Die Humanisten Leer fordern von Bundesjustizminister Buschmann die Abschaffung des alten Gotteslästerungs-Paragraphen

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Nicht nur im Iran oder in Saudi-Arabien drohen Gotteslästerern harte Strafen. Auch im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) findet sich ein Paragraph, der für Religionskritiker ungeahnte Folgen haben kann. Die Humanisten Leer haben sich im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe "Humanistische Gespräche" mit dem Paragraphen 166 StGB beschäftigt. Sie fordern nun von Bundesjustizminister Marco Buschmann dessen Abschaffung.

Im Strafgesetzbuch steht ein Paragraph, von dem die meisten wohl noch nie etwas gehört haben. Der Paragraph 166 stammt aus einer Zeit, in der Religion nicht hinterfragt wurde und Meinungsfreiheit nicht viel galt. Nach Paragraph 166 wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, der die Religionsausübung stört oder behindert, "…in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören". Dies bedeutet, dass derjenige, der kritische oder satirische Äußerungen über Religionen tätigt, für die unangemessene Reaktion der Kritisierten verantwortlich gemacht wird. Nach deutschem Gesetz hätten also die überlebenden Satiriker von Charlie Hebdo verurteilt werden können, weil ihre Zeichnungen Fundamentalisten dazu animierten, Terrorakte zu begehen. Es handelt sich um eine inakzeptable Umkehrung des Täter-Opfer-Prinzips. Denn selbstverständlich wird der öffentliche Friede nicht durch Künstlerinnen und Künstler gestört, die auf dem Boden des Grundgesetzes Religionen satirisch aufs Korn nehmen, sondern durch religiöse Fanatiker, die es nicht gelernt haben, auf Kritik in angemessener Weise zu reagieren.

Dass interessierte Kreise den Paragraphen 166 längst für sich entdeckt haben, zeigt ein Beispiel aus Hamburg: Am 6. August 2022 sollen drei Beschuldigte bei einer angemeldeten Versammlung direkt vor der Blauen Moschee an der Außenalster einige Seiten aus einem Koran verbrannt haben. Der Iran hat auf diplomatischem Wege eine Strafverfolgung der Täter verlangt, woraufhin die deutsche Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach Paragraph 166 StGB einleiten musste. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Die Blaue Moschee wurde mittlerweile von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser wegen Terrorismusunterstützung und antisemitischer Hetze geschlossen.   

Welche Gefahren in antiquierten Paragraphen lauern, zeigt die Erdoğan-Böhmermann-Affäre aus dem Jahr 2017. Der türkische Präsident fühlte sich durch ein satirisches Gedicht beleidigt. Es kam zu erheblichen diplomatischen und juristischen Verwicklungen, in deren Folge der Majestätsbeleidigungs-Paragraph 103 StGB aufgehoben wurde. Auch der Gotteslästerungs-Paragraph 166 StGB sollte aufgehoben werden, bevor antidemokratische Kräfte ihn gegen Satire und Meinungsfreiheit einsetzen können.

Der Schutz vor Beschimpfung und der Schutz des öffentlichen Friedens sind durch andere Paragraphen des StGB hinreichend gewährleistet. Der Paragraph 166 StGB ist nicht mehr zeitgemäß und verzichtbar und sollte deshalb aufgeboben werden. Eine Streichung forderten bereits 2015 der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann und Christian Lindner, heute Bundesfinanzminister, in einem gemeinsamen Aufsatz für die Deutsche Richterzeitung. Daran erinnern die Teilnehmer des "Humanistischen Gesprächs" zu diesem Thema in einem am 16. Oktober gemeinsam verfassten und von allen unterschriebenen Brief an Bundesjustizminister Buschmann. Sie fordern ihn darin auf, die Aufhebung des Paragraphen 166 StGB in die Wege zu leiten.

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