"aber:glaube" zum Zweiten

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Publikum / Fotos: Patrick Schönfeld

DRESDEN. (hpd) Im St. Pauli Salon des Dresdner Hechtviertels gab es einen Poetry-Slam zur Religion. Die Veranstaltung passte perfekt in die Zeit: Zum neuerlichen Streit um Satire, die auch vor Religion nicht halt macht, und zu einer wieder erstarkten Blasphemie-Debatte.

Es ist sicherlich wichtig, den Zensur-Ansinnen religiös-konservativer Politiker und Stimmungsmacher sachlich zu begegnen und das Recht auf freie Meinungsäußerung hochzuhalten. Das bedeutet mitunter auch, sakrosankte Tabu-Themen zu behandeln und zu hinterfragen. Was dabei nicht zu kurz kommen sollte, ist das doppelte Ansinnen von Satire - die Überspitzung und Verfremdung soll nicht nur zum Nachdenken anregen, sondern vor allem: zum Lachen.

Daher veranstaltete der gbs Dresden e.V., die Dresdener Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung, am vergangenen Freitag einen skeptischen Poetry-Slam unter dem Titel "aber:glaube?". Es ist der zweite seiner Art. Bereits im Mai gab es eine erste Ausgabe mit lokalen Künstlerinnen und Künstlern, die vom Publikum sehr gut aufgenommen wurde. Michael Brade, Schatzmeister des Vereins, dazu: "Wir hatten quasi keine andere Wahl. Das musste eine Fortsetzung finden."

Dieses Mal waren im St.Pauli-Salon des Dresdner Hechtviertels sieben Poetinnen und Poeten angetreten. Sie hatten je acht Minuten Zeit, um mit ihren selbstverfassten Texten - ob Prosa, Lyrik oder Dialog - die Gäste zu überzeugen. Die thematische Bandbreite war groß: Axel Krüger (Görlitz) begab sich gedanklich auf eine Kneipen-Tour mit einem hedonistischen Jesus, von der er am nächsten Morgen leider nicht mehr allzu viel wusste. Schade, hatte der Heiland doch versprochen, ihm beim fünften Wein die letzten Wahrheiten zu enthüllen. Patrick Schönfeld führte die Selbstüberschätzung der Spezies homo sapiens anhand eines fiktiven Dialogs mit einem Neandertaler vor. Das an sich gar nicht komische Sujet der Kindesmisshandlung in katholischen Einrichtungen wusste Oskar Staudinger in zynische Verse zu kleiden. Tom Kleinrensing wiederum verlor seinen Glauben an die Sprache bei der Betrachtung des zeitgenössischen Jugendjargons. Eine augenzwinkernde Sichtweise auf den evangelischen Kirchentag im vergangenen Jahr wurde von Michael Winkler präsentiert. Mr. Maokissh hingegen fragte mit Descartes, ob es nicht sein könne, dass wir auch nur "glauben", (logisch) zu denken und die Welt rational wahrnehmen zu können. Und Morné Mirastelle sorgte für große Erheiterung, als sie den Glauben an ein höheres Schicksal und "Zeichen" in einer Art Tagebucheintrag auf die Spitze trieb. Schließlich wurden auch Texte verlesen, die religiöse Fundamentalismen feinsinnig entlarvten.

 

Bei lokalem Bier und Musik von Enna Miau ging es in die Pause. Die Texte der Künstlerinnen und Künstler hatten offenbar reichliche Denkanstöße gegeben. Eine heitere, aufgeschlossene Atmosphäre war entstanden. Der Moderator des Abends, Falko Pietsch (Pressesprecher des gbs Dresden e.V.), zeigte sich zufrieden: "Es ist wunderbar, wenn so viele kreative Menschen zusammenfinden. Aus der Lust an der Sprache und Freude am kritischen Denken sind hier tolle Momente entstanden. Nicht bei jedem Slam sind sich Publikum und Poetinnen und Poeten so nah."

Die besten vier Literaten kamen nach Publikumsentscheid ins Finale, in dem sich Morné Mirastelle schließlich als Siegerin behauptete. Mit leeren Händen gingen jedoch auch die anderen nicht nach Hause. Symbolisch bekamen sie einen Apfel und ein Ei.

Nach drei Stunden unterhaltsamen, abwechslungsreichen Programms blieben einige Gäste noch bis in die Nacht und konnten sich nebenher auch über die sonstige Arbeit der Giordano-Bruno-Stiftung und ihrer Regionalgruppen informieren.

Innerhalb der gbs Dresden ist man sich einig, dass gelebter Humanismus nicht nur von Skepsis und Kritik, sondern auch Kreativität, Gemeinschaft und gesundem Humor lebt. Deshalb wird dieser Poetry-Slam auch nicht der letzte gewesen sein. Bereits am 07. Dezember lädt der gbs Dresden e.V. im Rahmen seiner ATHvents-Veranstaltungen erneut zum Dichterwettstreit ein. Zuvor jedoch wird es noch mal ernst, wenn am 28.11. u.a. Rolf Schwanitz (SPD), Bernd Vowinkel (Piraten) und Tilo Kießling (Die Linke) über den Stand der Trennung von Kirche und Staat in Deutschland debattieren. Des weiteren steht am 12.12. eine Lesung mit Philipp Möller ("Isch geh Schulhof") ins Haus. Weitere Informationen zu allen Veranstaltungen auf: www.gbsdresden.de.

Info zum Poetry-Slam: In den 80ern wurde die griechische Tradition des Dichterwettstreits in einer neuen Form populär. Beim Poetry Slam treten Literaten mit selbstgeschriebenen Texten gegeneinander an. Pro Runde hat jeder Starter / jede Starterin ein vorher festgelegtes Zeitlimit. Es dürfen weder Kostüme noch Musik verwendet werden. Dennoch ist ein Poetry Slam weit mehr als eine Lesung. Viele Künstlerinnen und Künstler bedienen sich bei ihren Auftritten diverser Elemente der Stand-Up-Comedy und inszenieren sich und ihre Texte ganz individuell. Das ist auch nötig - schließlich entscheidet das Publikum darüber, wer den Wettbewerb gewinnt.
War das Phänomen in den 80er-Jahren noch auf die USA beschränkt, hat es sich längst auch in Europa verbreitet. Mittlerweile finden in Deutschland an weit über hundert Veranstaltungsorten regelmäßig Poetry Slams statt.