Offener Brief von 24 NGOs an die Bundesregierung

Frauen schützen und Femizide stoppen

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Terre des Femmes und 23 weitere Organisationen der Zivilgesellschaft fordern in einem Offenen Brief, den der hpd hier im Wortlaut veröffentlicht, von der Bundesregierung, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen: zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und zur Verhinderung weiterer Femizide.

In dem Offenen Brief, den unter anderem die Giordano Bruno-Stiftung, der LSVD+, Doctors for Choice Germany und das Centre for Feminist Foreign Policy unterzeichnet haben, heißt es: "Von 2022 auf 2023 stieg die Zahl der Femizide von 133 auf 155 an – damit kommt es nun bereits fast jeden zweiten Tag in Deutschland zum Mord einer Frau durch ihren (Ex-) Partner. Frauen sind in diesem Land nicht sicher."

Sina Tonk, Bereichsleiterin bei Terre des Femmes sagte: "Nach Artikel 2 des Grundgesetzes hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Deutschland – aber offenbar nicht jede. Allein im letzten Jahr wurden 155 Frauen in Deutschland von ihrem Partner oder Expartner ermordet." Es sei erschütternd, dass "der deutsche Rechtsstaat seit Jahren nicht in der Lage ist, Frauen vor Femiziden zu schützen. Dabei sind Femizide allzu oft Morde mit Ansage: Gegen viele der Täter erging vorher eine Anzeige oder es wurde ein Annäherungsverbot erwirkt."

Für Tonk sei klar, dass Täter gestoppt werden müssen, bevor es zu zur Tat kommt. "Jetzt gerade sehen wir nur, dass fast jeden zweiten Tag eine Frau von einem Mann umgebracht wird, der daran nicht gehindert wurde."


Berlin den 11. September 2024

Offener Brief:
Es reicht: Schützen Sie endlich Frauen vor Gewalt und stoppen Sie Femizide!

Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Innenministerin Faeser,
sehr geehrter Bundesfinanzminister Lindner,
sehr geehrte Bundesfamilienministerin Paus,

in Berlin kam es innerhalb weniger Tage zu zwei Femiziden und einem weiteren versuchten Femizid. In Zehlendorf wurde eine 36-jährige Mutter von vier Kindern von ihrem Ex-Partner ermordet. Wie so oft war gegen ihn im Vorfeld ein Kontakt- und Annäherungsverbot erteilt worden und trotzdem war ihm seine Ex-Partnerin hilflos ausgeliefert! Es zeigt sich wieder einmal, dass Frauen in Deutschland immer noch nicht ausreichend vor Gewalt geschützt werden.

Wie viele tote Frauen braucht es noch, damit Sie handeln?

Von 2022 auf 2023 stieg die Zahl der Femizide von 133 auf 155 an – damit kommt es nun bereits fast jeden zweiten Tag in Deutschland zum Mord einer Frau durch ihren (Ex-) Partner. Frauen sind in diesem Land nicht sicher. Bei 12-18 Prozent der in Deutschland erfassten Femizide werden zudem weitere Personen getötet (FEM-UNITED Comparative Report 2021), wie Kind(er), neuer Partner etc. Diese Situation ist völlig inakzeptabel.

Die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen muss jetzt sofort zur Priorität gemacht werden. Es hängt an Ihrem politischen Willen, Frauen zu schützen, und zwar noch in dieser Legislaturperiode!

Wir fordern von Ihnen:

  • dass der im Koalitionsvertrag verankerte Rechtsanspruch auf Hilfe bei Gewalt, jetzt Gewalthilfegesetz genannt, mit dem versprochenen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sofort auf den Weg gebracht und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet wird
  • den umfangreichen Ausbau von Schutzplätzen und Beratungsangeboten
  • einen massiven Ausbau von Präventionsangeboten und Täterarbeit
  • die bundesweite Einführung der elektronischen Fußfessel zur Einhaltung und Überprüfung von Näherungsverboten
  • die sofortige und vollständige Umsetzung der EU-Gewaltschutzrichtlinie und der Istanbul Konvention, die in Deutschland geltendes Recht ist.

Es ist an der Zeit, dass die Politik in Deutschland ein klares Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen setzt, viel zu lange schon wird bei diesem Thema weggeschaut. Gelingen kann dies nur mit der ausreichenden Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen, die längst überfällig ist. Nur so wird sich zeigen, wie viel das Leben einer Frau in Deutschland wirklich wert ist!

Die unterzeichnenden Organisationen fordern Sie auf Ihren vielfach zum Ausdruck gebrachten guten Willen endlich unter Beweis zu stellen, damit Frauen in Deutschland nicht länger in Angst leben müssen.

Terre des Femmes - Menschenrechte für die Frau e.V., Berlin, Deutschland (Initiatorin)
Feministisches Netzwerk für Gesundheit Berlin
Giordano-Bruno-Stiftung (Oberwesel)
Überparteiliche Fraueninitiative Berlin, Stadt der Frauen e.V.
Doctors for Choice Germany e.V., Berlin, Deutschland
Dr. Farsana Soleimankehl-Hanke, Rechtsanwältin, Frauenrechtsaktivistin, Berlin
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL), Berlin
Frontline, Berlin
Neustart e.V., Berlin
Centre for Feminist Foreign Policy, Berlin
Bundesinitiative FrauenfuerGewaltschutz, Hannover
LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt, Berlin/Köln
ZONTA Germany, Düsseldorf
SAIDA International e.V., Leipzig
Unabhängiger Frauenverband Brandenburg e.V.
Beratungsstelle für Mädchen und Frauen Potsdam
Landesfrauenrat Baden-Württemberg
Soroptimist International Deutschland
FFGZ Berlin - Feministisches Frauen Gesundheits Zentrum e.V
Fachberatungsstelle SOLWODI Aachen (NRW)
Diálogo del Mundo e.V., Sassnitz
Terre des Hommes Deutschland e.V.
S.I.G.N.A.L. e.V., Berlin
Katholischer Deutscher Frauenbund e.V. (KDFB), Köln


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