jeden Monat eine neue. Sie sind so knapp gehalten, dass sie auf ein Kalenderblatt passen, aber so ausführlich, dass man sich – auch ohne viel von der Geschichte der sozialistischen/proletarischen Frauenbewegung zu wissen – ein Bild von der jeweiligen Wegbereiterin machen kann. Ich habe den Kalender bewusst „Der Kalender“ genannt – nicht Frauenkalender. Ich ging davon aus, dass einige der abgebildeten Frauen gar nicht in einen Frauenkalender gesperrt sein wollten, weil sie als Sozialistinnen schließlich immer Seite an Seite mit den Männern für eine bessere Welt gekämpft haben und niemals gegen ihre eigenen Genossen.

Allen dargestellten Frauen, die stets in alphabetischer Reihenfolge erscheinen, weil eine andere Hierarchisierung nicht sinnvoll erschien, ist gemeinsam, dass sie Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts geboren sind, jedenfalls zu einer Zeit, in der Frauen noch wenig Rechte hatten, sich nicht organisieren durften, weder wählen noch gewählt werden konnten und sich Universitäten nur von außen ansehen duften; selbst wenn sie „Bürgerliche“ waren. Fast alle diese Frauen haben das Kaiserreich und viele zwei Weltkriege erlebt und sie haben, so lange sie gelebt haben, nicht aufgehört, für eine friedliche und ebenbürtige Gesellschaft, frei von Ausbeutung und Unterdrückung, zu kämpfen. Dass sie es damit nicht leicht hatten, versteht sich von selbst. Ohne diese Vorkämpferinnen wären wir heute nicht da, wo wir sind. Entstanden sind Lebensbilder, die – so hoffe ich jedenfalls – zum Nachdenken und zum eigenen politischen Engagement anregen. Aus den meisten spricht die Sehnsucht nach einer Welt, in der es niemandem an dem fehlt, was für ein „gutes Leben“ notwendig ist. Dass der Kalender fortgesetzt wird, ist nun keine Frage mehr. Und zuletzt noch die Antwort auf eine oft gestellte Frage: Nein, die starken und unabhängigen Frauen aus der Geschichte gehen uns bestimmt nicht aus, wir haben sogar Wartelisten in verschiedenen Archiven.

Gisela Notz

Bestellformular im Anhang.