Burschenschaftler, FPÖ und Neonazis

(hpd) Der Journalist Hans-Henning Scharsach legt ein Buch vor, das eine Fülle von Belegen für das Bestehen eines Netzwerkes von Burschenschaftlern, FPÖ und Neonazis enthält. Der Autor liefert auf über 300 Seiten mit über 1000 Fußnoten einschlägige Belege, aber leider keine Auseinandersetzung mit den politischen Positionen Straches.

In den 1990er Jahren machte Jörg Haider mit der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) mit rechtspopulistischer Agitation und damit einhergehenden Wahlerfolgen europaweit auf sich aufmerksam. Nach internen Konflikten kam es dann in der ersten Hälfte der 2000er Jahre zu eine Spaltung der Partei. Haider starb später bei einem Autounfall, Heinz Christian Strache hatte bereits zuvor die FPÖ-Führung übernommen.

Der Personalwechsel an der Spitze ging aber nicht mit einer Distanz zum Rechtsextremismus einher. Ganz im Gegenteil, folgte ihm damit längerfristig gesehen sogar eine Stärkung einschlägiger Tendenzen. Diese Auffassung vertritt Hans-Henning Scharsach, langjähriger Leiter des Auslands-Ressort von „Kurier“ und „News“ in seinem Buch „Strache. Im braunen Sumpf“. Es knüpft an seine früheren Publikationen „Haiders Clan“ und „Haiders Kampf“ an. Auch in seinem neuen Werk will Scharsach „die zahllosen Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten von FPÖ und Neonazi-Szene anhand besonders typischer und seriös belegbarer Fälle“ (S. 14) dokumentieren.

Am Beginn steht die Erinnerung an die Veröffentlichung von Fotos aus Straches jüngeren Jahren, welche ihn als Akteur von Wehrsportübungen zeigen. Für Scharsach war er „Teil der Neonazi-Szene“ (S. 50). Hierbei habe es sich aber um keine bloße Jugendsünde gehandelt, was sich aus der Personalpolitik nach Straches Weg an die FPÖ-Spitze ergebe: „Haiders Buberlpartie wurde durch Straches Burschenpartie ersetzt – stramme Hardcore-Ideologen aus jenem korporierten Milieu, die ihre Träume von Großdeutschland unter Phrasen von der deutschen ‚Kulturnation’ verstecken, Antisemitismus und Herrenmenschendünkel ihrer politischen Vorfahren pflegen, die Verbrechen von Hitlers Terrors-System zu verharmlosen suchen und sich von den ideologischen Denkmustern des Nationalsozialismus nie wirklich getrennt haben“ (S. 53). Für diese Einschätzung, die von einer Vernetzung von Burschenschaften, FPÖ und Neonazismus ausgeht, liefert der Autor auf über 300 Seiten mit über 1.000 Fußnoten einschlägige Fallbeispiele zur Veranschaulichung.

Er macht zunächst auf die rechtsextremistische Prägung des burschenschaftlichen Milieus u.a. am Beispiel der „Olympia“ aufmerksam. Dem folgen Ausführungen zu derartigen politischen Auffassungen von Organisationen wie der „Aktionsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) oder dem „Ring freiheitlicher Jugend“ (RfJ). Anschließend wird der Blick auf „braune Helfer, braune Fans“ (S. 194) der FPÖ geworfen, die Verquickung des FPÖ- und Neonazi-Milieus im Internet aufgezeigt und der Kontext von Gewaltdiskursen in diesen Milieus behandelt. Scharsach geht auch auf die Auswechslung des Feindbildes „Jude“ durch das Feindbild „Moslem“ ein.

Um weniger Angriffsfläche zu bieten, besuchte Strache selbst die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Als Kopfbedeckung wählte er ausgerechnet die Burschenschafter-Kappe seiner „Vandalia“-Verbindung. Scharsach bemerkt: „Strache ist nicht der einzige, der erkannt hat: Gelingt es rechtsextremen Parteien, sich vom Makel des Antisemitismus zu befreien, verlieren sie ... den Makel der Unwählbarkeit“ (S. 258).

Bei manchen Beispielen im Buch darf man jeweils fragen, ob dies nicht eher einen Einzelfall darstellt oder ob auch eine andere Interpretation möglich wäre. Mit der Fülle des Materials kann der Autor jedoch gute Argumente für die Bestätigung seiner politischen Deutung vorweisen. Es ist indessen stellenweise etwas ermüdend, dann immer noch einen neuen Beleg vorgetragen zu bekommen. Daraus ergibt sich aber gerade die inhaltliche Stärke des Buchs.

Leider findet man darin keine näheren Analysen zu Straches politischen Auffassungen, Reden und Taten. Scharsach konzentriert sich mehr auf die Kontakte und Verbindungen hoher Funktionsträger der Partei. Insgesamt wirkt das Buch so wie eine Art Anklageschrift, der es eben um Belege für die vorstehenden Deutungen geht. Somit findet man darin weder genaue Einschätzungen zu Straches eigener politischer Position noch zu den Gründen für seine Erfolge bei Wahlen. Gleichwohl verdient die Ebene der Darstellung angesichts der damit einhergehenden Gefahren für Demokratie auch unabhängig davon Aufmerksamkeit.

Armin Pfahl-Traughber

 

Hans-Henning Scharsach, Strache. Im braunen Sumpf, Wien 2012 (Verlag Kremayr & Scheria), 335 S., 24 €.